Die Orientierung und Zielsetzung

des ”Yoga aus der Reinheit der Seele“

Esoterik – Exoterik

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Dieses Kapitel ist aus der Broschüre „Orientierung und Zielesetzung“ entnommen

„Der Yoga ist nicht auf eine Gruppe von Menschen, die einen hohen Anspruch bewältigen wollen, ausgerichtet, sondern kann für alle Zielgruppen, Wege, Berufe und Entwicklungsdisziplinen angewendet werden. Die Disziplin ist nur ungeeignet für jene, die eine Selbstvervollkommnung als Entwicklungsnotwendigkeit leugnen und die eigene Ich-Identität nie in Frage stellen.“

Aus »Orientierung und Zielsetzung des Yoga aus der Reinheit der Seele«

Der Begriff »exoterisch« beschreibt nach der üblichen Definition eine religiöse Grundlage, die für alle Menschen und allgemein für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Es ist der Begriff, der eine natürliche Weite beschreibt. In einem gewissen Gegensatz liegt hier der Begriff »esoterisch«, der für eine religiöse Disziplin gebraucht wird, die nur für bestimmte vorbereitete Menschen gültig ist. Es ist der Weg der Einweihung in eine ganz andersartige Wirklichkeitsform.

Der Begriff »esoterisch« hat in den letzten Jahrzehnten eine sehr vielseitige profane Bedeutung erhalten und wurde mit einer breiten Schicht von Methoden, Übungen, Bewegungen, Ritualen, Gebräuchen und Techniken so in das herkömmliche Leben der Allgemeinheit hineingeführt, wie es dem Wesen des initiatorischen Lebens widerspricht. Mit dem Begriff »esoterisch« ist in der folgenden Darstellung nicht die profane Bedeutung gemeint, sondern tatsächlich die klassische Form von Einweihung in die Erfahrungen und Gedanken der geistigen Welten. In der Disziplin des Yoga wird aber eine sehr deutliche Trennung zwischen den Anteilen vorgenommen, die exoterisch sind, zu jenen, die esoterischen Charakter besitzen.

Ganz allgemein und um der Einfachheit willen kann am Anfang gesagt werden, dass jene originalen Schriften, die der »Yoga aus der Reinheit der Seele« besitzt, esoterischen und damit initiatorischen Charakter haben, während jedoch alle daraus gebildeten Unterrichtsformen und die Wege der Annäherung und Auseinandersetzung eine typisch exoterische Grundlage in ihrer Gestaltung besitzen. Ein Unterricht in diesem Yoga beinhaltet deshalb keine besonderen geheimnisvollen und mystischen Elemente, sondern einen natürlichen pädagogischen und wissenschaftlichen Grundton.

Die originalen Schriften und Inhalte, die zu dem Yoga niedergelegt sind, sind Meditationsschriften und können von der gegenwärtigen Wissenschaftsanalyse nicht erfasst werden, denn sie sind größtenteils Beschreibungen einer anderen und höheren Wirklichkeit. Diese höhere Wirklichkeit ist nur durch eine sehr langsame Annäherung mit der Entwicklung einer ganzheitlichen und geisterfüllten Logik verständlich. Der ganz andere Anspruch der Inhalte, die in sich eine geschlossene Gedankenführung bilden, bedeutet jedoch nicht, dass sie deshalb falsch oder gar irrational wären, sie sind nur innerhalb der derzeitigen wissenschaftlichen Wege mit der intellektuell-analytischen Methode noch nicht nachvollziehbar.

Der Leser muss sich wohl gerade deshalb die Frage stellen, welchen Sinn dann die Schriften mit diesem nichtwissenschaftlichen und nichtanalytischen Charakter erfüllen. An einem kleinen Beispiel kann diese Bedeutung eine Erklärung erhalten. In den Ausführungen werden Seelenerlebnisse und verschiedene Hinweise auf die Existenz eines Seelenmysteriums gegeben. Der ganz andere Sinn der Angaben liegt in der Art und Weise, wie sie geschildert werden. In der Regel ist das konventionelle Wahrnehmen ganz an die Sinne und ihre Ausströmungen vom Leibe nach außen zu den verschiedenen Objekten gebunden. Diese Bewegungsrichtung der Sinne ermöglicht die bekannte wissenschaftliche Methode, die eine Beurteilungsfähigkeit im entsprechenden Maße nach der Fähigkeit der Analyse und der nachfolgend angestellten Schlussfolgerungen bringt. In den Schriften des »Yoga aus der Reinheit der Seele« kehrt sich aber die Zielrichtung des Denkens um und richtet sich etwa wie von einem Äußeren zu einem Inneren, von einem Objekt ausgehend zu dem persönlichen Bewusstsein. Es befindet sich in den Darstellungen die Atmosphäre einer geistigen Schau, die der leibfreien Seele entspricht. Das ist eine andere Realität, die den Stufen der Reinheit in den Himmelsregionen nahekommt und somit mit jener Logik auf das irdische Geschehen blickt, die gewöhnlich erst nach dem Tode frei wird. Wer die Schriften des Yoga studiert, übt sich in die jenseitigen ewigen Gesetze des Lebens ein. Die wissenschaftliche Sicht unserer modernen Kultur geht von der Sinneswahrnehmung und von der erforschbaren Wirklichkeit aus. Die geistige Sichtweise jedoch geht von der Wirklichkeit eines kosmischen und ewigen Bewusstseins aus, in die sich die Seele erst nach dem Tode ganz hineingliedert. Dieses Reich nach dem Tode unterliegt einem anderen Wirklichkeitssinn und einer anderen Bewegungsrichtung des Denkens als es das diesseitige konventionelle Auffassen und Wahrnehmen erlebt.

Die exoterische Lehrgrundlage trennt ganz gezielt die wissenschaftlichen Fundamente, die ganz den Gesetzen der Kultur der Zeit, der Pädagogik, der verständlichen Darstellung und anschaulichen Lehrübermittelung entsprechen, von den Schriften, Erkenntnissen und Lehren, die aus der anderen Wirklichkeit hervortreten und damit eine geheimnisvolle, initiatorische und ungreifbare Wirkungsenergie besitzen.

