Die spirituellen Perspektiven für das Jahr 2017

Silvestervortrag von Heinz Grill vom 31.12.2016

Die Fähigkeit zu einem freien Gedanken

Wir hatten gestern die Aufmerksamkeit darauf verwendet und gesagt, dass bei der Meditation und auch bei den Seelenübungen der Einzelne sich durch die Kraft und Existenz des Gedankens längere Zeit in einem Außen frei aufhält. Wichtig ist tatsächlich jene hervorragende Disziplin, in der sich der Meditierende längere Zeit in einem Außen bewegen lernt, das heißt durch den Gedanken in einem Objekt, frei von Emotionen, konzentriert bleibt. Man stelle sich diese Fähigkeit des Menschen lebendig vor, wie sie durch seine geistige und wache Präsenz entsteht. Das Bewusstsein, in einem Gedanken zu sein, nicht versunken, nicht träumend, sondern denkend, beobachtend und zielbewahrend, ist eine Grundvorstellung, die man für die Meditation und deren erfolgreiche Ausführung unbedingt klar gegenwärtig haben sollte. Die wache und freie Vorstellung über diese Art Konzentration, die in einem Gedanken besteht und die keine leibliche, sondern eine geistige Tätigkeit ist, müsste so selbstverständlich werden, wie vergleichsweise die Anwendung der Grammatik in der eigenen Muttersprache. Der Meditierende lernt sich längere Zeit dem Zielobjekt, das er sich gewählt, hat gedanklich und gleichzeitig beobachtend oder auch vorstellungsbildend hinzuwenden. Die Aktivität ist immer inhaltlich und keinesfalls leer, gedankenlos oder nebulös, sondern höchst präsent und wach, weil man sich im Außen nicht aufhalten könnte, wenn man die Fähigkeit eines aktiven Vorstellens mithilfe des Gedanke nicht zur Verfügung hätte. Wenn wir beispielsweise eine Katze beobachten, wie sie das Jagdobjekt mit den Augen fixiert, dann könnten wir meinen, sie könnte sich ebenfalls im Außen aufhalten. Wenn man aber genauer hinblickt und analysiert, wird man bemerken, dass sich die Katze ganz und gar nicht im Außen befindet und sich lediglich im Trieb aufhält. Es ist sehr interessant, dass das Tier diese Fähigkeit des Denkens in einem Außen nicht besitzt, obwohl die verschiedenen Gattungen, wie beispielsweise die Pferde oder auch die Hunde über jeweilige entsprechende antennenhafte Sensibilitäten verfügen und mit diesen die Außenwelt mit kaum hörbaren Geräuschen wahrnehmen. Ein Pferd nimmt sogar die Gefühle des Menschen wahr und reagiert auf diese, dennoch bleibt es in der Innenwelt. Es ist erstaunlich wie die Katze sogleich die Krankheiten bemerkt und sich gerade auf die Stelle, an der sich die Unordnung befindet, setzt. Das Tier hält sich aber nicht im Außen auf. Wenn ein Pferd gestreichelt wird und es darauf sensibel reagiert, dann reagiert es durchaus auf die Außeneinflüsse, aber es hält sich nicht im Außen auf, und zwar deshalb, weil es nicht den Gedanken als solchen entwickeln und ordnen kann. Diese Unterscheidung ist wichtig. Der Mensch kann sich im Außen aufhalten und das ist für die Meditation und seine Freiheit bedeutungsvoll.

Weitere Grundlagen der Erkenntnisbildung

Heute Nachmittag hatten wir uns mit der Frage beschäftigt, welche Voraussetzungen, eventuelle Schicksale oder welche glorreichen Vorzüge das kommende Jahr bringen wird. Wir hatten das kommende Jahr zunächst auf etwas hypothetische und spekulative Weise zu erfassen versucht und kamen im bisherigen Verlauf noch nicht zu Ergebnissen. Es ist natürlich eine sehr schwierige Aufgabe, das kommende Jahr zu erahnen oder es in der Bedeutung und Tragweite zu empfinden. Besonders schwierig wird diese Spekulation, wenn man von den bisherigen Umständen schlussfolgernd das kommende zu erfassen versucht. Es darf tatsächlich jene Wahrheit gelten, dass jedes Jahr – man sieht es schon an den Witterungsbedingungen – immer wieder neue Präsuptionen erschafft. Konstellationen, die bislang gegeben waren, können, aber müssen sich nicht wiederholen. Vom astrologischen Gesichtspunkt sind nach den Bewegungsprofilen des Kosmos immer wieder neue Konstellationen wirksam und eine alte Struktur kann nicht gänzlich in einem neuen identischen Ereignis wiederkommen. Jedes Jahr bringt neue Voraussetzungen und determiniert die Entwicklungsperspektiven. Naturgegeben sind immer die alten Kräfte auch im Hinübergleiten zum neuen Jahr wirksam, jedoch stoßen sie auf neue Konstellationen und gewinnen ein frischeres Angesicht. Wenn jemand beispielsweise, um einen sehr materiellen Vergleich zu setzen, im November in den Konkurs geraten ist, dann kann er naturgegeben wohl nicht mit jenem Enthusiasmus rechnen, dass im Januar diese Konkurssache sogleich zu Ende gelangen könne. Dennoch aber bringt jedes Jahr eine gewisse neue Voraussetzung für die Entwicklung und ihre determinierenden Perspektiven mit sich. Das Licht des vergangen Jahres ist nicht das gleiche wie das Licht diesen Jahres und der Mensch als Träger des Geistes ist nur zu einem gewissen Grade der alte, er ist immer durch seine Gedanken und durch seine Ziele, die er sich setzt, in einer Verwandlung begriffen. Sicherlich blüht die Primula im Frühjahr und das Wachstum beginnt zu sprießen und zu sprossen. Je nachdem wie der Sonnen- und der Mondenstand ist, werden jedes Jahr die gleichen Pflanzen zum blühen erweckt, aber von der geistigen Entwicklung für den Menschen gesehen, bringt jedes Jahr eine weise Neuheit in die Geburt und mit dieser erwacht die Möglichkeit, sich in eine weitere Perspektive der Entwicklung zu begeben.

Ein erster Ausblick auf das kommende Jahr

Dieses kommende Jahr wird von einigen wesentlichen Impulskräften abhängig sein, die nicht nur von den astrologischen Konstellationen, sondern vom individuellen Menschen getragen werden. Je nachdem, wie sich der einzelne Mensch, sehr einfach ausgedrückt, positiv oder negativ in die Entwicklung hineinbringen kann, so wird das bevorstehende Jahr – wenn man es so sagt – in verschiedenen Farben, Formen und Entwicklungssprüngen oder Entwicklungsverzögerungen oder sogar in Ungereimtheiten und starken Konflikten und Emotionen seine Ausgestaltung finden. Der Mensch bestimmt mehr als früher die wesentlichen Umstände. Vom astrologischen Gesichtspunkt gibt es für das kommende Jahr einige Beschreibungen, die nicht immer hoffnungsvoll ausgefallen sind. Der Mensch ersehnt sich gerne die schönere Zukunft, die jedoch in den meisten Fällen mit Verdrießlichkeiten beantwortet wird. Der Astrologe mag sein Bestes geben und seine Klienten bei guter Laune halten. Es ist aber verständlich, wenn man von der gegenwärtigen Zeit mit all ihren Stressbedingungen eine Schlussfolgerung entwickelt und die Frage danach stellt, ob man in der Zukunft die Möglichkeit zu etwas mehr Entlastung und emotionaler Geborgenheit finden wird. Die allgemeine Harmoniesehnsucht ist natürlich auf eher trivialer Stufe anzusetzen, und dies ganz besonders, weil die Erschöpfungszustände, die Isolationen und Einsamkeiten tatsächlich immer weiter fortwirken und den Menschen diese ausgleichenden Lebensgefühle vermissen lassen. Man möchte sich etwas wohlwollende Entspannung sichern und somit wünscht man sich die Harmonie im Miteinander oder zumindest einmal einen schönen Abend. Die Harmoniegefühle stehen mit einer Venuskonstellation im Horoskop des neuen Jahres an determinierender Stelle. Entsprechend der astrologischen Einschätzungen sind jedoch diese Harmoniegefühle mit einer emotionalen Versuchung verbunden, denn sie lenken die Aufmerksamkeit von wesentlicheren und inhaltsreicheren Entwicklungszielen ab. Die Harmonie und angenehme Emotion ist ein Ergebnis eines vorausgegangenen Prozesses. Wird sie zu früh erhofft oder innerhalb Beziehungen eingefordert, entstehen unangenehme und sehr bindende Konflikte. Selbstgefälligkeiten und Rückzugsaktionen aus inhaltlichen Entwicklungsanforderungen belegen eine große Gefahr für die kommende Zeit. Die Phasen der Harmonie, die die Venus aber dieses Jahr geben wird, sollten deshalb zum Aufbau, zum wirklichen Bewusstwerden nächster möglicher Schritte genutzt werden.

