Die regenerierende Wirkung der Yogastellung
„die Waage“ auf das Hüftgelenk

Von Christina Kullmann und Heinz Grill:

Das Hüftgelenk

Viele Abnutzungserscheinungen des Hüftgelenkes beruhen nach allgemeiner Lehrmeinung auf einseitigen Belastungen bei gleichzeitig zu wenig bewegten, dynamischen Anforderungen. Das viele Sitzen bedeutet für das Hüftgelenk eine Schwächung des Bandapparates und der Muskulatur. Die Durchblutung des gesamten Gelenkes und die Versorgung des Knorpels ist durch die sogenannten zivilisierten Lebensbedingungen nicht in ausreichendem Maße gewährleistet. Es überwiegt die Schwerkraft, die den Körper nach unten, Richtung Boden drückt und die Stoffwechselfunktionen werden nicht ausreichend angeregt. Die lebendigen gegen die Schwerkraft wirkenden aufbauenden Stoffwechselkräfte müssen heute nicht nur durch Sport sondern auch durch eine gezielte Bewusstseinsaktivität verbunden mit Bewegungen angeregt werden.

Die Hüftgelenke stellen die Verbindung der Beine zum Becken dar; sie sind sehr große Gelenke. Bei allen Beinbewegungen müssen die Hüftgelenke in eine Aktion kommen. Im normalen Gang auf der Straße oder am Berg übertragen sie die Kraft von unten nach oben auf den Rumpf.

Die Hüfte ist ein charakteristisches Kugelgelenk, das eine sehr große Beweglichkeit in alle Raumdimensionen gewährt. (Drehung, Streckung, Beugung, An- und Abspreizung, kreisende Bewegungen).

Zeichnung Hüftgelenk von Johanna WunderlichDie Hüftgelenkspfanne weist eine deutliche runde Ausbildung auf. Ihre Fläche wird durch eine knorpelige Lippe am Rande vergrößert. Durch diese geschützte Anlage ist ein großer Teil des Hüftkopfes überdacht und gewährleistet die Stabilität im Stand. Das Gelenk ermöglicht eine große Bewegungsfreiheit auch unter Gewichtsbelastung, ohne dass es zu den, im Vergleich zu den Schultergelenken bekannten, Luxationen kommen kann. 1)Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers. Dieses hohe Maß an Beweglichkeit bedeutet aber andererseits, dass eine im Vergleich zu anderen Gelenken hohe Gefahr des “Auskugelns” in der Fachsprache der „Luxation“ besteht.

Eine Besonderheit dieses Gelenkes ist es, dass der Hüftkopf nicht nur über die ihn umschlingenden Arterien (Arteria cirumflexa) versorgt wird, sondern auch noch über eine Arterie, die in einem Band gelagert ist und direkt zentral im Gelenk selbst am Hüftkopf ansetzt. (Ast aus der Arteria obturatoria ).

Dieses große Gelenk ist außerdem durch starke Bänder gesichert. Diese verwringen sich im aufrechten Stand und bei Streckung des Körpers pressen sie den Hüftkopf damit fester in die Pfanne hinein. In Hüftbeugung und leichter Außenrotation dagegen sind diese Bänder entspannt, der Hüftkopf ist in dieser Position optimal in der Pfanne eingestellt, die Druckbelastung ist auf die größtmögliche Fläche verteilt.

Anders verhält es sich beispielsweise bei der Yogastellung Yoga Mudra, wenn diese Position mit den Beinen in Lotusstellung ausgeführt wird. Das Gelenk erhält einen maximalen Spielraum durch die Außenrotation und durch die Beugung. Die Randbezirke des Hüftkopfes erhalten eine gewisse Belastung. Im Allgemeinen wirken deshalb Lotuspositionen durch die Bewegungserweiterung heilsam auf das Hüftgelenk.2)Die Yoga Stellung Yoga Mudra beschreibt ein Vorwärtsneigen des Oberkörpers aus der Sitzhaltung mit über den Kopf augstreckten Armen bis die Stirn den Boden berührt. Die Sitzhaltung kann dabei im Fernsitz oder anspruchsvoller im Lotussitz erfolgen

Physiotherapeutisch begegnet man der Coxarthrose (Hüftgelenksarthrose) mit Übungen unter möglichst wenig Druckbelastung mit dem Ziel die Durchblutung der umliegenden Gewebe anzuregen und des weiteren um das Gelenk nicht noch zusätzlich mechanisch zu belasten. Die entzündlich reagierende Synovia soll sich beruhigen damit der Knorpel nicht dem weiteren Abbau verfällt.

