Die Gewissensbildung und ihre Bedeutung für die menschliche Kultur der Zukunft

Heinz Grill wird von der katholischen KIrche als antichristlich beschimpft. Der folgende Artikel von Heinz Grill ist eine Antwort auf diese diskriminierende Äußerung.

Was ist das Gewissen?

Was oder welche Instanz beschreibt das menschliche Gewissen? Ist dieses Gewissen eine Instanz, die sich in der Seele heranbildet oder ist dieses ein geistiges Vermächtnis, eine Art Erbe, die der Mensch grundsätzlich in sich trägt? Mit der folgenden Betrachtung soll der Unterschied eines Seelenlebens und eines geistigen Daseins zur Erarbeitung gelangen und mit Hilfe dieser Unterscheidung lässt sich schließlich erst die Entwicklung des menschlichen Gewissens erfassen.

Gerade in Religionen und insbesondere in der christlich offiziellen Tradition besteht ein unfassbarer und dennoch gravierendster Irrtum in Bezug auf die menschliche Gewissensbildung. An die Stelle des Geistes tritt die Kirche mit ihrem klerikalen System und ihren Sakramenten und fördert deshalb in der menschlichen Seele einen tragischen und misslichen Umstand, der zu nichts anderem führen kann, als zu einer seelisch-geistigen Entwicklungsblockade.

Ein Vergleich von verschiedensten Aussagen über Religion, klerikale Texte, christliche mystische Erfahrungen, Positionen und Gegenpositionen in Bezug auf Kirche und schließlich buddhistische Texte von Dalai Lama wie auch Lehrinhalte aus dem Yoga können eine Andeutung über die Stellung, die der Geist erhält und über die Charakterisierung, die die menschliche Seele erhält, aufzeigen. Wo und in welcher Interpretation befindet sich das menschliche Ich? Aus den religiösen Überlieferungen und geistigen Studieninhalten, die der Einzelne empfängt, entwickelt sich maßgeblich diejenige geheimnisvolle Instanz, die man als das menschliche Gewissen bezeichnet.

Erich Fromm unterscheidet in seiner Philosophie des Haben und Seins ein sogenanntes autoritatives Gewissen von einem wirklich durch Urteilsfähigkeit erworbenen humanistischen Gewissen. Was oder welche Taten erlebt der Einzelne sogenannterweise als „böse“ und welche Taten im Gegensatz dazu als förderliche und „gute“? Es ist das Bewusstsein, das sich immerfort in der Evolution befindet und schließlich die Begriffe des Guten und des Bösen prägt. Das Gewissen jedenfalls ist niemals eine absolute Instanz, die für immer und in jeder Situation die Entscheidungen wie ein Gesetzgeber für das Leben geben könnte, sondern es enthält das Wort „Wissen“ und wird wohl im Laufe eines Lebens durch die verschiedensten Erziehungseinflüsse ausgeprägt und entwickelt. Je reichhaltiger und umfassender dieses Wissen, gefolgt von adäquaten Gefühlen, bei einem Menschen ausgeprägt ist, desto angemessener kann er seine Beziehungsverhältnisse zu seinen Mitmenschen und seine soziale Verantwortung errichten.

Autoritatives Gewissen

Cornelia Forech – Gehorsam

Studie zu Autorität und Gehorsam
von Cornelia Foerch

Die folgenden Texte zeigen sehr deutlich, wie der Erziehungseinfluss der Kirche ein eigentümlich anmutendes Zugehörigkeitsgefühl fördert und ein jegliches Wissen über die geistige Welt, über das nachtodliche Seelendasein und sogar über die Grundgesetze und Grundrechte vereitelt und deshalb eine autoritative Gewissensbildung erzeugt. Die conscientia moralis, die die Kirche benennt, erscheint in unabdingbaren Abhängigkeitsverhältnis zum Gottesbegriff der Kirche und der Ekklesiologie. Das Gewissen ist demnach von Gott gegeben und nicht eine Instanz, die sich der Mensch durch Erkenntnis und Bewusstsein erringt.

