Die Ordnung des Bewusstseins

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Dies ist das zweite Kapitel aus der Broschüre „Orientierung und Zielsetzung des ‚Yoga aus der Reinheit der Seele'“

Heinz Grill verwendet heute mehr den Begriff des „Neuen Yogawillen“ bzw. der „Neuen Yogaempfindung“, um eine Yogaausrichtung zu beschreiben, die sich nicht aus dem sozialen Leben zurückzieht, sondern mit geeigneten Inhalten die verschiedenen Lebensgebiete durchdringt.

spiegelt sich innerlich im Menschen und äußerlich in der Administration der Einrichtung

Die gesamte Organisation des exoterischen Systems entwickelt sich an einer geistigen Beobachtung der innerleiblichen Bewusstseinsstrukturen. Die äußere Arbeit ist gewissermaßen ein direktes Spiegelbild des inneren Verständnisses der religiösen Einordnung und Bewusstseinsverfassung. Die rechte Erkenntnis der äußeren Strukturen und ihrer Beziehungsverhältnisse zueinander und untereinander geben aber darüber hinaus wieder einen Anhaltspunkt über die innere Ausrichtung des seelischen Lebens zu dem, was wir Gott nennen. Eine systematische Gliederung von Fachbereichen in einzelne Individuationsbereiche führt nicht zu hierarchischen Verhältnissen und auch nicht zu einer in sich geschlossenen Kommune, sie führt vielmehr zu einer klaren Kompetenzbestimmung und zu einer rationalen individuellen Einordnung der Aufgabenbereiche. Die Aufgaben sind, obwohl von unterschiedlichem Charakter und Ausmaß, von einer gemeinsamen Idee getragen: das ist die Umsetzung und langsame Gestaltung von tiefen Imaginationen und Inspirationen innerhalb der jeweiligen fachlichen Stellung und sozialen Einordnung, damit ein transzendentes Licht des Geistes leuchten kann und weiterhin mit diesem Licht eine praktische Bereicherung und Durchdringung der Lebensgestaltungen einsetzen kann. Das Ziel des gesamten Arbeitens ist eine Synthese von Geist, Bewusstsein, Leben und Materie.1)Die hier beschriebene Einordnung in Aufgabenbereiche betrifft eine möglichst sinnvolle Gestaltung von Projekten, die auf exoterischer Basis arbeiten möchten. Heinz Grill selbst ist nicht Teil eines solchen Projektes, sondern unabhängig als Autor tätig.

Das viergliedrige Menschenbild

Betrachten wir einmal auf mehr technische Art den gesamten innerleiblichen Organismus des Menschseins. Das höchste Glied des Menschseins ist dasjenige, das so sehr landläufig mit »Ich« benannt wird. Dieses Ich als das höchste Glied ist aber bei genauer Betrachtung nicht eine psychologische Komponente oder eine metaphysische Wirklichkeit, es ist vielmehr eine reine Offenbarung und reine Transzendenz, das sich allen feinstofflichen Zugriffen und ethischen Wertmaßstäben entzieht. Als eine transzendente Wirklichkeit wurzelt dieses Ich nicht wirklich in einem Leib, weder in einem grobstofflichen noch in einem feinstofflichen. Dennoch ist es in seinem Mysterium auf einen Körper ausgerichtet und erfüllt diesen mit einer Einzigartigkeit, mit einem Geheimnis des Höchsten, mit dem, was Geist ist und den Menschen über das Tierreich hinaus zu einem eigenständigen Bürger der Selbstverantwortung und Selbstbewusstheit macht.

Weiterhin verfügt das menschliche Individuum über ein eigenständiges Wesensglied, und das ist das Bewusstsein, der Träger des Wissens, der Wahrnehmungen, der Empfindungen und der Aktionen und Reaktionen. Dieses Bewusstsein ist von seiner Grundkonfiguration schon ganz anders als das transzendente und geheimnisvolle Ich, denn es besitzt eine Bewegungsrichtung von innen nach außen und von außen nach innen. Im Bewusstsein finden die verschiedensten Bewegungen, Abläufe, Verwandlungen und Lernschritte statt. Einmal fluktuieren die Bewusstseinsinhalte, indem sie von innen nach außen sich verteilen, und einmal strömen sie durch Anschauungen und Lernschritte von außen nach innen. Das Bewusstsein ist der grandiose Träger des Lernens und Lehrens.