Eine große Gefahr für dieses Jahr entsteht durch ein falsches spirituelles Verständnis. Die so häufig propagierte moderne Wortformel „Lebe das Gute, das Schöne und das Harmonische und meide das Negative, das Böse und Belastende“ bietet die größte Versuchung und führt zu regelrechten Entwicklungsblockaden und wird sogar schwere Krankheiten fördern. Eine Auseinandersetzung mit den bösen Kräften, ihren Erscheinungsbildern und Raffinessen, ihrer Fähigkeit die Realität zu verdunkeln und die Lügen zu manifestieren ist für jeden, der einen sozialen Prozess und eine fortschrittliche Entwicklung betreten möchte, unabdingbar.

Wenn man auf die geistigen Umstände des bevorstehenden Jahres blickt – unabhängig von den astrologischen Voraussagen, die ebenfalls von der menschlichen Gesinnung und den menschlichen Einflüssen abhängig sind –, dann steht eine regelrechte Anforderung zur Weisheit und Weisheitserkraftung des individuellen Bürgers bevor. Für den Kurs, der hier an der Silvesternacht anwesend ist, konnten einige Voraussetzungen angeführt werden, die eine gewisse Ahnung im Sinne einer Hellsichtigkeit des Einzelnen schult. Es stellt jedoch eine anspruchsvolle Aufgabe dar, ganz unbefangen in eine Welt hineinzublicken, die noch nicht „geboren“ ist. Das neue Jahr ist heute in der Silvesternacht noch nicht geboren. Mit dieser Aufgabenstellung, die heute Nachmittag nur in ganz kleinen Ansätzen gestreift wurde, ist es wichtig, dass man sich länger an eine Vorstellung bzw. Fragestellung, beispielsweise „was wird dieser Kosmos mit seinen Voraussetzungen und was werden die Menschen, mit ihren innersten Wünschen, Neues bringen?“, unbefangen hinwenden lernt. Man wird bemerken, dass mit der Zeit eine erste formlose Wahrnehmung mit einigen schwachen Ahnungen in die Geburt tritt. Noch gibt es keine Gedanken und konkrete Vorstellungen, die warten würden, dennoch aber lebt eine Wirklichkeit, in werdender lichter Gestaltung. Die wiederholte Aufmerksamkeit auf diese ungewisse Region des neuen Jahres, die jedoch nach der Konkretheit und Gewissheit trachtet, gibt den Ahnungen langsam eine Formstruktur.

Der praktischer Ansatz in der Erkenntnisbildung und die Arbeit des Engels

Wie geht der Übende auf diese Weise praktisch vor? Er kann gemäß seiner geistigen Voraussetzungen nur die Aufmerksamkeit auf eine wahrnehmbare Wirklichkeit richten und das ist eventuell das hereinstrahlende Licht aus dem Kosmos und die daraus entstehende Strahlkraft. „Welche Wesenheit lebt in diesem Licht?“ oder „Was will dieses Licht an Offenbarungen bringen?“, „Welche Dimension, welche Kraft hält es im Geheimen der Menschenherzen und im Geheimen des Weltalls bereit?“