Der Katechismus der Katholischen Kirche sagt zur Bildung der „coscientia moralis“:

 Für uns Menschen, die schlechten Einflüssen unterworfen und stets versucht sind, dem eigenen Urteil den Vorzug zu geben und die Lehren der kirchlichen Autorität zurückzuweisen, ist die Gewissenserziehung unerläßlich. 1)Kath. Katechismus, Art. 1783

Bei der Gewissensbildung ist das Wort Gottes Licht auf unserem Weg. Wir müssen es uns im Glauben und Gebet zu eigen machen und in die Tat umsetzen. Auch sollen wir unser Gewissen im Blick auf das Kreuz des Herrn prüfen. Wir werden dabei durch die Gaben des Heiligen Geistes und das Zeugnis und die Ratschläge anderer unterstützt und durch die Lehre der kirchlichen Autorität geleitet.2)Kath. Katechismus, Art. 1785

Dr. Gerhard Lohfink, emeritierter Professor für Theologie an der Universiät Tübingen:

„Außerhalb der Kirche kein Heil“ heißt also vor allem: Auf einem langen Weg wurde mitten in der Welt in einem unglaublichen Experiment unter vielen Opfern die richtige Gesellschaft gefunden, die dem Willen Gottes entspricht. Diese Gesellschaft zu leben und auszubreiten, wäre das Glück für die Völker. Die Erfahrung des Glaubens sagt: Es ist der einzige Weg!

Rundschreiben Papst Pius XII., 1947:

An folgendes aber glauben wir erinnern zu sollen: Der Priester handelt nur deshalb an Stelle des Volkes, weil er die Person unseres Herrn Jesus Christus vertritt, insofern dieser das Haupt aller Glieder ist und sich selbst für sie opfert; er tritt folglich an den Altar als Diener Christi, niedriger als Christus stehend, aber höher als das Volk. Das Volk aber, das unter keiner Rücksicht die Person des göttlichen Erlösers darstellt noch Mittler ist zwischen sich selbst und Gott, kann in keiner Weise priesterliche Rechte genießen.

Papst Paul VI, Credo des Gottesvolkes:

Wir glauben, dass die Kirche heilsnotwendig ist; denn Christus, der alleinige Mittler und Weg zum Heil, ist für uns gegenwärtig in Seinem Leib, der die Kirche ist.

Dr. Konstantin Gutberlet (1837 – 1928), Spezialist der scholastischen Philosophie im Philosophisches Jahrbuch, 1895:

Da aber die Kirche die Menschen kennt und weiß, dass noch nicht alle so weit in der Sittlichkeit fortgeschritten sind wie die Monisten, schärft sie auch die Pflicht ein, stellt ihren Kindern Belohnungen und Strafen in Aussicht, wendet sogar äußere Massregeln an, um die Ihrigen wirksamer von der Sünde fern- und zum Guten anzuhalten.

Konzil von Trient, 1563:

[Der Priester] handelt unter den Gläubigen an Stelle Gottes, weil Christus das Haupt jenes Leibes ist, dessen Glieder die Christen bilden. Die ihm verliehene Macht kann darum mit keiner menschlichen Einrichtung verglichen werden. Sie ist vollkommen übernatürlich. Sie stammt von Gott…Daß dieses Priestertum von unserem Herrn und Heiland eingesetzt wurde, daß den Aposteln und ihren Nachfolgern im Priestertum die Gewalt übertragen wurde, seinen Leib und sein Blut zu verwandeln, darzubringen und auszuteilen sowie Sünden zu vergeben und zu behalten, das zeigt die Heilige Schrift und das hat die Überlieferung der katholischen Kirche immer gelehrt… Wer sagt, durch die heilige Weihehandlung werde nicht der Heilige Geist mitgeteilt, und es sei daher sinnlos, wenn der Bischof sage: `Empfange den Heiligen Geist‘, oder es werde durch sie nicht ein Merkmal eingeprägt, oder, wer einmal Priester war, könne wieder Laie werden, der sei ausgeschlossen.