Die Entwicklung der Seelenkräfte des Denkens, Fühlens und Willens

Der übergeordnete Begriff »Yoga aus der Reinheit der Seele« verkündet aber nicht eine neue religiöse Bewegung, einen neuen Yoga mit alternativen Übungen und Maßstäben oder eine Glaubensgruppe, die sich auf ein Credo oder eine ideologisierte Welt der Zukunft ausrichtet, sondern die Bezeichnung will vielmehr jene innere Übungsdisziplin direkt im Worte beschreiben, die aus einem unterscheidenden Verständnis der verschiedenen Zusammenhänge von Leib und Seele entsteht. Aus dieser unterscheidenden Sichtweise ist nicht der physische Leib der primäre Ansatzpunkt, von dem ausgehend die Entwicklung in die höheren Erkenntnisse und Bewusstseinsebenen beginnt, es ist das Bewusstsein, das durch rechte Stimmungen, Gedanken und Übungsansätze zu einem höheren Niveau trainiert wird und das sich schließlich über den Körper, über die Sprache, die Gesten und Handlungen mit Weite, Schönheit oder Weisheit ausdrückt. Der Yoga betont die künstlerische und ästhetische Wesensseite und richtet sich mit all seinen verschiedenen Übungen mehr an die Entwicklung der sogenannten Seelenkräfte, namentlich an das Denken, Fühlen und an den Willen, die in ihrer Kapazität erweitert, verfeinert und von Geistigkeit durchlichtet werden sollen. Wenn die Seelenkräfte primär angesprochen werden und nicht der Leib das Transportmittel zur Vervollkommnung ist, so ist dies im Yoga eine unmittelbare Ausdrucksart der Entwicklung und des Lernens. Diese primäre Betonung des Seelischen, der Wahrung und Achtung gegenüber einer geistigen Wirklichkeit und der Entwicklung der Seelenkräfte ist bezeichnend für den »Yoga aus der Reinheit der Seele«.

Der Unterschied zu den bestehenden Yoga-Ausrichtungen

Dieser Übungsansatz unterscheidet sich sehr wesentlich von einem mystischen Weg und von jenen Yoga-Formen, die unter den meist etwas undeutlichen Begriffen »Hatha-Yoga« und »Kundalini-Yoga« zusammengefasst werden. Ganz einfach, ohne fachterminale Zuordnung gesprochen, will der »Yoga aus der Reinheit der Seele« mehr die geistigen Anteile in der globalen Wesensnatur des Menschen stärken. Die geistigen und damit auch die neu zu individualisierenden Anteile sollen sich auf dem Entfaltungsweg immer mehr zu einer reiferen, stabileren und gleichzeitig geeinten Persönlichkeit erheben, so dass der Körper in seiner Dominanz mit seinen Ängsten und Beschwernissen zurückweicht und ein Licht des Individualisierten und gleichzeitig Unendlichen die Führung übernimmt.

Die Voraussetzungen zu einem Yoga-Schulungsweg

Der Yoga ist nicht auf eine Gruppe von Menschen, die einen hohen Anspruch bewältigen wollen, ausgerichtet, sondern kann für alle Zielgruppen, Wege, Berufe und Entwicklungsdisziplinen angewendet werden. Die Disziplin ist nur ungeeignet für jene, die eine Selbstvervollkommnung als Entwicklungsnotwendigkeit leugnen und die eigene Ich-Identität nie in Frage stellen. Durch den allgemeinen bewusstseinshygienischen Charakter ist er nicht eine neue religiöse Bewegung oder eine Sparte innerhalb des vielseitigen und breiten Angebots von Yoga-Übungsweisen. Es erscheint aber dennoch erwähnenswert, dass der Weg des direkten Trainings der Seelenkräfte für die gegenwärtige Kultur und für den religiösen Geist der Zeit eher fremd und daher unfassbar und schwierig erscheint. Aus diesem Grunde wird er, äußerlich gesehen, noch wenig ergriffen und in die Tat umgesetzt.

Für den Beginn einer Yoga-Aktivität – sei sie mehr einfacher Art wie dies in Volkshochschulkursen der Fall ist, oder sei sie mehr im Sinne einer fachlichen Schulung mit inspirativen Schriften, wie sie in Bad Häring stattfindet – ist der geebnete Boden möglichst reiner und seriöser Bedingungen.1)Die Idee zu einer Studienstätte, wie sie in den 90er Jahren in Bad Häring intendiert war und in dieser Broschüre dargestellt wird, wurde in der Vergangenheit nie wirklich aufgegriffen und umgesetzt. Heinz Grill hat sich deshalb bereits 1999 vollständig aus sämtlichen Projekten nach Italien zurückgezogen und ist seither nur noch unabhängig als Autor und Referent tätig. Die reinen Bedingungen erscheinen wie eine Straße ohne Furchen und Gräben. So wie sich ein Fahrzeug leichter auf einer geebneten Straße bewegen kann, so kann sich der individuelle Sucher mit seinen Wahrnehmungen und Gefühlen innerhalb reiner Grundbedingungen und Grundmotive leichter zurechtfinden. Das Maß eines freien und für die Entwicklung verfügbaren Willens, die individuelle Natur des Gemütes und die möglichst wache Verstandesgegenwart werden durch die umliegenden Verhältnisse des Unterrichtsfeldes gefördert. Der Yoga sieht in seinem Anliegen eine Zielsetzung in der Reinheit des Bewusstseins, dessen Entwicklung jedoch nicht zu Lasten der individuellen Freiheit gehen soll, sondern sich auf einer geisteswissenschaftlichen Ebene von rechten und weiten Sichtweisen entfaltet.