Man arbeitet heute oft sogar mit einer Traktion auf das Gelenk, um die Gelenkflächen etwas auseinander zu ziehen mit dem Ziel den Knorpel zu entlasten und dessen Versorgung zu verbessern. Die umliegende Muskulatur wird gekräftigt und vor allem gedehnt um den durch Schonhaltungen entstehenden Kontrakturen entgegen zu wirken. Besonders der Musculus Iliopsoas, der tiefe Hüftbeuger, ist hier zu erwähnen, denn dieser zieht den Hüftkopf besonders kräftig in die Hüftpfanne und bewirkt eine Kompression. Eine chronische Verspannung und Verkürzung dieses Muskels steht oft am Beginn einer Hüftarthrose.

Eine therapeutische Möglichkeit die Hüfte zu regenerieren und entlasten

Die Waage ist eine sehr spannkräftige Übung, die sowohl Gleichgewicht als auch Kraft in sich vereint. Der Körper wird weit in der Horizontalen ausgespannt, während das Standbein eine gute Stabilität und Anziehungskraft zum Becken hin entwickeln muss.

Die Hüftmuskulatur wird in der Waage durch das sensible Spiel mit dem Gleichgewicht sehr differenziert und mit unterschiedlichen Muskeln angesprochen und gekräftigt. Es kann ein Empfinden von einer soliden und doch geschmeidigen Verbindung der Beine zum Körper entstehen.

Aus einer erweiterten metaphysischen Sicht sollte das Hüftgelenk möglichst belastungsfrei, bewegt und zentriert werden. Diese Zentrierung entsteht sicherlich durch eine solide Ausführung der Waage und allgemein durch rhythmisch orientierte Bewegungen. Beginnt man die Äthergesetze in der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen, das heißt dass man nicht nur die verschiedenen mechanischen Belastungsmomente errechnet, sondern den Körper in einem gesamten Kontext von kosmischen, seelischen und geistigen Wirkungen sieht, so gewinnt man langsam die Sicht, dass ein gesunder Ätheraufbau in den Hüftgelenken von der Leichtigkeit und Freiheit des Hauptes abhängig ist. Eine Zentrierung ist nicht nur das Ergebnis der äußeren mechanisch körperlichen Sorgfalt des Übens, des Gehens, des Bergsteigens oder Turnens, sondern sie entwickelt sich dann, wenn der ganze Oberkörper in einer freien Atembewegung und einem freien Gedankenaustausch lebendig schwingt.

Bei der Ausführung der Waage lenkt man die Aufmerksamkeit nach außen in die Weite des Raumes. Die Arme gleiten entspannt an die Seite und nach vorne nahezu wie Schmetterlingsflügel, die wie aus dem Raume heraus dem Körper die Hilfe bieten, sich in die horizontale Linie und in das Gleichgewicht hineinzufügen. Den Atem lässt man ganz frei, von Gewicht schwerelos schwingen. Er tritt durch Atemwege und auch durch die gesamte entspannte Halsregion leicht in den Lungenraum hinein. Der Oberkörper bleibt geschmeidig und die Schultern sind ohne Fixierungen. Die Bewegung in die Waage hinein wird tatsächlich durch diese gezielte Vorstellung wie außerhalb des Körpers angesetzt; sie beginnt in der Weite des Raumes und verdichtet sich dann zu der in der Vorstellung gewählten Form. Das Zentrum des Körpers jedoch bildet die Hüfte und diese ist etwa in der Mitte von oben und unten. Die Ätherkräfte, die von oben eintreten, sammeln sich in der Hüfte und zentrieren diese. Eine gewisse Kraft kann der Übende bei der Ausführung der Waage entdecken und er erlebt eine natürliche wachsende körperliche Stabilität im Beinbereich. Tatsächlich zentriert sich der Hüftgelenkskopf in die Hüftpfanne infolge des entspannten und durchlässigen Oberkörpers.