Konzil zu Florenz (1438-1445):

Niemand, der außerhalb der Katholischen Kirche lebt, (…) kann des ewigen Lebens teilhaftig werden.

Die Abschirmung des Seelenleibes

Die äußere Ermahnung, im Kirchenglauben zu bleiben, und die Heilsversprechungen, ohne für den sogenannten Gläubigen nur den geringsten Einblick in die wirkliche geistige Welt zu eröffnen, führt zu einer Abschirmung im sogenannten Seelen- oder Astralleib. Die Seele ist mit dem Bewusstsein, mit dem Denken, mit dem Fühlen und auch mit dem Wollen im Menschen verankert und es kann deshalb diese Seele wie ein eigener Leib eben als Seelenleib betrachtet werden. Gleichzeitig ist diese Seele mit den Planeten oder Himmelskräften in Verbindung und trägt die verschiedensten Anlagen, Fähigkeiten, Weisheitsformen und Möglichkeiten der Entwicklung in sich. Der sogenannte Seelenleib ist höher oder feiner zu werten als der physische Leib, aber er ist nicht Geistleib, er ist nicht absolut, noch nicht die vollkommene Transzendenz und er ist deshalb auch nicht mit dem Gottesbegriff gleichzusetzen.

Die irrationale Autorität von Sektenbeauftragten

Die irrationale Autorität der Sektenbeauftragten

Ein autoritatives Gewissen entwickelt sich ganz besonders durch all jene Erziehungseinflüsse, die ideologischen, oder anders ausgedrückt, irrtümlichen Inhalt besitzen. Die Worte, dass es kein Heil außerhalb der Kirche geben kann, besitzen einen hochgradig suggestiven Charakter und wirken unbewusst Angst erzeugend auf das werdende Seelenleben eines jeden Menschen. Des weiteren offenbart die Stellung des Priesters als Stellvertreter Gottes eine unmögliche, unbegreifbare und unheimliche Dimension eines geistigen Bildes, die jedes menschliche Selbst, das heißt den menschlichen Geist paradoxerweise ausschließt. Der Priester ist in seinem Selbst ein Nichts und gleichzeitig Amtswürdenträger für Christus und es kann nicht verwunderlich erscheinen, wenn heute wie auch in vergangenen Zeiten die Sünde des Priesters und alle Unkenntnis über die geistige Welt am meisten entschuldigt werden. Eine reife Gewissensbildung kann im Menschen tatsächlich niemals stattfinden, wenn er sein eigenes Selbst innerhalb einer Institution oder einer religiösen Auffassung aufzugeben hat:

Ein katholischer Priester, der die Sakramente spendet, handelt nicht aus eigener Kraft oder aus moralischer Vollkommenheit heraus (die er oft leider nicht hat), sondern „in persona Christi“. Durch die Weihe wächst ihm die verwandelnde, heilende, rettende Kraft Christi zu. Weil ein Priester nichts aus sich hat, ist er vor allem Diener. 3)siehe www.pfarre-baumgarten.at

Nicht Autorität sondern eigene Erkenntnisbildung formen das Geiwssen

Vergleicht man diese Texte aus dem Katechismus mit denen von Dalai Lama und von Sebastian Franck, einem christlichen Priester, der infolge seiner Aussagen ausgeschlossen wurde und flüchten musste, wird man sehr leicht die Art der Gewissensbildung, wie sie autoritativ geschieht, erleben. Wenn Dalai Lama in seinem Appell an die Welt von einer Ethik spricht, die wichtiger als die Religion ist, bewirkt er keinesfalls eine autoritäre Gewissensbildung mit passivem Glauben, sondern fordert den individuellen Menschen zur Auseinandersetzung im Sinne einer Erkenntnisbildung auf.