Das Ziel im Yoga

Das Ziel im Yoga ist ganz allgemein gesprochen eine vollkommene Freiheit. Diese Freiheit, von der die Rede ist, könnte jedoch sehr leicht missverständliche Formen annehmen und eine Art gefühlshafte Vitalität mit einem ekstatischen Lebensgefühl bedeuten, oder sie könnte eine heimliche Ich-Identität sein, die ausschließlich auf intellektuellen Wertmaßstäben und Wissensvergleichen beruht. Der Yoga sucht jedoch nicht diese äußeren Formen und Gefühle des sich Freifühlens, sondern eine Freiheit in dem sogenannten Selbst, im Yoga bezeichnet als der höchste purusha, in manas, dem Denken, in buddhi, dem Fühlen, in atman, dem Willen. Jene Freiheit, die auf dem Wege entsteht und am Ende dominieren soll, ist von einer ganz anderen Leuchtkraft als jene, die am Anfang besteht. Der Übende bleibt in seinen Lebensverrichtungen, Arbeiten und Pflichten der gleiche, er bleibt unter Umständen in seinen Gewohnheiten zuhause und verändert sein Leben nicht nach alternativen Grundsätzen, die einen östlichen oder weltanschaulichen Akzent tragen. Er wird nur einmal stärker und stabiler in seinem Seelenleben, das ihm in der Begegnung nach außen größere Freiheiten gewährt. Der Übende wird auch sich selbst gegenüber freier und kann kleinliche Sorgen, Ängste und Abhängigkeiten mehr als relative Begebenheiten des Daseins erkennen. Die Freiheit, die auf dem Entwicklungspfad entsteht, ist deshalb nicht von einer äußeren Natur, sie beruht auf der Beweglichkeit und Dynamik des Denkens, Fühlens und des Willens, die zu objektiven Seeleninstrumenten werden und von einem lichthaften Geist durchdrungen und bereichert werden. Ein neues und größeres Bewusstsein kommt zu dem bisherigen hinzu. Die Seele weitet sich über die herkömmlichen genetischen Grenzen zu einem größeren Umfassungsvermögen. So steht am Anfang jener Mensch, der im karma oder im Fleisch geboren ist, und am Ende jener, der im Geist oder in purusha geboren ist. Der Weg muss aber um des Gelingens willen vom Anfang bis zum Ende von sehr reinen Bedingungen geebnet und mit freien Entscheidungen und Schritten begangen werden.

Da diese individuelle Freiheit für die Entfaltung der Seelenkräfte in manas, buddhi und atman von zentraler Bedeutung ist, wird sie in der personalen Begegnung mit einem Lehrer und in der gesamten Systematik eines Seminars, Lehrsystems oder einer Institution mit besonderer Sorgfalt berücksichtigt. Würden Bedrängnisse, Gruppenzwänge, psychologische Affektionen auf das Unterbewusste, moralisierende Mittel oder organisatorische Dominanzen bestehen, so würden sie in einer gewissen Weise die Freiheit der menschlichen Seele einschränken. So wie es ein Ziel im Yoga ist, dass der Mensch in seiner Verwirklichung nicht in der fleischlichen und äußeren Persönlichkeitsgröße strahlt, so wird auch der Organismus für spirituelle Seminare so gestaltet, dass dieser nicht vor einer geistigen Quelle mit einem mächtigen Körper stehen kann. Das Umfeld, das notwendigerweise um eine spirituelle Persönlichkeit, ihr Werk und ihre Ausstrahlung errichtet ist, gewährt in der exoterischen Grundhaltung eine lichten Transparenz und fördert die Freiheit und die Möglichkeiten der Bewusstseinsbildung des individuellen Suchers in vielerlei Hinsicht.

Wahrheitsansprüche schränken die Freiheit ein

Es dürfte in der von der Psychologie geprägten modernen Kultur eine bekannte Analogie sein, dass ein Lehrer seinen Interessenten und Schülern nur dasjenige Maß an individuellem Bewusstseinsraum und damit an individueller Freiheit gewähren kann, das er selbst bei sich errungen hat. Wo liegt die Berechtigung für das Lehren von der sogenannten Wahrheit? Ein Yoga-Lehrer kann nicht die Wahrheit, die allgemeinhin als die absolute Wirklichkeit, lehren, denn er würde doch nur einen Teilaspekt eines Ganzen, der sicherlich unter bestimmten Bedingungen seine Gültigkeit besitzt, aber unter anderen Voraussetzungen nicht zutreffen kann, sehr bestimmend unterrichten. Ein kleines Beispiel vermag die Situation eines freien und weiten Lehrens im Vergleich zu einem gebundenen und engen Umgang mit dem Begriff eines Lehrpunktes aufzeigen: Der Yoga vertritt in der Regel eine vegetarische Lebensweise als einen Beitrag zu der Verwirklichung eines Ideals, in dem sich die menschliche Natur einer gewaltlosen Einordnung der Schöpfung hingibt und das Töten von Tieren vermeidet. Die Schule könnte nun fälschlicherweise den Vegetarismus als zwingende Voraussetzung gleich einem Dogma lehren und diesen als eine selbständige Wahrheit verkünden. Diese Lehranweisung wäre aber nahezu eine zwingende, die wie eine Vorschrift klingt oder moralisierenden Charakter erhält und mehr das Bewusstsein gefangen nimmt. Aus diesem Grunde werden durch den Lehrer des Yoga keine Dogmen und zwingenden Vorstellungen gelehrt, sondern es wird vielmehr der Hintergrund in Zusammenhängen mit dem Menschsein und der menschlichen Entwicklung beleuchtet. Dem Interessenten bleibt nach dem Besuch einer Veranstaltung deshalb die freie Entscheidungswahl, ob er, im Beispiel bleibend, Vegetarier wird oder nicht, ganz selbständig überlassen. Indem der Zuhörer eine sehr weit gefasste Interpretation und eine im Kontext gehaltene Darstellung erhält, gewinnt er die Einsicht in viele Wahrheiten, die unter verschiedenen Voraussetzungen ihre angemessene Gültigkeit erhalten und doch innerhalb eines gesamten Beziehungsfeldes immer nur eine relative Gültigkeit aufweisen.

Spiritualität ist kein Baustein im Lehrsystem

Obwohl der »Yoga aus der Reinheit der Seele« keine feststehende Kirche, religiöse Institution, kein Orden und keine Art Dachverband ist, benötigt er zur Umsetzung seiner Ideen verschiedene Bildungsstätten. Diese Bildungsstätten sind jedoch sehr freie Einrichtungen, die, wofür die Stiftungsstätte in Bad Häring beispielshaft ist, vergleichbar einem Körper mit verschiedenen kleinen Einzelkörpern sind.2)Zu der Studienstätte in Bad Häring siehe die Anmerkung zu 1). Dieses hier vorgestellte Konzept einer exoterischen Studienstätte wurde bisher nicht in die Tat umgesetzt. Heinz Grill ist nicht, wie immer wieder vermutet wird, Teil einer Organisation oder Schulungsstätte, sondern er arbeitet unabhängig als Autor und Referent zum Yoga und seiner praktischen Ausgestaltung im Leben. Jeder Körper bildet für sich eine eigene Einheit mit eigener individueller Verantwortung, die sich aber im Gefüge des Hauses wieder zu einem Ganzen eingliedert. Zu einem spirituellen Seminar gehört beispielsweise der Körper einer Organisation, der über die notwendige administrative Gestaltung verfügt, berät und einlädt. Weiterhin benötigt das Seminar ein entsprechendes funktionstüchtiges Gebäude, das mit Unterkunft und Verpflegung den geeigneten und wünschenswerten Rahmen zum Unterricht bildet. Schließlich bildet die zentrale Tätigkeit des Seminars die direkte Lehrtätigkeit und Bildung, dies wieder als eigener Körper, der verschiedene Glieder besitzt, die in verschiedenen Formen wie beispielsweise in der Anleitung von Yoga-Übungen und Gesprächseinheiten bestehen. In der exoterischen Ausrichtung der verschiedenen Aufgabenfelder wird nun neben dieser Gliederung in einzelne Verantwortungsbereiche jene ganz gezielte große Trennung zwischen allen administrativen Bereichen, der Unterrichtstätigkeit und der Übungsweise zu der Quelle der Spiritualität vorgenommen. Diese Trennung ist wie ein klärender Organismus, der das Licht von der Festigkeit oder das Ungreifbare von allem Greifbaren scheidet. Die Spiritualität ist kein eigener Körper im Gebäude des Ganzen. Die angeleiteten Übungen für Konzentration oder für die ästhetische Gestaltung fallen unter die manifeste und greifbare Dimension und werden innerhalb des Organismus der Körper des Lehrgebäudes von der Spiritualität unterschieden.

Die Rolle der Spirituaität

Es stellt sich sodann noch einmal die essentielle Frage nach dem Wesen der Spiritualität, nach der Würde ihres geheimnisvollen Charakters, nach ihrem verborgenen Leben und ihrem lokalen Standort im System. Diese Frage stellt sich vor allem deshalb, da der Unterricht mit Übungen, Meditationen und Lehranweisungen nicht mehr das Prädikat »Spiritualität« erhält, sondern nur einer der Bausteine in einem Seminar ist. Wo befindet sich das Mysterium der Spiritualität?

Die Spiritualität ist im »Yoga aus der Reinheit der Seele« ganz von der Quelle des Begründers getragen. Sie ist personal. Sie ist nicht absolut auf eine Person und dies auch nicht auf die Physis der Person bezogen. Sie drückt sich beispielsweise durch den Geist der Schriften aus, die für sich, wie erwähnt, Meditationsschriften sind, die eine längere Betrachtung erfordern. Sie drückt sich weiterhin in den Bildern der asana aus, aber sie ist nicht die Perfektion der asana. Sie verströmt sich in die Herzen all jener, die in personaler Form auf die originalen Inhalte des Yoga zugehen und die personale Begegnung suchen. Aus diesen Gründen lebt sie auch teilweise in den Herzen derjenigen, die in einem Organisationsteam für die Gestaltung eines Seminars mitwirken und auf die Quelle zugehen. Dennoch ist aber die Arbeit auf den unterschiedlichen Feldern, ob mehr administrativer oder pädagogischer Art, von den inneren tiefen und ungreifbaren Regionen des personalen Seins unterschieden.

Das Licht scheint auf die verschiedenen Einzelkörper, aber die Einzelkörper, die eine praktische Bausteinfunktion erfüllen, sind doch von einer anderen Art und Festigkeit als das Licht. Das Licht scheint für alle und ist das Bleibende, während die Körper im Laufe der Entwicklung verschiedene Ausmaße annehmen. Das Licht aber ist auch die Freiheit, es ist unendlich und unmanifestiert und steht jedem gleichermaßen zur Verfügung. Wenn nun aber durch falsche Identifikation eine Verwechslung eintreten würde, die das Manifestierte sogleich zu einem Anspruch an ein Selbstbewusstsein werden ließe, so stört dieser Anspruch die natürliche Ordnung und nimmt die Freiheit des Individuums gefangen. Diese Ansprüche, die Wahrheitsansprüche darstellen, nehmen das Licht gefangen und bringen es in eine unglückliche Manifestation, die die geistige Freiheit raubt und zu einer Täuschung der Wahrnehmungen führt. So, im Vergleich gesehen, funktionieren die meisten religiösen Systeme, Yoga-Einrichtungen und spirituellen Stätten, in jener Verlagerung der freien Dimension des Lichtes, das sich ausdrückt in einem Denken der vollkommenen Bewusstheit der geistigen Gegenwart, das aber durch den Irrtum des institutionellen Ergreifens gefangen wird und in die Benützung der weltlichen Identifikationen stürzt. Diesen Irrtum sucht das exoterische Bausteinsystem mit sehr klar getrennten Einzelbereichen der Verantwortung zu vermeiden.

Die Rolle inspirativer Schriften

Für den »Yoga aus der Reinheit der Seele« dienen neben den Begründungspublikationen die Werke von Sri Aurobindo und Rudolf Steiner. Sie werden in ihrem Sinne als Quellenschriften oder als inspirative Literatur betrachtet. In den Worten drückt sich Seele und Geist aus, die mit ihrer Fülle oder ganz andersartigen Wirklichkeit das Wort aus der üblichen Intellektualität oder Emotionalität entheben und eine Empfindung oder bildhafte Vorstellung einer geistigen Wahrheit, die mit dem Fachbegriff »Imagination« genannt wird, naherücken. Es wäre tatsächlich eine falsche Schlussfolgerung oder Logik, wenn jemand sagen würde: »Ich bin anderer Meinung als Sri Aurobindo.« Er würde das konventionelle Denken mit einem spirituellen Denken verwechseln und einen Beurteilungsmaßstab ansetzen, der den inspirativen Schriften nicht entspricht. Richtig gesehen kann man die spirituellen Quellenschriften nur auf arbeitsreiche und konkrete Weise verstehen lernen, indem man sich dem Denken im Sinne des Autors annähert und die Hoheit des Gedankens ergründet. Der Weg des Studiums ist ein mühevoller, aktiver, der die Fähigkeit voraussetzt, den eigenen Standpunkt des Denkens zu verlassen und in höchster Konzentration in den Gedanken des Autors einzudringen. Die Lernschritte sind von einer objektiven Art.

Die Spiritualität beruht auf einem Denken, das einer körperfreien Dimension unterliegt und sich einem ganz anderen übersinnlichen Wahrnehmungsfeld eingliedert. Wenn diese Art des Denkens mit einem konventionellen und organgebundenen Denken verwoben wird, entsteht eine ungesehene Bindung, die sich in einer sich täuschenden Wahrnehmung gegenüber von Wirklichkeiten ausdrückt. Das Ergebnis dieser Täuschungen führt zu Imitationen dem Lehrer gegenüber, zu Hierarchiespielen im Glauben und Symbiosen mit der Heiligkeit, zu heimlichen Weltfluchten mit unkonkreten Wunschvorstellungen und falschen Frömmigkeitsanwandlungen mit einer meist mehr oder weniger deutlichen Selbstaufgabe. Der Schüler neigt im besonderen Maße entweder zu einem gefühlshaften Sich-Hineinleben in die Spiritualität oder zu einem intellektuellen Disputieren, das an die Stelle einer wirklichkeitsgemäßen, unterscheidenden Sicht der subtilen und doch großen Gegensätze eintritt.

Die Spiritualität mit ihren Gedanken und ausströmenden Empfindungen ist immer wie ein stilles Feuer, das in seiner Transzendenz nicht mit den brennenden Fackeln der eigenen Wünsche, Gefühle und Gedanken ergriffen werden kann. Sie ist eine Welt, die nicht von dieser Welt ist und doch mit den erfüllten Worten und Ausstrahlungen als ein Beispiel zur Verehrung und Anerkennung in dieser dienen kann.

Die Rolle des Unterrichts

Ein Yoga-Unterricht mit verschiedenen Körper-, Atem- und Seelenübungen bewegt sich auf natürliche Weise in seinen konkreten Informationen, Bildern und Anleitungen. Die Perfektion, die darin erzielt wird, unterliegt den jeweiligen Verhältnissen und dem Ehrgeiz des Lehrers. Allgemein wird von der Ausbildung im »Yoga aus der Reinheit der Seele« eine sehr hohe Qualität vorausgesetzt. Eine Interpretation einer Übung oder eine noch so genau erwogene Anleitung für eine Meditation ist aber noch nicht eine spirituelle Disziplin. Die Spiritualität eines Yoga-Unterrichtes darf deshalb nicht verwechselt werden mit Worten, treffsicheren Anleitungen, pädagogischem Fingerspitzengefühl oder energetisierenden Mantren, denn die Spiritualität würde sonst an Leistungen des äußeren Menschseins gebunden sein. Die Spiritualität ist das Ehrgefühl der inneren Reinheit und stillen Geistbeziehung. Die Perfektion in der Technik, Ausführung und Anleitung ist das Ehrgefühl der äußeren Haltung. Ein Yoga-Unterricht kann deshalb sehr spirituell werden, wenn der Lehrer, der unterrichtet, eine tiefe Beziehung, ein Wissen und eine Wahrnehmung zu den geistigen Quellen ausprägt. Die Spiritualität ist jedoch ein sehr stiller Beitrag, der mehr in der Seele des einzelnen lebt und der sich den Worten und Interpretationen weitgehendst entzieht.

Wie sieht ein Yoga-Unterricht im Sinne dieser sogenannten exoterischen Einordnung des Unterrichtens aus? Einer der ersten und wichtigen Grundsätze ist es, dass in einem allgemeinen Kurs dem Interessenten nicht ein geistiger Inhalt aufgedrängt wird, der nicht gewünscht wird. Die Mehrheit aller Yoga-Interessierten sucht mit ihrem Kursbesuch weniger einen spirituellen Inhalt als Ziel, sondern mehr ein einfaches Harmoniegefühl im Körper. Es erscheint heute ein Unterricht in den verschiedenen Bildungswerken deshalb problematisch, da er durch die Hinzunahme eines Arbeitsbuches eine sehr personenzentrierte Zugehörigkeit einnimmt. In öffentlichen Bildungsstätten kann deshalb diese Form des Yoga nur in ersten Schritten einer natürlichen Auseinandersetzung mit Körper-, Atem- und mentalen Übungen stattfinden. Die gesamte Unterrichtstätigkeit erfolgt jedoch nicht nach psychologischen Wertigkeiten und nach körperlichen Erfahrungen, sondern sucht eine lebendige Auseinandersetzung sowohl in abstrakter, begrifflicher Weise als auch in praktischer Wahrnehmung gegenüber den Übungen und den daraus resultierenden Ergebnissen. Im Hinblick auf die im Yoga so vielschichtig gelehrten Entspannungsmethoden sollte deshalb nicht nur die Methode zur Anwendung gelangen, sondern auch die Grundsätze eines entspannten Körpers und seine Gesetze sollten zum Inhalt werden. Dabei achtet der Lehrer auf die Entwicklung eines möglichst zusammenhängenden Denkens, das nicht sofort bei einer ersten Definition stehenbleibt, sondern verschiedene Komponenten berücksichtigt und die ganzheitliche Wesensnatur des Menschen zu erschauen sucht. Dieser Yoga-Unterricht meidet jedoch ein zu theoretisches Diskutieren und hält sich weiterhin vom gefühlsmäßigen und mystischen Erleben fern. Das Anliegen ist ein Training der Seelenkräfte, die in ihrem Zusammenspiel stärker werden sollen und dadurch mehr die Gesundheit wie auch die Bewusstseinsklarheit fördern. So ist der Unterricht nicht moralisierend, nicht personengebunden, frei von Konfessionen und dadurch auch für jeden geeignet. Bei Bildungseinrichtungen kann jedoch die Spiritualität als freiwilliges Angebot zur Verfügung gestellt werden, indem auf einen Buchtitel wie »Harmonie im Atmen« hingewiesen wird. Das Buch ist aber bei öffentlichen Einrichtungen keine zwingende Arbeitsgrundlage. Öffentliche Yoga-Kurse in Bildungseinrichtungen sind nicht personenzentriert.

Anders ist es bei den Seminaren, die in der unmittelbaren Gegenwart des spirituellen Lehrers und Begründers stattfinden. Die Voraussetzungen, Bedingungen und Ordnungsregeln nehmen zum Schutze des Arbeitsklimas mehr die Rolle der Vorbereitung auf das Seminar an. Gewisse Lehrbücher und der Besuch einer vorbereitenden Informationsveranstaltung ist eine Voraussetzung, damit das Arbeiten leichter begonnen werden kann. Die Organisation und die vorbereitende Information werden aber als ein ganz konkreter und praktischer Arbeitsbereich genommen, der selbst dann, wenn er in direkter Vermittelung zu dem spirituellen Lehrer fungiert, ein eigener und vorbereitender sozialer Betrieb ist. Würden heimliche Wahrheitsansprüche in eine administrative Seminararbeit hineingleiten, könnten sehr unangenehme Nebenerscheinungen für außenstehende Interessenten entstehen. Eine administrative Tätigkeit mit einem heimlichen Wahrheitsanspruch an die Spiritualität würde beispielsweise einen Anrufer, der sich nach einem Seminar erkundigen möchte, nicht frei gewähren lassen. Vielleicht würden aus naivem Sinne unsachliche Lobpreisungen am Telefon ausgesprochen werden. Es wäre aber störend und für den Ablauf eines Seminars hinderlich, wenn ein ergreifendes Wesen, das den Anrufer nicht in der Sache des Seminars informiert, sondern diesen für das Seminar und die darin gegenwärtige Spiritualität gewinnen möchte, am Telefon erscheint. Dieses Wesen in der Auskunft würde den Anrufer bereits unfrei machen. Der Anrufer würde keine angemessene Information erhalten und würde durch das inneliegende Wesen des Übergriffes in seiner Mentalität beeinflusst werden. Die Administration im Sinne des »Yoga aus der Reinheit der Seele« hat sich deshalb die Aufgabe gestellt, jene sachliche Qualität einer neutralen Information und beschreibenden Auskunft zu gewährleisten.

Ein exoterischer Unterricht hilft zur Ordnung

Der hohe Anspruch der Sachlichkeit, der klaren Vorstellung und nicht überzeugender, sondern beschreibender Information und Vermittlungstätigkeit hilft allen Anwesenden zu einer natürlichen Einordnung und zu einer guten Atmosphäre bei einer Veranstaltung. Der Organismus einer exoterischen Grundordnung trägt ein sehr konkretes und reines Motiv, das auf der einen Seite transparent für eine höhere Wirklichkeit und auf der anderen Seite vermittelnd und klärend wirkt. Die geistige Quelle ist im »Yoga aus der Reinheit der Seele« in gewisser Weise vollständig passiv. Sie belehrt nicht, sie moralisiert nicht, sie sucht nicht zu gewinnen, sondern zeigt auf, bietet sich an und lässt jeden so weit gewähren, wie er ihrer anderen Wirklichkeit entgegenkommen möchte. Die geistige Quelle ist aber kein Unternehmen, das selbst Veranstaltungen organisieren würde und Beschäftigte etwa wie verlängerte Arme nach außen senden würde. Wäre die Spiritualität das, so wäre sie ein eigenes weltliches Zentrum. Die exoterische Administration stellt vor, beschreibt, vermittelt und bildet somit eine natürliche Brücke von der geistigen Ebene zur Welt. Als Brücke ist sie somit für beide Richtungen nach oben und nach unten offen. Sie ist aber auch ein Unternehmen, das zur Verwaltung finanzielle Kosten veranschlagt und zum Schutze aller eine natürliche Hausordnung, auf die sie nicht verzichten kann, bewahrt. Die Administration im »Yoga aus der Reinheit der Seele« ist ein eigenes soziales Organ, das sich unabhängig von der Spiritualität selbständig verwaltet.

Die exoterische Grundordnung einer Lehrveranstaltung hält weitgehend jene Gefühle fern, die sich mit heimlichen Zugriffen der Seele bemächtigen wollen. Diese konkreten Verhältnisse sind sehr wichtig, denn mit den Yoga-Übungen suchen viele Personen ein besseres Gesundheitsgefühl oder ein stabileres Selbstwertgefühl oder ganz allgemein ein psychologisches Harmonieempfinden von Körper, Seele und Geist. Die Erlebnisse führen aber im Verlauf meist in sehr schwer identifizierbare gefühlsmäßige Energien, die das Bewusstsein in eine unerwünschte Richtung drängen können. Die wenigsten Menschen können heute ein organisch-psychologisches Gefühl von einer spirituellen Erfahrung unterscheiden. Harmoniebefinden im Körper und gesteigerte energetische Aufladung durch eine Übung oder Meditation werden heute fälschlicherweise als spirituelle Erfahrung und manchmal sogar als Gotterfahrung bewertet. Der »Yoga aus der Reinheit der Seele« wird mit diesen Erfahrungen, die auf spürbaren Affektionen beruhen, sehr vorsichtig umgehen und er wird sie aus dem Lehrgebäude eher fernhalten. Dies hat einen aus der Erfahrung geprägten Hintergrund: Wer eine Erfahrung durch Übungen oder entsprechende Meditation gewinnt, neigt gerne zu einer Identifikation mit der Erfahrung, er erhebt sein Selbstwertgefühl und fühlt sich vielleicht, wie man sagt, »himmlisch« oder »in der Gnade« oder »auserwählt«; wenigstens fühlt er sich doch ein Stück von der Erde und von allen anderen enthoben. Welche Folge nehmen diese Erfahrungen, die in ihrer Art sehr unterschiedlich sein können und doch aber fast immer auf einer organischen Stimulation beruhen, für das weitere zukünftige Leben ein? Wenn man diese Erfahrungen untersucht, so lässt sich eine sehr charakteristische Gemeinsamkeit in den meisten Fällen feststellen. Dasjenige, was die Lebenskraft im Körper darstellt (Fachsprache: Ätherleib), das pulsierende, zentrifugale und immerfort dynamische Energieprinzip, löst sich aus den Verankerungen im Leibe und levitiert zu weit nach oben oder aus dem Körper heraus. Die Folge ist ein Hochgefühl und gleichzeitig eine Schwächung, wobei letztere meist unbemerkt bleibt und auf Dauer viele Störungen bis hin zu Erschöpfung und Krankheit bringt. Das ungünstige Herauslösen der Lebenskräfte führt in der Folge fast immer zu unendlichen Himmelssehnsüchten, die aber nur eine unbewusste Suche nach Geborgenheit und Sicherheit darstellen. Es ist tatsächlich eine Versuchung, die sich heute mit vielen verschiedenen organisch gebundenen Erfahrungen in das Menscheninnere gibt und das Leben nicht wirklich im Leibe organisiert, sondern es aus der üblichen Festigkeit enthebt. Jene Personen, die dieser Versuchung unterliegen, lösen auf ihrem Weg ganz unbewusst familiäre und partnerschaftliche Konflikte aus. Sie fühlen sich von der Familie nicht mehr verstanden und verlagern ihre Aufmerksamkeit allzuleicht auf eine spirituelle Gruppenzugehörigkeit oder auf einen Anschluss auf dem spirituellen Weg. Das Lehrgebäude in exoterischer Form wirkt diesen Versuchungen sehr weit vorbeugend entgegen, wenn auch diese nicht ganz aufzuhalten sind. Seminare, die in einer klaren, sachlichen Beziehung organisiert sind und keine Gruppenzugehörigkeitsmöglichkeit auf Dauer gewähren, eine spirituelle Quelle, die nicht in der Welt als eine eigene Partei steht, sondern nur der Möglichkeit zur Inspiration dient, ein Lehrer, der in seiner Funktion nur Übungen zur klaren Bewusstseinsformung vermittelt und die zu konsumierende Erfahrung außer Acht lässt, können einen wesentlichen Beitrag zur rechten Seelenformung leisten. Die exoterische Einordnung und die Trennung der spirituellen Quelle von allen technischen Begleithintergründen beugt den Versuchungen, die durch falsche Identifikationen und Gruppenzugehörigkeitsgefühle entstehen, vor.

Die exoterische Ordnung ist noch neu in der Kultur

Dieses exoterische Lehrgebäude ist von der Gesamtkonstituierung, Idee und Praxis neu entwickelt. Es findet sich innerhalb des Yoga und der christlich-religiösen Einrichtungen sehr wenig. Bei der katholischen Kirche lebt oder sollte zumindest die andere Wirklichkeit durch die sogenannte Sukzession leben, durch die Priesterweihe, die die Kraft des Amtes und die Kraft zur sakramentalen und die Spiritualität stellvertretenden Amtsausübung gewährt. Das Spenden der Sakramente hat in der katholischen Kirche deshalb bis zum heutigen Tage einen mehr erdachten, aber doch so gemeinten mystischen Charakter und nimmt innerhalb der Transsubstantiation mehr oder weniger magische Kräfte zu Hilfe. In Yoga-Einrichtungen werden ebenfalls die inneren Energien von einem Lehrer auf den Nachfolger übertragen, der sie wieder auf die Schüler überträgt. Gleichzeitig nehmen viele Übungen einen esoterischen Charakter an, da sie das psychologische Ergebnis in der Gefühlserfahrung betonen und nicht eine primäre Stärkung der Seelenkräfte anstreben. Meist besitzen Meditationen und Yoga-Übungen auch einen energetisch aufladenden und teils mystischen Charakter. Die Begriffe »Mystik« und »Esoterik« sind in der Umgangssprache und theologischen Grundlegung voneinander zu unterscheiden. Für diese Darstellung des exoterischen Leitsystems besitzen aber beide Richtungen, die mystischen Wege des Christentums und die esoterischen Wege des Yoga, einen gemeinsamen inneren Charakter. Sie bewegen sich nahezu immer in einer verborgenen Region von Bewusstseinsschichten und Bewusstseinsverlagerungen. Die Lehrer, die Ansätze und Teile aus dem »Yoga aus der Reinheit der Seele« unterrichten, arbeiten ganz nach eigenen, individuellen Erkenntnissen. Sie sind nicht stellvertretend für die spirituelle Quelle, sie sind nicht Funktionäre eines Systems, das einer obersten Direktionsstelle gehorcht und in der Verlängerung eines höheren Willens funktioniert. Sie sind vielmehr Personen, die sich auf dem Weg der Stärkung der Seelenkräfte bereits geschult haben und nach ihren Möglichkeiten das erlangte Wissen mehr erzählend oder beschreibend zur Anschauung weitergeben.