Die Fragestellung, in dieser sehr allgemeinen Modellierung, fördert eine Zusammenziehung im sogenannten menschlichen Ätherleib und, wenn sie längere Zeit mit solider Konzentration bewahrt wird, entsteht aus dem Inneren des Menschen eine regelrechte Anziehungsdynamik, die auf die Richtung der Antwort verweist. Was geschieht im genaueren der menschlichen Reaktionen und welche Kräfte bedienen sich diesen Denk- und Vorstellungsprozessen? Es gesellt sich in diesem Sinne, oder noch besser ausgedrückt, es tastet sich langsam eine sogenannte Wesenheit an den Menschen heran, die man heute nicht mehr kennt und von der man aus alten Zeiten nur noch blasse Ahnungen überliefert hat. In den griechischen Einweihungsschulen war es tatsächlich noch der Fall, dass man diese Wesenheit als Gottheit beschreiben konnte. In früheren Zeiten bis hin zu den platonischen Schulen gab es für fortgeschrittene Aspiranten Initiationen, die schließlich diese Wesenheiten, die im Geiste und im Lichte leben, beschreiben konnten. Man musste in einem Schulungslehrgang sogar prüfungsmässig darlegen: „welche Wesenheit ist es“, „Wie sieht sie aus?“ Nicht nur die Ahnung, dass es sie geben könnte, sondern wie sie wirklich aussieht und welche Aktivitäten sie vollbringt, mussten früher Aspiranten einer geistigen Schule, wie es die platonische noch war, beschreiben. Es waren die Gottheiten, die eine Zeit später dann mit den Engeln und den Erzengeln bezeichnet wurden. Der in den griechischen Mysterien zu Initiierende konnte beispielsweise diese Wesenheiten als göttliche Trägerkräfte und Gottheiten erleben. Aus diesem Grunde gibt es viele ältere Überlieferungen, die von eigentümlichen Begebenheiten sprechen und die man in Unkenntnis zu damals in unserer heutigen Zeit eher als phantastisch bewertet.

Die griechische Kultur drang in das römische Reich herein und brachte sehr viele Schätze nach Sizilien. Die griechische Kultur drang sogar bis nach Ägypten vor. Künstler begannen in Ägypten in den Grabstätten von Ägypten zu arbeiten und Alexander der Große kam bis Luxor und hatte am Tempelbau Anteil. Die Initiationskulturen von Griechenland und Ägypten verschmolzen zu einem gewissen Grade miteinander. Die verschiedenen künstlerischen und kulturellen Impulse auf der Erde gingen jedoch von starken Initiationsbewegungen aus. Wie der Inder noch von den deva, den Gottheiten sprach, der Grieche noch von den Göttern, so beschrieben die christlichen Traditionen schließlich die Engel. Indem man die göttliche Wesenheit oder den Engel beschreiben musste, fand man eine Kontrolle darüber, ob derjenige, der Initiation suchte, richtig oder falsch lag. Selbst noch in der allerfrühesten christlichen Tradition mussten in den ersten Klöstern, die Äbte noch den Engel beschreiben.

Heute sind initiatorische Schulungsstufen vollkommen verblasst und man weiß in der Theologie und auch in den meisten Yogastätten nichts mehr von den höheren Wesenheiten, die am Menschenleibe ihre Arbeit verrichten. Soll man heute an Engel glauben oder soll man nur einmal eine Dreifaltigkeit anbeten und die Engel aus dem Schöpferplan als Phantasiegebilde streichen? Manche moderne, esoterische Personen „arbeiten“ viel mit den Engeln und bekunden ihre phantastische Arbeit. Für eine Initiationswissenschaft, die exakte Studiengänge sucht, erscheint leider diese moderne Engelsarbeit sehr konstruiert und darf als Maßeinheit für menschliche Entwicklungsfragen nicht zu Rate gezogen werden. Wenn man sich erlaubt den modernen Esoteriker, der mit dem Engel arbeitet, zu fragen, wie dieser denn aussehe, welche Größe, Dimension, Proportion er habe oder wie er mit dem menschlichen Denken in Verbindung steht, dann offenbaren sich bedrückende Beklemmungen und hilfesuchende Augen ringen verzweifelt nach einer Antwort. Die heutige moderne esoterische Szene macht sich die Arbeit zu leicht und dadurch entwickeln sich folgenschwere Irrtümer. Einem großen emotionalen Spiel mit vielen Verwechslungen von physischen, metaphysischen Energien und subjektivistischen Einbildungen wird die Türe geöffnet. Den Personen, die auf diese Weise arbeiten, fehlt die Schulungsgrundlage und das objektive Wissen über die tatsächlichen metaphysischen Ebenen. Heute fehlt die Bewusstheit über die körperfreie und körpergebundene Ebene des Daseins und deshalb kann ohne sorgfältige Schulung kein vernünftiges Ergebnis in der Erkenntnisbildung über die geistigen Welten entstehen. Früher war es aber infolge vereinfachter und körperfreierer Bewusstseinsdimensionen tatsächlich der Fall, dass Gesetzmäßigkeiten anhand des Engels oder des deva erschaut wurden. Dennoch aber hatten all jene Personen, die initiiert wurden, vorbereitende Studiengänge und Schulungserfahrungen.