Dalai Lama – Ethik ist wichtiger als Religion

Dalai Lama –
Ethik ist wichtiger als Religion

Dalai Lama

Ich denke an manchen Tagen, dass es besser wäre, wenn wir keine Religionen mehr hätten. Alle Religionen und alle Heiligen Schriften bergen ein Gewaltpotenzial in sich. Deshalb brauchen wir eine säkulare Ethik jenseits aller Religionen.

Die indische Gesellschaft ist insgesamt friedlich und harmonisch. Hindutempel, muslimische Minarette, christliche Kirchen und buddhistische Heiligtümer finden Sie nebeneinander. Alle Glaubensrichtungen pflegen das alte indische Prinzip der Gewaltfreiheit, ahimsa, mit dem Gandhi auch politisch so erfolgreich war. Es war die Grundlage der friedlichen Koexistenz. Das ist praktizierte säkulare Ethik jenseits aller Religionen. Daran sollte sich die heutige Welt ein Vorbild nehmen!

Ich sehe immer deutlicher, dass unser spirituelles Wohl nicht von der Religion abhängig ist, sondern der uns angeborenen menschlichen Natur, unserer natürlichen Veranlagung zu Güte, Mitgefühl und Fürsorge für andere entspringt. Unabhängig davon, ob wir einer Religion angehören oder nicht, haben wir alle eine elementare und menschliche ethische Urquelle in uns. Dieses gemeinsame ethische Fundament müssen wir hegen und pflegen. Ethik, nicht Religion ist in der menschlichen Natur verankert.4)Dalai Lama, Ethik ist wichtiger als Religion, Benevento Publishing 2015

Sebastian Franck

Zur unsichtbaren Gemeinschaft der wahren Christen gehören für Franck auch viele „Türken und Heiden“, die „Christi Namen nie gehört haben“, aber „seine Kraft durch das innerliche Wort in sich vernommen und dasselbe fruchtbar gemacht“ haben und von Gott „belehrt und inwendig gezogen“ werden. Der Schöpfer sei unparteiisch, er sei auch der „Gott der Heiden“ und wende sich allen zu, die ihm „in der Stille zuhören“. Aus dem unbedingten Vorrang des „inneren Wortes“ gegenüber der gesamten Außenwelt ergibt sich für Franck die Forderung nach uneingeschränkter Gewissensfreiheit. Daraus zieht er eine für seine Zeit außergewöhnliche Konsequenz: Im Gegensatz zu anderen radikalreformatorischen Denkern, die für eine tolerante Kirche eintreten, verwirft er das Kirchenwesen als solches. Aus dem bisherigen Geschichtsverlauf folgert er, dass konfessionelle Institutionen generell die Gewissensfreiheit verneinen. Mit ihrem Anspruch auf ein Wahrheitsmonopol säen sie Zwietracht, mit ihren Gehorsamsforderungen unterdrücken sie die Gläubigen.5)Quelle:Wikipedia

Außerhalb der Kirche kein Heil?

Origenes und vor allem sein Zeitgenosse Cyprian von Karthago sprach die heute so missverständlich aufgefassten Worte „Extra ecclesiam nulla salus“ – kein Heil außerhalb der Kirche. Nun muss man jedoch zu dieser Aussage unbedingt wissen, dass diese damals großen Kirchenlehrer einen realen Einblick in die geistige Welt besaßen und sowohl Engel in unterschiedlichen Hierarchien als auch die Verhältnisse im nachtodlichen Dasein, das heißt der Seelenleiber nach dem Verlassen des physischen Inkarniertseins, sehen konnten. Die Kirche war für diese damaligen Personen nicht eine Institution, wie es sie heute für die Pseudosicherheit des Glaubens gibt, sondern es war eine Art Hauch, eine himmlische Wissens- und Gemeinschaftsform, die nur dem zuteil werden konnte, der sogenannterweise auch eingeweiht war. Durch die griechischen Schulen, wie Ephesus und Athen erlangten diese ersten Lehrer einen hohen Grad der Einweihung und somit ein Wissen über diese nachtodliche Welt. Real erlebten sie den sogenannten ätherischen Christus, den nicht im Physischen weilenden Christus, sondern das Kraftpotential, das mit dem Erscheinen und schließlich mit dem Tod auf Golgatha freigesetzt wurde. Dogmen brauchte es damals nicht und sie wären in dieser Zeit wie eine teuflische Macht sofort identifiziert worden. Die damaligen Christen, die eingeweiht waren, erlebten eine wirkliche und auch wirkende geistige Dimension und deshalb konnten sie von einer Kirche im Sinne eines Geistpotenziales sprechen. Mit der Institutionierung der Kirche durch Kaiser Konstantin verblassten zunehmend die Ahnungen dieser wirkenden ätherischen Dimension und schon bald begannen die großen häretischen Konflikte. In zunehmendem Maße verfolgte die Institution Kirche, entledigt des geistigen Wissens, jene, die sich außerhalb der durch Konzile erstellten Dogmen bewegten.

Wie entsteht Gewissensbildung?

Das menschliche Gewissen entwickelt sich durch vorgelebte Ideale und im weiteren Verlauf durch die Bemühung, bestmögliche und wahre geistige Inhalte im Leben zu verwirklichen. Der erste Schritt dieser Entwicklung entsteht durch die sogenannte Betrachtung und Anschauungsbildung. Fehlt diese erste Anschauungsbildung, beispielsweise zu dem Gegenstand der religiösen Auseinandersetzung, zu dem Begriff Gott oder zur geistigen Welt, können sich sehr schnell Dogmen mit irrationalem Charakter entwickeln und diese sich internalisiert im Menschen als innere und determinierende Autorität aufrichten.6)Thomas von Aquin hat im Vergleich zur späteren Entwicklung der Kirche noch eine sehr konkrete Vorstellung des Begriffs „conscientia“:
„Ich antworte, conscientia ist im eigentlichen Sinn keine Potenz, sondern ein Akt. Das geht aus dem hervor, was man conscientia zuschreibt: Von ihr heiß es, sie bezeuge, binde, treibe an, klage aber auch an, beiße und schelte. Das alles ergibt sich aus der Anwendung von irgendeiner Erkenntnis oder einem Wissen auf das, was wir tun. Diese Anwendung kann auf drei Arten erfolgen: Erstens gemäß dem, dass wir erkennen, etwas getan oder nicht getan zu haben […], und in diesem Sinne heißt es, conscientia bezeuge; zweitens gemäß dem, dass wir durch unsere conscientia darüber urteilen, ob man etwas tun oder nicht tun soll, und in diesem Sinne heißt es, sie binde und treibe an; drittens gemäß dem, dass wir durch conscientia darüber urteilen, ob etwas, das wir getan haben, gut oder schlecht war, und in diesem Sinne heißt es, conscientia entschuldige uns oder klage uns an und beiße. Es ist klar, dass sich aus all diesen Dingen eine Anwendung von Wissen auf das, was wir tun, ergibt. Daher bezeichnet conscientia im eigentlichen Sinne einen Akt.“ (Summa Theologica I q.79 a.13 co.
) Die Tatsache, dass es eine Inquisition gegeben hat und dass sogar das Volk dabei teilgenommen hat und die Erscheinung der heutigen Zeit mit den diskriminierenden Beschimpfungen der Kirche, andere seien Sekte und jene Personen seien besonders gefährlich, die sich eigenständig und unabhängig von offiziellen Dogmen mit den christlichen Begriffen auseinandersetzen, zeigen tragischerweise auf, wie fremde Autoritäten den Menschen im Gewissen besetzen.7)Weder eine Kirche noch ein Staat können die letzten Fragen beispielsweise der Euthanasie regeln, wenn sie einmal eine äußerste Konsequenz aufweisen, und sie können nicht die Gewissensentscheidung des einzelnen ersetzen.