Die Eigenart dieses Bewusstseins ist die Eingebundenheit in die Dualität, die vor allem in den großen Weltenpolaritäten von Freude und Leid existiert. Während das Ich noch vollkommen frei, rein und unantastbar ist, ist das Bewusstsein in einer Art Berührung oder, besser, Bewegung begriffen, die es immerfort im Spiel eines Wachsens und Werdens zu einer unendlichen Weite gewinnen möchte. Das Bewusstsein möchte wachsen und so weit wie möglich gedeihen. Es ist deshalb auch dasjenige, das in der Religion die sogenannte Versuchung aufnehmen kann.

Die weiteren beiden Glieder erscheinen auf den ersten Blick sehr konkret, leicht verständlich und nahezu damit selbstverständlich. Sie sind aber in ihrer Eigenart weitaus schwieriger erfahrbar als die erstgenannten. Es sind diese das sogenannte Leben, (Ätherleib), das sprießende Prinzip der zentrifugalen Energien und weiterhin der physische Leib mit seiner sichtbaren Gestalt. Diese beiden Glieder existieren jedoch nur aus dem einfachen Grunde, da das menschliche Wesen über ein Ich und über ein Bewusstsein verfügt. Aus diesem Grunde bemerkt die menschliche Wahrnehmung die Lebensverhältnisse und die physischen Bedingungen.

Das Ich des Menschen ist frei

Bei der geistigen Entwicklung richtet sich die Aufmerksamkeit auf das höchste Wesensglied, auf das Ich oder auf das Selbst, den paratman, wie er in Sanskrit genannt wird. Dieses Ich ist aber ein großartiges und doch immer unbegreifbares Mysterium, das mit verschiedenen heiligen Namen besetzt werden kann und sich aber doch jeden Möglichkeiten des Zugriffes entzieht. Es ist Wahrheit, Liebe oder Einzigartigkeit. Es ist universal und zeitlos. Die Aufmerksamkeit und die verehrenden Gefühle, die anerkennenden Gedanken und Lobpreisungen richten sich an dieses Höchste, das im allgemeinen mit dem Begriff »Gott« benannt ist. Wenn wir in den Ausführungen die Frage stellen, wer dieses Ich tatsächlich für sich besitzen kann, so werden wir deutlich die Antwort erhalten: Das höchste Mysterium ist gegeben und es existiert in seiner eigenen Gnadenwahl frei von allen Zugriffen, Ansprüchen, Machtspielen und Besitztümern.

Da diese ewige Einzigartigkeit des höchsten Selbst vollständig frei ist und frei bleiben wird, hat sich der »Yoga aus der Reinheit der Seele« die Aufgabe vorgenommen, es in seinen Ausdrucksformen und Offenbarungen zu verehren, ihm zu dienen und es als das höchste Ziel im Sinngehalt einmal zu erkennen. Die Disziplin der geistigen Übungen richtet sich deshalb ganz gezielt für eine gewisse Zeit im aktiven Studium an jene Schriften, in denen es am deutlichsten zum Ausdruck gelangt. Das sind die erwähnten Schriften, die alle aus der Authentizität und Originalität der Autoren kommen müssen, denn wären sie Plagiate oder mediale Übermittelungen, so wäre die Offenbarung und Liebe des Selbst in ihnen nicht mehr erfahrbar.2)Literaturempfehlungen finden Sie hier

Die Entwicklung der Seele

Wenn dieses Studium nach den Anleitungen unter Einhaltung der rechten Unterscheidungsgrundsätze absolviert wird, entwickelt sich eine seelische Grundkonfiguration der Weite im Bewusstsein und der zunehmenden Stärke in den Seelenkräften, die namentlich das Denken, Fühlen und der Wille sind. Der Aspirant lernt auf diesem Wege ganz neue Erfahrungsdimensionen mit konkreten Gedankeninhalten kennen, die seine Empfindungswelt bereichern und die ihm wie eine neue Nahrung für das Leben und die Lebenskräfte zukommen. Ganz besonders wird diese Neubelebung der Lebensschichten erfahren, wenn eine persönliche Ehrfurcht oder Verehrung das Studium begleiten und die Schritte mit Achtsamkeit und Aufmerksamkeit erfolgen. Indem aber auch das geheimnisvolle, verborgene Leben des Willens eine außerordentliche Stärkung erfährt, entwickelt sich jene Fähigkeit zu einer objektiveren Betrachtung und Beschaulichkeit. Der Aspirant richtet seine Aufmerksamkeit auf eine ganz andere Welt der Gedanken, die in dieser Form und Logik in ihm noch nicht existent sind. Er kann sie deshalb nicht einfach aufnehmen, konsumieren oder sich mit ihnen blindlings verbinden, sondern muss sie wie ein fremdes Geheimnis zuerst einmal zur Kenntnis nehmen und sie dann in ihrem originalen, verborgenen Sinn nachvollziehen lernen. Diese Gedanken-, Empfindungs- und Willensschulung führt zu einem stillen Erkraften des Ich in seiner transzendenten Wirklichkeit. Diese Stärke des Ich aber lässt den Menschen nicht aufdringlich oder gar absolut erscheinen, es gibt ihm vielmehr die Fähigkeit zu weiteren objektiven Betrachtungen, die sowohl dem eigenen Leben wie auch dem Leben anderer gegenüber besteht. Diese Fähigkeit zu objektiveren Beobachtungen führt zu einer tatsächlichen Freiheit und einem Gefühl des Gewährenlassen-Könnens. Neben vielen verschiedenen Aspekten des Freiseins schenkt es aber auch eine heilsame Klarheit, denn der Aspirant sieht diejenigen Verhältnisse wie Krankheiten, Unglück und Tod nicht mehr als bedrohlich und absolut, sondern als relativ. Das Wachstum des Ich ist jedoch eine sehr stille Entwicklung, die nahezu ungesehen bei diesen Lernschritten eintritt.

Wenn diese Entwicklung der Wesensglieder schematisch dargestellt wird, so kann sie mit folgender Skizze eine Verdeutlichung erhalten.

vier-ebenenDie Weite und Einzigartigkeit führen über die bewusstseinsaktiven Schritte zu der Durchgestaltung der Lebenskräfte, und als Folge dieser Durchdringung entwickelt sich eine natürliche Harmonie, Gesundheit und Schönheit im Leibe. Das Besondere bei dieser Entwicklung ist dasjenige, dass der Mensch einen Zustrom aus der schöpferischen Welt der Gedanken erhält und dabei seine ganze Leibesorganisation, die sich in physischer und ätherischer (Leben) Weise bildet, nach den Prinzipien der Schönheit und Gesundheit ordnet. Es gelangen neue Lebenskräfte in die Geburt und versorgen das bisherige Dasein mit Gesundheit.

Die Übertragung der Seelenkonfiguartion auf eine Lehrgebäude

Wenn diese Entwicklung auf ein Lehrgebäude übertragen wird, so zeichnet sich diese durch eine sehr große Weite und Einordnung der Personen, die darin arbeiten, aus. Sie verfügt ebenfalls über eine geordnete Aufgliederung, die heimliche Begierdewesen und Ich-Ansprüche der Individualitäten kaum aufkommen läßt. Schematisch sieht dies folgendermaßen aus:

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Das Leben wird durch die Bewusstseinsarbeit in ganz konkreten Schritten durchorganisiert, was sich in ästhetischen Bereicherungen der gesamten Erscheinung bis hinein in die physische Leiblichkeit auswirken kann. Die Voraussetzung ist jedoch, dass die esoterische Ebene der inspirativen Quelle nicht ein Glied ist, das Schüler oder angestellte Lehrer durch ihre Bedürfnisse in einen emotionalen oder intellektuellen Anspruch nehmen könnten. Aus diesem Grunde ergibt sich die obere Trennungslinie. Die untere Trennungslinie ergibt sich weiterhin, da der physische Leib wie auch die Lebenskräfte von allen Techniken, Einflüssen, Manipulationen und Stimulierungen in Ruhe gelassen werden müssen. Die Arbeit erfolgt immer auf der Ebene des Bewusstseins, das sich in konkret geschaffenen Gedanken und wohlerwogenen Empfindungen in Beziehung nach oben und nach unten bringt. Im Yoga wird deshalb mit den Körperübungen nicht als primäre Absicht eine organische oder energetische Stimulation versucht, in der Meditation wird nicht ein Sich-Hinüberleben in eine schweigende Stille praktiziert. Die Lebenskräfte und der physische Leib mit seinem Erbe werden einmal hingenommen wie sie sind.

Das exoterische System im Vergleich zur Mystik

Ein kleiner Vergleich soll einmal als ergänzendes Beispiel aufzeigen, wie in der Regel bei verschiedenen mystischen Wegen der Versenkung diese konkreten Beziehungsebenen immer schwieriger werden: Bei einer mystischen Meditationspraxis wird in der Regel das Bewusstsein zu einem Schweigen gebracht oder es wird mit einem speziellen esoterischen oder geistlichen Inhalt gepaart, mit dem es ein Gefühl des Einswerdens anstrebt. Dieses Gefühl des Einswerdens wird aber meist auf einer noch viel zu frühen Ebene angestrebt, so dass es allzuleicht zu einem vorübergehenden Erlöschen des ganz konkreten Bewusstseins von Identität und Stellung in der Welt kommt. Es ist das Erfolgsgefühl eine Art Sich-Hinüberleben in eine andere Wirklichkeit, mit der die gesamte Gefühlsidentität verschmilzt und eine täuschende, doch meist als angenehme Harmonie empfundene Stimmung in sich vorfindet. Dieses Sich-Hinüberleben geht aber zu Lasten des wachwerdenden und erkennenden Bewusstseins wie auch des Gegenübertreten-Könnens in vollkommener Gegenwart zu der esoterischen oder andersartigen Wirklichkeit. Bei diesen Prozessen werden die Lebensprozesse aus dem physischen Leibe enthoben und mit anderen Energien, die jedoch schwer identifizierbaren Charakter besitzen, vermengt. Schematisch sieht der Vorgang folgendermaßen aus:

 

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Wenn das Leben aus dem physischen Körper hinausgehoben wird, entstehen anfangs meist sehr ekstatische Gefühle, die jedoch eine beginnende Schwächung anzeigen und zu zahlreichen Komplikationen führen. In der Fachsprache spricht man von »falscher Äthertrennung«. Wenn diese Art der spirituellen Übung vorherrscht, entstehen meist schnelle Erfolgserlebnisse bei den Schülern, es entstehen jedoch gleichzeitig eigenartige Verschleierungen des Bewusstseins, die zu einer allgemein leidlichen und unkonkreten Atmosphäre beitragen. Die Teilnehmer bei einem Kurs fühlen ihren schnellen Erfolg und identifizieren sich mit dem vom Leibe entrissenen Äther, der aber die Seele entweder zu weit von der Erde entrückt oder die Seelenkräfte in ihrer Beschaffenheit dumpf eingliedert. Die Transzendenz des Ich wird mit einer astralen Empfindung verwechselt. Innerhalb einer Organisation und Einrichtung lässt sich dann das Spiel der Identifikationen mit der sogenannten »Wahrheit« nicht aufhalten und man trifft dann beim Besuch von Veranstaltungen auf lauter »Mystiker«, »Erleuchtete« oder »Eingeweihte«. Sicherlich wird durch diese knapp gehaltene Darstellung deutlich, dass diese Erscheinungsbilder sowohl im Äußeren wie im Inneren für den einfühlsamen und ästhetisch fühlenden Menschen eine sehr eigenartige Ausstrahlung bekunden.

Die Schulungsprojekte sind deshalb von der Grundlegung infolge dieser Beobachtungen auf einem exoterischen Boden errichtet.3)Das exoterische System existiert als Ideal für Schulungsprojekte, die mit spirituellen Inhalten arbeiten wollen. Es verhilft dazu, Wahrheitsansprüche und sektiererische Tendenzen zu vermeiden. Der »Yoga aus der Reinheit der Seele« strebt sowohl eine rechte Gliederung der Seele im Leibinneren als auch eine rechte soziale und pädagogische Ordnung im Äußeren der Lehrveranstaltung an.

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Anmerkungen

Anmerkungen
1 Die hier beschriebene Einordnung in Aufgabenbereiche betrifft eine möglichst sinnvolle Gestaltung von Projekten, die auf exoterischer Basis arbeiten möchten. Heinz Grill selbst ist nicht Teil eines solchen Projektes, sondern unabhängig als Autor tätig.
2 Literaturempfehlungen finden Sie hier
3 Das exoterische System existiert als Ideal für Schulungsprojekte, die mit spirituellen Inhalten arbeiten wollen. Es verhilft dazu, Wahrheitsansprüche und sektiererische Tendenzen zu vermeiden.