Wenn man sich in höheren Erkenntnissen schult und die Gedanken für eine perspektivische Sicht für das kommende Jahr entwickelt, muss man auf solide und langsame Weise ein Gefühl für jene Seinsexistenz kreieren, dass Wesenheiten in der Weltenschöpfung warten und arbeiten. Diese Wesenheiten sind sehr sanft, da sie im freien Raume walten und aus diesem heraus etwas von dem Menschen wollen. In diesem Sinne ist das Wollen nicht ein Zwang oder eine besondere treibende Kraft, der der Mensch unabdingbar ausgesetzt wäre, es ist ein sehr feines, sehr schwerelos lichtes Weben eines Wollens, das an den Menschen zaghaft und doch durchdringend herantritt und das ihm so langsam eine gewisse Bewusstheit näherbringen möchte. Der Mensch lernt unbewusst in den Nächten von diesen höheren Wesenheiten. Indem er sich aber auch am Tag die nötigen Fragen stellt und eine Auseinandersetzung pflegt, mit den verschiedenen Entwicklungsstadien, die in der Möglichkeit des Erreichbaren oder spirituell wünschenswerten liegen, kommen diese deva– oder Engelkräfte besser zu ihrer ausformenden Inspiration. Sie können aber durchaus schon am Tage ganz leise und langsam eine Art Wahrheitsahnung und schließlich ein Wahrheitsfühlen anregen und es kann ein plötzlicher Augenblick der Gewissheit, Deutlichkeit und der Gefühlstiefe im Sinne einer Erkenntnis entstehen. Der Engel formt und weitet die Idee, die der Mensch denkt, zu einer konkreten Gewissheit über Wahrheit.

Der Gedanke als freie Subtanzialität

Die große philosophische Frage, ob ein Gedanke in einer freien Sphäre wirken kann, ob er frei vom Körper lokalisiert ist oder ob er vom menschlichen Gehirn abhängig ist und sogar aus dem menschlichen Gehirn produziert wird, hätte man sich in sehr frühen Zeiten nicht gestellt. Heute ist die Fragestellung vielleicht ungewöhnlich, aber sie ist wichtig. Bei genauer Betrachtung lokalisiert der Betrachter den Ursprung des Gedankens nicht im Gehirn, er ist nicht ein Produkt, das durch spezifische Synapsenschaltungen hervorquellen würde. Der Gedanke wird als weltengeistige Instanz oder – man kann es auch so sagen, wenn man ein Wesen damit benennt – als Substanzialität erkannt. Das war der Begriff, der früher öfters gebraucht wurde. Als Substanz, als Substanzialität wird der Gedanke genommen. Eine geistige Dimension, die Substanz besitzt und die durchaus frei vom Körper lebt, ist der Gedanke. Man kann sagen, dass diese Substanzialität gerade dann lebt, wenn eine Person nachsinnend oder planend tätig ist, wenn sie eine Idee mit ersten Skizzen niederschreibt, so lebt die Substanzialität des Gedankens schon ganz nahe an ihr, aber sie ist vielleicht noch nicht ganz angekommen und im Physischen integriert. In dieser Lokalisierung von oben nach unten und in einer entsprechenden Proportionalität der Größe könnte man den Prozess der Gedankenbildung, der ein geistiger Vorgang im Menschen ist, beschreiben. Existieren nicht die Beschreibungen, die einfach und intuitiv besagen, dass beispielsweise ein Gedanke noch sehr weit weg sei und der Gedanke noch keinerlei Form angenommen habe? Indem der Gedanke nicht als Produkt im Gehirn sondern als geistige Seinsexistenz erachtet wird, kann der Forschende sich diesen im ganzen Kontext der Betrachtung vorstellen. Der Gedanke jedenfalls wird regelrecht transportiert. Er transportiert sich nicht durch sich selbst, sondern er braucht eine gewisse lenkende und weisende Dynamik.

Jede Bewegung entsteht durch Kräfte, die jedoch real in der Weltenschöpfung vorhanden sein müssen. Das profane Wort der Energie wäre zu allgemein und dürftig um den geheimnisvollen Werdegang, wie eine Idee aus dem Weltenkosmos entspringt, zu erklären oder wie aus den Weisheiten der Mitmenschen ein Lernschritt zum eigenen Inneren des persönlichen Daseins gelangen kann. Die falschen Vorstellungen über das Gehirn mit all jenen Definitionen, die in der Summe besagen, es sei der Produktionsapparat für Gedanken müssen für diese Betrachtung vollständig eliminiert werden. Ein geistiges Wahrnehmen und Erschauen ist nur möglich, wenn der Gedanke als freie Entität betrachtet wird. Das Gehirn reagiert und lernt mit einer Steigerung seiner quantitativen und qualitativen Synapsenschaltungen, jedoch produziert es nicht aus sich heraus die sogenannte Substanzialität des Gedankens, denn diese ist Teil des äußeren Kosmos.

Was ist diese vermittelnde und bewegende Kraft? Das sind die ehemals genannten Götterwesen, die geistigen Wesen, die Engelwesen, die diese Vermittlung zwischen geistiger Welt und irdischer Welt einnehmen. Weil man diese in der katholischen Liturgie und des weiteren im Katechismus herausgestrichen hat und nur noch mehr oder weniger als künstlerische Ornamente in den Kirchen duldet, die aber eigentlich nicht mehr im Kontext der Lehre erscheinen und man sie in der ganzen Theologie eigentlich nicht mehr vorfindet, entstand konsequenterweise ein starkes monistisches System, das auf der einen Seite Gott und auf der anderen Seite den Menschen definiert. Der Mensch ist der Sünde verfallen, der Gott repräsentiert die Ewigkeit und das Heil. In der menschlichen Seelendynamik weiß man jedoch nicht, was man mit einem reinen klaren, konkreten Gedanken anfangen soll und man weiß naturgemäß auch nicht, wie ein Gedanke an den Menschen herankommen könnte. Die Initiationswahrheiten wurden mittlerweile aus den neueren philosophisch-religiösen Weltbildern und letzten Endes aus der ganzen Weltgeschichte eliminiert.

Die Prometheus-Sage und ihre Bedeutung für die geistige Entwicklung

Diese deva -Wesen, die sogenannten Götterwesen, hatte man damals als eine geistige Instanz real wahrgenommen und als solche intuitiv hellsichtig erlebt. Die Initiationsschulen waren bemüht, verschiedenste Einsichten in die Weltengeheimnisse und in das nachtodliche Leben zu gewinnen. Aus den griechischen Zeiten überlieferten sich diverse Sagen, die auf sehr lebendigen Betrachtungen beruhen, beispielsweise von Prometheus, der dem Menschen das Feuer, das unumstößliche Synonym für das Ich, brachte und der dann von Zeus zur Strafe an den Pfahl gekettet wurde. Zum Leiden des Prometheus kam der Adler oder Geier zu ihm. Unter Schmerzen wird dem Prometheus seine Leber zerhackt und genommen; das geschieht in der Nacht. Die Tiergestalten, wie der Adler oder der Geier, besitzen eine sich unterscheidende Bedeutung. Es gibt Darstellungen, in denen es nicht ein Adler sondern ein Geier ist, der dem Prometheus die Leber raubt. Der Geier wird als sehr tiefsinnige Tiersymbolik genommen. Seine Begierde nach dem Fleische ist dann in der Nacht besonders wirksam, wenn der Mensch tatsächlich dem begierdenhaften Leben unterworfen war. Dann kommt nicht der Adler sondern der Geier und hackt dem geketteten Prometheus die Leber aus dem Leibe. Der Geier wurde in diesen alten Initiationsweisheiten mit der Gier in Verbindung gebracht. Wo hält sich der Geier auf? Er hält sich am toten Körper, am Aas auf, während der Adler sich als edles Tier in den Lüften bewegt und wenn er sich dann in der Nacht zu dem Menschen gesellt, so nimmt er nur das überdurchschnittliche Wachstum, das in den Leberaufbauprozessen zentrifugal verströmend eintritt, hinweg. Die Sage beschreibt auf metaphysische Weise einen Evolutionsprozess der Menschheit und deutet auf ein organisches, immerfort stattfindendes Geschehen hin. Die Leber ist das Lebensorgan, das den Menschen zur Erde geneigt macht. So wusste man früher durch die Initiationen und die gesamten Bedingungen des Daseins, dass derjenige, der sehr begierdenhaft lebte, in der Nacht von einem anderen Wesen in der Leber bearbeitet wurde als derjenige, der etwas beschwingter und mit besseren Voraussetzungen lebte.

Mahatma Gandhi und sein Beitrag für einen gelungenen spirituell-sozialen Prozess

Die Inhalte der Sagen stammen aus einem geistigen Schauen. Wenn man nun zurückkehrend wieder auf die spannende Frage blickt, was das nächste Jahr bringen kann und soll, dann ist es ganz wertvoll, neben den Erwartungen der geistigen Wesenheiten auf eine besondere Seele zu blicken, die in einem ganz anderen Kontinent, in einem indischen Zusammenhang, in einem indischen, typischen Geistleben gewirkt hat. Diese Seele ist noch gar nicht so lange verstorben, nämlich die von Mahatma Gandhi. Er brachte die Dimension des ahimsa, der Gewaltfreiheit in eine Art politische Methodik und politische Bewegung, die ganz besonders in diesem Land ihren Ausgang nahm. Die Art politische Führung Mahatma Gandhis führte zur Befreiung Indiens von der englischen Vorherrschaft. Genauer ausgedrückt, führte sie nicht nur zur Befreiung sondern es wurde sogar die vollständige Unabhängigkeit durch gewaltfreien Widerstand durchgesetzt. Wenn man auf seine im Nachtodlichen existierende Seele blickt, so war sie hochaktiv tätig und konnte eine Idee so gut durchdenken und umsetzen, bis sie schließlich hinein im sozialen und politischen Leben Gestalt annahm. Mahatma ist aus zwei Wörtern geschrieben und zwar aus maha, das so viel wie groß heißt und atman, das nichts anderes als das Selbst darstellt. Gandhi war für das Volk die Verkörperung des Selbstes, das zu Erstaunlichstem fähig war.

Die Unabhängigkeitserklärung schenkt ein vorbildhaftes Beispiel in der Geschichte. Die Idee des ahimsa lebte als allgemeines religiöses Gebot in Indien und wurde mehr durch die Brahmanen vermittelt. Ahimsa heißt Gewaltlosigkeit, während himsa Gewalt in jeder Weise bedeutet. Durch die engagierte Tätigkeit von Mahatma Gandhi wurde diese Dimension nicht nur innerhalb der Brahmanenkulte praktiziert, sondern sie wurde bis in die Umsetzung des politischen Lebens transferiert. Viele Menschen beteiligten sich an den Demonstrationen und verehrten Mahatma Gandhi im Sinne eines weisen Menschen, der wusste, wie diese Bewegung schließlich zum Erfolg kommen konnte.

Die indische Kultur ist jedoch ganz anders als beispielsweise die deutschsprachige Kultur ausgerichtet. Europa ist nicht mit Indien vergleichbar, denn die mentalen Unterschiede sind außerordentlich groß. Man kann nicht unmittelbar mit gewaltfreiem Widerstand auf die Straßen gehen und sich zur Durchsetzung einer etwas befreiteren und friedvolleren Gesellschaft einsetzen. Sowohl die Ideen in ihrer Klarheit, als auch die Ideale mit ihrer möglichen präzisen Ausdrucksgebung für Frieden, Harmonie und Gleichberechtigung sind noch gar nicht gedacht und noch nicht Teil des Volksgutes. Man würde wahrscheinlich ein unnötiges verachtungsvolles Gelächter einsammeln und zuletzt würde sicher so manche Gewaltszene mehr zur Provokation gelangen. Klassifizierungen und verdeckte Verspottungen existieren in der westlichen Gesellschaft weitaus mehr, als beispielsweise in fernen Ländern. Es muss deshalb jede Kultur entsprechend dem, was in der Kultur selbst als Keimgut angelegt ist, tatsächlich zur Realisierung kommen.

Weitere Ausblicke auf das kommende Jahr und die Erwartungshoffnung der geistigen Welt