Auch mit Kriegsdiensten und dem sogenannten gerechtfertigten Krieg kann sich nur das einzelne Individuum gewissentlich auseinandersetzen. Die letzte Entscheidungsinstanz bildet deshalb der Mensch.

Kriege und Inquisitionen zeigen, dass die Gewissensbildung des Menschen individuell noch nicht ausreichend entwickelt war.

Wahrheiten können nicht übernommen sondern müssen errungen werden

Die Erscheinung des Absolutismus und der totalitären Wahrheitsansprüche existieren leider auch im Islam und sogar in manchen Kreisen des Buddhismus und des Yoga. Der Einzelne verwechselt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder zu einer Glaubensgemeinschaft mit der wirklichen individuell zu erringenden Ethik. Der sogenannte Guru oder Meister kann ebenfalls zu einer großen Verführung werden, wenn dieser in ähnlicher Funktion wie der Priester als Stellvertreter für die höchste Wahrheit von seinen Anhängern angesehen wird.8)Im Sanskrit gibt es für das Gewissen den Begriff manassakshin, der sich zusammensetzt aus manas, dem Geist im relativen Sinn, bzw. der Psyche, und sakshin, der Zeuge oder unbeteiligte Beobachter. Nach Martin Mittwede ist sakshin der selbst sich nicht wandelnde Sehende oder Zeuge, das wirkliche Selbst (atman) des Menschen. (Martin Mittwede, Spirituelles Wörterbuch Sanskrit-Deutsch, Heidelberg 1999)

Eine Wahrheit kann nur soweit Kraft und Überzeugung darlegen, als sie von dem einzelnen Menschen in aller Tiefe und Umfasstheit weisheitsvoll errungen wurde. Die Weihe, die den Priester in das Amt Gottes rückt, steht im deutlichsten Widerspruch zur ethischen Selbstwerdung und einer geistigen Schulung des Menschen. Denn es wird bei jenen, die tatsächlich in die Profondität einer Ethik oder Weisheitslehre vorgedrungen sind, die inhaltliche Darlegung überwiegen und die persönliche Selbstdarstellung zurückweichen. Rituelle Weihesakramente, Mantreneinweihungen des Yoga und allgemein zeremonielle religiöse Gebräuche werden sekundär.

Autoritatives und frei entwickeltes Gewissen aus geistiger Sicht

Es ist das Gewissen eine Wirklichkeit, die sich im Seelenleib durch die geeigneten gedachten und verwirklichten Ideale heranbildet. Wenn man dieses Gewissen nach jenen metaphysischen Kriterien betrachtet, die einer Hellsichtigkeit möglich sind, so wird man eine erstaunliche Feststellung tätigen: Das autoritative Gewissen erscheint wie eine einschnürende, die Anschauung verhindernde, seelische Abschirmung, sie ist wie ein unruhiges Zerrgebilde und wenn man es auf diese Weise ausdrückt, ist dieses Gewissen aus Angst gewoben. Der Einzelne, der im autoritativen Gewissen determiniert ist, kann sich keinen objektiven Auseinandersetzungen widmen und folgt unweigerliche jenen Determinationen, die ihm diese unbewussten Angststimmen einflüstern. Es ist das autoritative Gewissen wie eine regelrechte Besetzung, die sich über das Haupt und sogar über den ganzen Körper spannt. Sie gewährt jedoch Sicherheit und scheinbar das so irreale und doch subjektiv überzeugende Bewusstsein, man stehe grundsätzlich auf der richtigen religiösen und politischen Seite und lebe nur für das Gute.

Das freie entwickelte Gewissen zeigt sich im Gegensatz zum autoritativen in einer außerordentlich lichten Bewegung, es ist wie ein Auge, das den Menschen begleitet. Es sieht, nimmt wahr, beurteilt, bleibt durchlässig, es ist schön und zugleich mutig. Dieses Auge kann den Irrtum betrachten und vermag den anderen wie auch sich selbst zu reflektieren. Eine Verbindung zu den Mitmenschen entsteht auf der Grundlage des wirklich erworbenen Gewissens, denn es fördert die sozialen Leistungen und die Auseinandersetzungen mit dem Wahren vom Irrtum.