Eine weitere, die obige ergänzende, Möglichkeit, diese harmonische Zentrierung des Hüftgelenkes zu fördern geschieht aus der Spannkraft des aufsteigenden Standbeines. Der Übende setzt seinen Fuß stabil auf den Boden und richtet die gesamte Aufmerksamkeit auf dieses tragende Bein. Indem er mehr Aufmerksamkeit auf das Standbein richtet, es in die Kraft seines Willens einbezieht, kann sich das andere Bein, das nach hinten hochsteigt in geschmeidiger Leichtigkeit entfalten. Es ergänzen sich die Ätherwirkungen der Beine. Durch die Anspannung des Standbeines löst sich das nach hinten in die Horizontale ansteigende Bein aus den üblichen Spannungen und kann somit in eine neue Form gleiten. Ätherkräfte wirken dann, wenn sie auf eine befreite Region stoßen.

Die Beine bewegen sich, bezogen auf das Becken, in gegensätzliche Bewegungsrichtungen.

Beim Standbein zentriert sich eine aufsteigende Kraft unmittelbar in das Hüftgelenk, bringt den Hüftkopf harmonische in die Pfanne während das nach hinten ausgestreckte Bein sich wie eine befreite Gliedmaße ausdehnt und länger wird. Das Becken mit den beiden Hüftgelenken erscheint in der Waage wie der Begegnungsort zweier ganz unterschiedlicher Bewegungsrichtungen, nämlich der Horizontalen und der Vertikalen. Die aufsteigende Dynamik aus dem Standbein, wird umgelenkt in eine sich in der horizontalen ausdehnenden Bewegung des freien Beines und des Rumpfes. Überall an all jenen Orten, wo zwei Bewegungsrichtungen oder Kraftwirkungen aufeinander treffen, entsteht eine Zentrierung. Diese ist zunächst auf der Ätherebene in der Vorstellungsebene gegeben und findet ihre konsequente Realisierung schließlich auf der Körperebene.

Die Beine koordinieren sich in eine Bewegung und Gegenbewegung auf intensive Weise, mehr als das üblicherweise beim Gehen notwendig ist. Der frei gelassene Atem (im Gegensatz zum fixierten Atem) trägt diese auf Zentrierung ausgerichteten Bewegungsmomente.

Die Waage – leichtere Variation

In der Waage, dabei ist es einerlei ob sie in einfacherer oder schon in perfekter Ausführung geschieht, entsteht eine optimale Korrektur der Hüftgelenksstellungen. Der Hüftkopf konzentriert sich in seine aufnehmende Pfanne zentriert, das zentrale Band mit der Arterie zum Hüftkopf bleibt entspannt und gewährt eine optimale Durchblutung. Gleichzeitig arbeitet bei der Ausführung der Waage rund um die Hüfte und im Rücken die gesamte Muskulatur sehr aktiv. Stoffwechselversorgungen und aktive Stärkungsprozesse beleben das gesamte Gelenk. Durch die wechselseitige Ausführung der Stellung gewinnt man einen schönen Wechsel zwischen überlastenden Schweregefühlen des Oberkörpers und aufbauenden Gefühlen, die aus dem Standbein bis in die Hüfte hinein kommen. Da diese Phasen des Übens gezielt und deutlich länger in die Aktivierung kommen als beim Gehen, wird die Stoffwechselversorgung des Knorpels auf dynamische Weise angeregt.

Sicherlich bietet die Übung der Waage nicht die einzige Möglichkeit, das Hüftgelenk zu zentrieren und die Stoffwechselversorgung im Gewebe zu erhöhen. Jedoch bietet gerade diese Übung durch ihr Bild einen Weg, wie im Allgemeinen eine Entlastung im Oberkörper bei gleichzeitiger sinnentsprechender Dynamik im Bein- und Hüftbereich einen Heilsprozess einleiten, unterstützen und fördern kann.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers. Dieses hohe Maß an Beweglichkeit bedeutet aber andererseits, dass eine im Vergleich zu anderen Gelenken hohe Gefahr des “Auskugelns” in der Fachsprache der „Luxation“ besteht.
2 Die Yoga Stellung Yoga Mudra beschreibt ein Vorwärtsneigen des Oberkörpers aus der Sitzhaltung mit über den Kopf augstreckten Armen bis die Stirn den Boden berührt. Die Sitzhaltung kann dabei im Fernsitz oder anspruchsvoller im Lotussitz erfolgen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert