Ein polaritätsfreier Gedanke fördert eine gute Zukunft und bewirkt eine Transformation des Negativen

Typische Polarität zwischen Spiritualität und Welt

Ein Pendel mit weiter Amplitude

In einem Yoga- oder Meditationskurs können sich die teilnehmenden Personen auf eine relativ leichte Weise sehr angenehme positive Energien aneignen und diese für eine bessere Lebensqualität nützen. Nicht selten geschehen die Bewertungen vonseiten scheinbar spiritueller Kurse gegenüber der gewöhnlichen materiellen Welt: Der Yoga, die Meditation seien die wahren Bewegungen des Lebens, während die existentiellen Verrichtungen, die jeder Bürger im materiellen Leben zu leisten hat, lästige Verpflichtungen darstellen, die Energien aufzehren und das menschliche Gemüt verausgaben. So sagte beispielsweise aus diesem Missverstehen heraus eine Yogagruppe trefflicherweise, dass sie nach getätigter Lektion in der Mittagspause nicht zum Essen gehen möchte, denn es soll die gute Energie des Yoga bewahrt werden und in einem weltlichen Lokal keinesfalls zur Verschleuderung gelangen. Am liebsten wollte diese Gruppe immer in der schönen Energie, die die verschiedenen Übungen freisetzten, bleiben und am besten habe sie nichts mehr mit der Welt zu tun. Die Polarität zwischen Yoga, Meditation oder allgemein Spiritualität zur gewöhnlichen Welt beruht jedoch auf einem großen Missverständnis.1) Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang auch den Artikel des Autors von 2017 „Philosophie und Erkenntnis als essentielle Sterne für die Menschheit“.

Ein Pendel im Lot

Der Übende hätte die Verpflichtung, dass er das Gelernte und die entwickelten Erkenntnisse auf verständliche und sozialfähige Weise in das Leben hineinbringt und sie den Mitmenschen auf sinnvolle Weise zur Verfügung stellt. Ein Schwelgen in eigenen Welten mit energetischen angenehmen Gefühlen fördert eine Spaltung zwischen Geist und Welt. Es ist jedoch nicht wirklich der Geist, der in diesen schwelgerischen, eigenbezogenen Gefühlen zum Vorschein drängt, sondern es ist ein irrtümlicher Umgang mit Spiritualität, mit Yoga und Meditation. Der Eigennutz von Yogaübungen ist durchaus genauso materialistisch, wie wenn jemand eine Arbeit nur aus den Gründen reiner ökonomischer Notwendigkeit tätigt. Solange jemand tatsächlich in den persönlichen Energien des Yoga schwelgt und sich sein eigenes sicheres Energiegefühl reserviert, besitzt er noch keine Beziehung zu Spiritualität und zu einer höheren Wirklichkeit. Er ist vielleicht sogar mehr als der normale Bürger durch sein spirituelles Missverständnis mit weltenflüchtigem Charakter verhaftet. Dieser Irrtum ist heute sehr häufig und in der Summe fördern diese eigennützigen Tendenzen, die in zahlreicher Form auf den esoterischen Gebieten vorherrschen, den puren Materialismus in der Welt. Falsche spirituelle Konzepte mit polarisierendem Charakter schlagen deshalb im stillen Inneren ihres egoistischen Charakters ein Pendel weit hinüber in den Materialismus.2) Eine gegenteilige Versuchung zeigt sich darin, dass man nicht nur in scheinbar spirituellen Gefühlen schwelgt, sondern sogar in der Welt genießerisch erblüht. Spiritualität soll der Welt und dem besseren Weltengenusse dienen. Insofern diese Tendenz vorherrscht, lebt der, der gelegentlich in einen spirituellen Kurs geht, sich an jeder Beziehung zu den höheren Welten vorbei. Er wird weltverhaftet. Weltverhaftung oder Weltenflucht können Ergebnis einer missbräuchlichen Auffassung von Spiritualität sein. Beide fördern die Konflikte in der Menschheit und steuern auf das Wachstum von Krankheiten zu.

Was ist ein polaritätsfreier Inhalt oder Gedanke?

Die horizontale Linie eröffnet ein Sinnbild für die Polarität im Leben.

Viele Personen, die auf einem anthroposophischen Übungsweg tätig sind, glauben, dass Ätherkräfte, oder, wenn man es anders ausdrückt, sogenannte erbauende Lebensenergien nur durch bestimmte methodische Ansätze, Heilmittel, eurythmische Formen, gute biologisch-dynamische Nahrung oder Rituale geschaffen werden können. Eine wirkliche Spiritualität darf jedoch nicht von einer Methodik allein abhängig sein, denn sie muss über das äußere Anwendungsgebiet hinauswachsen und den Menschen mit seinen geistigen schöpferischen Kräften in die Mitte platzieren. In Yogabereichen spricht man ebenfalls von verschiedenen methodischen Ansätzen und wertet so manche Vorgehensweise als spirituell und andere als materialistisch. Die äußeren Bewertungsmaßstäbe übersehen meist den inneren Menschen, der kreativ, opferbereit und mit seinem persönlichen Einsatz tätig ist. Wie erfüllt der Einzelne seine Methodik, die er anwendet? Wie lebendig ist sein innerstes spirituelles Verständnis und wie kann er Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden? Jedenfalls besitzt jeder Mensch ein bestimmtes vorhandenes geistiges Potenzial und kann dieses als schöpferische Kraft benützen. Der Mensch ist, selbst wenn er sich mit Spiritualität intensiv auseinandersetzt, dazu berufen, Ätherkräfte und erbauende Energien durch seine Bewusstseinshaltung zu erschaffen. Er sollte diese Fähigkeit ohne Methodik und ohne Yogaübung durch sich selbst leisten und an jedem Ort einbringen können. Geht er beispielsweise nach einer getätigten Yogalektion zum Mittagessen in ein Restaurant, muss er sich nicht an der weltlichen Atmosphäre, die dort vorherrscht, stören, sondern er vermag kraft seiner Gedanken und Gefühle gerade jene Beziehung herzustellen, die das gesamte Mahl bereichert. Er fördert Ätherkräfte durch seine Bewusstseinsaktivität, seine Aufmerksamkeit und Gedankenbildetätigkeit. Mit dieser Bemühung überschreitet er die banale Polarisierung zwischen einer vermeintlichen Energie, die er durch Yoga gewinnen könnte, und der scheinbar so andersartigen materialistischen Welt. Sein eigenes Selbst, gegründet in einem schöpferischen Bewusstsein und in klarer Erkenntnis, führt zu einer Polaritätsfreiheit. Jene Person, die diese Disziplin entwickelt, wirkt auf die Umgebung erbauend und darüber hinaus auf den Weltenfrieden ausgleichend. Die Kraft seiner Seele ist in einem inhaltlichen Gedanken, der einer hohen Wahrheit entspricht, gegründet.

Die aufsteigenden Linien des Dreiecks verbinden die Pole auf einer gehobenen Ebene. Das Dreieck versinnbildlicht damit die Dynamik der inhaltlichen Gestaltung. An der Spitze steht ein geeigneter Gedanke.

Es ist jedoch notwendig, dass sich der Übende auf dem Weg der Spiritualität tatsächlich um einen intensiven Wahrheitsgedanken bemüht. Gelingt es ihm, wie am Beispiel angeführt, Methoden und verwendete Substanzen als zweitrangig zu erkennen und die eigene schöpferische Bewusstseinshaltung des Selbstes mit wacher Aufmerksamkeit und inhaltlicher Bewegtheit zu tätigen, ist er in einer unerschütterlichen Weisheit gegründet. Er muss jedoch diese Unterscheidungsbildung erringen und jene Wahrheit, die in einem inhaltlichen Bewusstsein liegt, erkennen. Der einzelne Mensch beginnt durch sich selbst zu wirken, weil er eine solide Begrifflichkeit von Ätherkräften errungen hat und diese ausreichend in jeder Stunde des Lebens ausstrahlen kann.