Die Kirche ist anders als sie erscheint

Ähnlich wie der viel beschmutzte Begriff „Demokratie“ wirkt heute der Begriff „Kirche“ scheinbar wie das sogenannte Gute und besetzt sogleich den Menschen auf suggestive Weise. Es scheint sich mit dem Wort Kirche gleichzeitig immer um die Evangelien und um die ursprüngliche christliche Botschaft zu handeln. In der ehemaligen DDR, der sogenannten deutschen demokratischen Republik, war die „sozialistische Sensibilität“ ein moralisch geprägter Begriff, der das Gute erhält und gegen das Böse vorgeht. Kirche ist heute nicht mehr die geistige Wirklichkeit, das Sehen, die Wahrnehmung zu den christlich-geistigen Kräften im Äther, es ist nicht mehr das wirkliche sehende wissende Teilhaben an einem Mysterium, sondern es ist eine physische Einrichtung mit Dogmen, Regeln, ekklesiologischen Leitsätzenund festgelegten Bekenntnissen, die einen Glaubensbegriff des Gehorsams beinhalten. Sie ist eine Einrichtung, die sich durch ihre eigenen Konzile zum politisch wirkenden Machtapparat gekrönt hat, und diese lediglich materielle irdische Einrichtung versteht es, den Menschen in der Unmündigkeit des sogenannten Glaubens festzuhalten und gegen jegliches Wissen, das in die geistigen Welten vordringt, vorzugehen. Auf diese Unmündigkeit des Glaubens folgt der Staat mit weiteren scheinbaren Sicherheitssystemen durch seine überwuchernden und den Bürger entmündigenden Kontrollsysteme.

Die verborgene Gewissensempfindung zur heutigen Institution Kirche

Horcht der moderne Bürger aufmerksam in seine inneren Gefühle, vergleicht er Evangelientexte mit dem Katechismus, erlebt er ein Gefühl eines unmerklichen und doch tief klingenden Entsetzens. Er erschrickt in seinem tieferen Bewusstsein, fühlt sich für Momente wie betrogen, ausgeliefert, und so als würde er selbst mit seiner Seele durch diese Diskrepanz zwischen dem Urtext des Evangeliums und dem Katechismus verkauft werden. Die Reaktion bleibt in den meisten Fällen unbewusst und in der Regel übernimmt der moderne und aufgeklärte Verstand eine sofortige kompensatorische Erklärung in sich auf, die ihm vielleicht so vie besagt, wie dass eben von einer Kirche keine Perfektion zu erwarten sei und es sich doch in jedem Fall um eine religiös gute Bemühung handle. Das Gewissen jedoch, das in jedem Menschen zumindestens latent vorhanden ist und ihm eine Ahnung leise in das Bewusstsein spiegelt, es werde einmal ein nachtodliches Dasein geben, regt sich etwa mit der folgenden leisen Eingebung: Ich bin vor der geistigen Welt ein feiger Mensch, da ich mich aus Bequemlichkeit und aus Angst, um nicht verfolgt, ausgegrenzt oder herabgemindert zu werden, einer Unwahrheit folge und diese durch meine passive Zustimmung unterstütze.

Es wird der Mensch, der heute der Kirche zustimmt, in der geistigen Welt die Erfahrung seiner eigenen Feigheit erleben.

Des weiteren wäre es einmal günstig, wenn eine theologische und sachliche Auseinandersetzung mit dem Begriff Kirche begonnen werden würde und alle persönlichen Polemiken, abwertende Urteile und Sektenhetzereien keinen Raum bekommen würden. Die Kritik, die hier gegenüber der Institution Kirche erfolgt, ist sachlicher Art und lässt sich bis in alle Einzelheiten begründen. Sie will nicht über den einzelnen Bischof, Priester oder Gläubigen richten. Sie zeigt jedoch den tiefen Gewissenskonflikt auf, der durch die Ekklesiologie selbst entstanden ist und sowohl dem Angehörigen der Kirche als auch den Häretikern seit Hunderten von Jahren bekannt ist.