Der Unterricht sollte anschaulich, beschreibend, darstellend sein

Der Unterricht ist im allgemeinen mehr anschaulich und beschreibend, mehr darstellend und aufzeigend. Wenn es von den Teilnehmern erwünscht ist, richtet sich die Anschauung in Achtsamkeit und konkreter Bewusstheit an die spirituelle Quelle und auf die Inspirationen, die wie Meditation zur weiteren spirituellen Bereicherung des Unterrichtes hinzugenommen werden. Der Lehrer weist jedoch die Schüler auf die Unterschiedlichkeit des Denkens, das bei der spirituellen Quelle vorherrscht und dem konventionellen, wissenschaftlichen Denken, hin. Mit diesen klaren Hinweisen entsteht eine weitere konkrete Anschauung und gleichzeitig eine Gegenüberstellung, die zur persönlichen Bereicherung führt. Durch die Anweisungen des Lehrers im Unterricht entstehen wichtige und stabilisierende Eindrücke zur Unterscheidung der verschiedenen Arten von Energien. Ein frühzeitiges Sich-Hineinleben in die spirituelle Quelle oder gar ein pseudoartiges Hineinverschmelzen in diese wird vermieden.

Das exoterische System einer Seminarordnung wird in der Regel von Teilnehmern sehr angenehm, befreiend und reinigend erlebt. Manche Personen aber, und das sind vorwiegend jene, die von Anfang an ihre »Gotterfahrung« betonen und von sich aus wissen lassen, dass sie sich »erleuchtet« oder »begnadet« fühlen, bekommen gerne für einige Tage Probleme in der Annahme des ganzen. Die Erfahrung zeigte, dass die exoterische Ordnung ordnend und reinigend auf das Gemüt des einzelnen wirkt. Die Ordnung wirkt vor allem stabilisierend auf die individuelle Struktur und auf die Kraft des Bewusstseins. Der anschauliche Unterricht ist vergleichbar mit einem Bergsteiger, der erst längere Zeit den Berg anblicken muss und Überlegungen zu der Route anstellt, bevor er direkt die Hand an den Felsen legt. Man könnte meinen, dass der exoterische Unterricht niemals wirklich in die Praxis schreitet und so erscheint wie ein Bergsteiger, der aus der Lehnstuhlperspektive sein Ideal anblickt. Das ist aber nicht der Fall, denn im »Yoga aus der Reinheit der Seele« werden Übungen und Studienschritte in der direkten Praxis vollzogen. Der Unterschied ist nur derjenige einer viel umfassenderen individuellen Stellung, die wie eine gesamtheitliche Übersicht von einem Ich zu einem Du bewahrt bleibt. So geht der einzelne Interessent nur so weit in die Übungsweise hinein, wie er auch den beschauenden Überblick und das natürliche Verstehen bewahren kann. Der Yoga-Übende sucht nicht wie ein Bergsteiger den Durchbruch in einer Wand zum ersehnten Gipfelpunkt eines hohen Gefühls, er sucht vielmehr ein objektives Erleben der verschiedenen Umstände der eigenen Seele und ihres Leibzusammenhanges und der, wenn vorhanden, hinzugenommenen Inspiration zu der Übung.

Auf diese Weise nähert sich der Übende in einer sehr weiten Auseinandersetzung und Unterscheidungsbildung einer spirituellen Quelle an, die er im Verlauf seiner Entwicklung in einer Gegenüberstellung zu seinem Ich erlebt. Es ist ein größeres Ich, das einem kleineren gegenübersteht. Im »Yoga aus der Reinheit der Seele« geschieht eine geistige Individuation, in der eine schrittweise Annäherung und Auseinandersetzung mit einer unbekannten und fremden Wirklichkeit erfolgt. Es ist nicht ein mystischer Pfad und kann auch nicht als einer der modernen und typischen esoterischen Pfade bezeichnet werden. Es ist ein Pfad, der auf der Bildekraft von Anschauung und Bewusstsein beruht.

Die exotersiche Ordnung korrepondiert mit den Bedürfnissen der heuitgen Zeit

Die Gedanken zu der beschriebenen Grundordnung eines exoterischen Unterrichts sind durch praktische Erfahrungen und durch geistige Erkenntnisforschung entstanden. Sie beschreiben nicht nur ein Ordnungssystem im Irdischen und der sozialen Religion, sondern geben ein Bild aus einer übersinnlichen Wirklichkeit, das in Harmonie und Analogie zum Menschsein existiert. Das Ziel des Yoga ist nicht, wie es allgemein in verschiedenen Schulen noch angestrebt wird, ein Erlöschen der Individualität und ein Aufgehen in den Erfahrungen der kosmischen Einheiten mit ihrer schweigenden Ruhe, sondern ein Bewusstwerden im Denken, Fühlen und letzten Endes in der Identität des Handelns gegenüber einer sich offenbarenden geistigen Wirklichkeit, die selbst die metaphysische Welt übersteigt. Das Denken und Fühlen erlischt nicht in einem asketischen Schweigen, und das Leben zieht sich nicht in klösterliche Einsamkeiten zurück. Das Denken wird zu einem immer größer und brauchbarer werdenden geistigen Instrument erzogen, das mit den weltenschöpferischen Gedanken eins wird. Die Gefühle bleiben natürlich und integrativ, sie erhalten aber ebenfalls eine Veredelung und eine aus dem Geistigen entwickelte Kreativität, die sie zu einem schöpferischen Wahrheitsgefühl machen. Das Ziel der gesamten Bemühungen führt zu einer Synthese des Geistes in der Welt, die sich ausdrückt im Menschen und seiner Individuation, die stufenweise in einer Verwandlung steht.

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Anmerkungen

Anmerkungen
1 Die Idee zu einer Studienstätte, wie sie in den 90er Jahren in Bad Häring intendiert war und in dieser Broschüre dargestellt wird, wurde in der Vergangenheit nie wirklich aufgegriffen und umgesetzt. Heinz Grill hat sich deshalb bereits 1999 vollständig aus sämtlichen Projekten nach Italien zurückgezogen und ist seither nur noch unabhängig als Autor und Referent tätig.
2 Zu der Studienstätte in Bad Häring siehe die Anmerkung zu 1). Dieses hier vorgestellte Konzept einer exoterischen Studienstätte wurde bisher nicht in die Tat umgesetzt. Heinz Grill ist nicht, wie immer wieder vermutet wird, Teil einer Organisation oder Schulungsstätte, sondern er arbeitet unabhängig als Autor und Referent zum Yoga und seiner praktischen Ausgestaltung im Leben.