Besitzt jedoch der Einzelne nur einen theoretischen Begriff von Ätherkräften und erkennt er noch nicht, dass er diese durch eine geordnete und bewusst geführte Gedankentätigkeit erzeugen kann, bleibt er mit seiner Begrifflichkeit noch in einer polaren Wirklichkeit haften. So wie ein Bergsteiger authentisch ein abenteuerliches Bergerlebnis erzählen kann und seine Zuhörer zur Begeisterung führt, so kann auch der, der beispielsweise lebendige Erkenntnisse zu esoterischen Begriffen erworben hat, diese in eine unmittelbare ausstrahlende Wirklichkeit führen. Er spricht nicht mehr von Theorien, sondern von lebendiger Praxis und schenkt eine hohe, durchaus spirituelle Energie. Eine wirkliche Spiritualität ist im Selbstsein des Menschen oder in seiner Schöpferkraft durch errungene Wahrheitsinhalte gegründet.

Zu diesen oder ähnlichen Wahrheitsinhalten muss sich der heutige, spirituell Suchende aufrichten. Würde er nur eine Meinung, die in Gruppen geprägt wird, als spirituelles Bekenntnis rezitieren, so könnte er die großen Pendelschläge von Esoterik und Weltlichkeit nicht überwinden.

Der Mensch ist in seiner Moralität derjenige, wie er sich von einer besten Idee zu einem wirklichkeitsgemäßen Ideal gründen konnte. Wirkliche Moralität kann die Welt beleben, bereichern und schließlich verwandeln. Sie ist in einem Gedanken gegründet und frei von Polarität.3) Brahmavid brahmaiva bhavati: Wer brahman oder eine Wahrheit erkennt, wird selbst zu dieser Wahrheit. Die wirkliche Erkenntnis führt die Persönlichkeit über die Grenzen des Polarisierens hinaus. Das Wort gründet sich in einem Wahrheits- und Wirklichkeitsgedanken und der Einzelne wird in der tiefsten Verfügbarkeit seiner Seele zu diesem Selbst. In diesem Sinne kann man sagen, der Mensch ist in diesem Maß derjenige, wie er eine geistige Wirklichkeit in die irdische Welt herabbringt. (Das Mantra stammt aus den Mundaka Upanishad, den alten philosophischen Schriften Indiens.)

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang auch den Artikel des Autors von 2017 „Philosophie und Erkenntnis als essentielle Sterne für die Menschheit“.
2 Eine gegenteilige Versuchung zeigt sich darin, dass man nicht nur in scheinbar spirituellen Gefühlen schwelgt, sondern sogar in der Welt genießerisch erblüht. Spiritualität soll der Welt und dem besseren Weltengenusse dienen. Insofern diese Tendenz vorherrscht, lebt der, der gelegentlich in einen spirituellen Kurs geht, sich an jeder Beziehung zu den höheren Welten vorbei. Er wird weltverhaftet. Weltverhaftung oder Weltenflucht können Ergebnis einer missbräuchlichen Auffassung von Spiritualität sein. Beide fördern die Konflikte in der Menschheit und steuern auf das Wachstum von Krankheiten zu.
3 Brahmavid brahmaiva bhavati: Wer brahman oder eine Wahrheit erkennt, wird selbst zu dieser Wahrheit. Die wirkliche Erkenntnis führt die Persönlichkeit über die Grenzen des Polarisierens hinaus. Das Wort gründet sich in einem Wahrheits- und Wirklichkeitsgedanken und der Einzelne wird in der tiefsten Verfügbarkeit seiner Seele zu diesem Selbst. In diesem Sinne kann man sagen, der Mensch ist in diesem Maß derjenige, wie er eine geistige Wirklichkeit in die irdische Welt herabbringt. (Das Mantra stammt aus den Mundaka Upanishad, den alten philosophischen Schriften Indiens.)

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