Notwendigkeit der freien Gewissensbildung

Für ein konfliktfreieres und friedvolleres Dasein in der gesamten Welt braucht der Mensch heute Ethik, ein freies Ich, und er muss in seinem Seelenleib sein Gewissen heranbilden können. Es ist höchste Pflicht für den Menschen der modernen Zeit, sich von inneren und äußeren Abhängigkeiten, die die Religionen geschaffen haben, freizumachen. Er bräuchte die Religion nicht zu verwerfen und zum Atheismus konvertieren, sondern der Einzelne selbst müsste sich sein Gewissen durch reichliche Erfahrung und Auseinandersetzung erbauen und verantwortungsvoll gegenüber seinen Mitmenschen dieses erproben.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Kath. Katechismus, Art. 1783
2 Kath. Katechismus, Art. 1785
3 siehe www.pfarre-baumgarten.at
4 Dalai Lama, Ethik ist wichtiger als Religion, Benevento Publishing 2015
5 Quelle:Wikipedia
6 Thomas von Aquin hat im Vergleich zur späteren Entwicklung der Kirche noch eine sehr konkrete Vorstellung des Begriffs „conscientia“:
„Ich antworte, conscientia ist im eigentlichen Sinn keine Potenz, sondern ein Akt. Das geht aus dem hervor, was man conscientia zuschreibt: Von ihr heiß es, sie bezeuge, binde, treibe an, klage aber auch an, beiße und schelte. Das alles ergibt sich aus der Anwendung von irgendeiner Erkenntnis oder einem Wissen auf das, was wir tun. Diese Anwendung kann auf drei Arten erfolgen: Erstens gemäß dem, dass wir erkennen, etwas getan oder nicht getan zu haben […], und in diesem Sinne heißt es, conscientia bezeuge; zweitens gemäß dem, dass wir durch unsere conscientia darüber urteilen, ob man etwas tun oder nicht tun soll, und in diesem Sinne heißt es, sie binde und treibe an; drittens gemäß dem, dass wir durch conscientia darüber urteilen, ob etwas, das wir getan haben, gut oder schlecht war, und in diesem Sinne heißt es, conscientia entschuldige uns oder klage uns an und beiße. Es ist klar, dass sich aus all diesen Dingen eine Anwendung von Wissen auf das, was wir tun, ergibt. Daher bezeichnet conscientia im eigentlichen Sinne einen Akt.“ (Summa Theologica I q.79 a.13 co.
7 Weder eine Kirche noch ein Staat können die letzten Fragen beispielsweise der Euthanasie regeln, wenn sie einmal eine äußerste Konsequenz aufweisen, und sie können nicht die Gewissensentscheidung des einzelnen ersetzen.

Auch mit Kriegsdiensten und dem sogenannten gerechtfertigten Krieg kann sich nur das einzelne Individuum gewissentlich auseinandersetzen. Die letzte Entscheidungsinstanz bildet deshalb der Mensch.

Kriege und Inquisitionen zeigen, dass die Gewissensbildung des Menschen individuell noch nicht ausreichend entwickelt war.

8 Im Sanskrit gibt es für das Gewissen den Begriff manassakshin, der sich zusammensetzt aus manas, dem Geist im relativen Sinn, bzw. der Psyche, und sakshin, der Zeuge oder unbeteiligte Beobachter. Nach Martin Mittwede ist sakshin der selbst sich nicht wandelnde Sehende oder Zeuge, das wirkliche Selbst (atman) des Menschen. (Martin Mittwede, Spirituelles Wörterbuch Sanskrit-Deutsch, Heidelberg 1999)

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