Die Zeit – was erfordert sie? Welche Ungetüme, Rätsel wird sie bereitstellen? Was wird das nächste Jahr zulassen und begrüßen? Es ist das kommende Jahr, wenn man es auch gar nicht mehr glauben mag, mit einer sehr dynamischen und eleganten Erwartung verbunden. Obwohl natürlich die Umstände von diesem Jahr nicht unbedingt, wenn man sie weiterdenkt, auf das nächste, hoffnungsvoll hinüberwirken, so ist dennoch aber für das nächste Jahr, wenn ich so objektiv bleibe wie nur möglich, eine außerordentlich gute Voraussetzung für Weisheit und für weisheitsvolle Gedanken und deren Weiterentwicklung gegeben. Für ein praktisches Denken, das nicht utopische Höhen entwickelt, sondern relativ freundliche aber konkrete und klare Bezüge herstellt, können außerordentlich gute Resultate erzielt werden. Die Michaels-Engelskraft, die zeitgemäß in diesem Jahrhundert die Führung besitzt, arbeitet gerade dorthin, dass der Mensch sich mit dem konkreten Denken klarer befassen lernt und mithilfe eines guten Vorstellungsvermögens emotionale und anderweitige schwere Strukturen überwindet. In diesem Denken, gepaart mit Weisheit, das nicht intellektualistisch sondern inhaltlich gehalten ist, das des weiteren empfindsam bleibt, lebt ein erstes Selbstgefühl. Der Einzelne, der im Stress des Alltages wie in einem Strudel reißenden Wassers wie haltlos dahin gleitet, findet durch dieses Denken mit empfindsamen Inhalten zu einer Selbstwahrnehmung und einer Selbstwertschätzung. Ganz besonders soll sogar dieses Jahr die Schönheit dieses einfachen aber doch gehaltvollen Denkens offenbaren. Diese Forderung ist vom Erzengel gewollt.

Wenn man den Erzengel in seiner Tätigkeit näher betrachtet, türmt er sich vor dem Menschen lichthaft ausdehnend auf und bleibt spielerisch leicht, fast etwas lächelnd. Gegenüber dem Antlitz des Menschen trägt er eine souveräne Sicherheit in sich. Feuer oder Feuergeist erstrahlt aus ihm und dieses möchte zum Feuer im Menschen werden. Würde man ihn in Worten sprechen lassen, so würde er folgende empfindsame Anweisung an das Ohr des Menschen richten: „Ich möchte Dir den Unterschied von Emotion und inhaltlichem Gespräch zeigen. Was ist schön im Leben? Was ist hässlich? Wie ist Deine Sprache, wie sind Deine Begriffe gewählt? Wie ist Dein Zueinander zu den Anderen? Welche Worte wählst Du und welche Gedanken verknüpfst Du mit Deinen gesprochenen Worten? Schön wird Deine Rede sein, wenn Du mit jedem Wort eine Wirklichkeit, die Du siehst, die Du erkennst und die Weisheit besitzt, beschreiben kannst und wenn Du auf diese Weise mit den anderen kommunizierst.“

Das inhaltliche Gespräch ist im Gegensatz zum emotionalen Austausch schön. Es unterscheidet sich des weiteren vom sogenannten Intellektualisieren. Der Intellektualismus, mit all seinen Machttendenzen, ist nicht mit einem im Zusammenhang stehenden, logischen, gut gewählten und beziehungsfreudigen Denken zu verwechseln. Das beziehungsfreudige Denken mit klar gewählten Begriffen, eruierten, wirklichen klaren Ausdrucksformen kann sich zur menschlichen Verbindung durch seine Weisheit selbst entwickeln. Es lebt eine Schönheit im Verborgenen der menschlichen Kommunikation und diese will durch ihre inneliegende und benannte Weisheit zur Erscheinung gelangen. Die Weisheit jedoch bedarf der menschlichen Regsamkeit und Beziehungsaufnahme.

Nicht in jedem Kommunizieren und Plaudern und auch nicht in jedem sogenannten geisteswissenschaftlichen oder auch nur wissenschaftlichen Vortrag lebt dieser Feuerfunke der Schönheit. Warum mangelt er in manchen Strukturen und erscheint jedoch wieder in anderen? Die Schönheit als Erscheinung und als bewundernswerte Anziehung entspringt nicht aus dem Quellbrunnen der Materie und auch nicht aus den materiellen glücklichem Gewinn, der in günstigen Augenblicken dem Menschen zuteil wird. Sie ist vielmehr das Ergebnis der feinen Eroberung des Geistes, der die Materie auf geschickte Weise berührt, sie verwandelt und verzaubert und sie dadurch in eine lichte Beziehungsqualität führt.

Der Erzengel möchte von dem Menschen – und das ist eine sehr künstlerische Anforderung –, dass er die Schönheit dieser Art Weisheitsentwicklung erleben und erkennen lernt und durch klare Inhalte, Gedanken, Begriffe, Vergleiche, Erwägungen, Prozesse im Sozialen und regsame Wahrheitsforschung fördert. Der Mensch und der Engel bilden im tiefsten Inneren eine freie und einmalige Symbiose. Jedoch nicht der Engel führt den Menschen, sondern der Mensch kann dem Engel seine so feinfühlig anvertraute und gestaltbildende Arbeit ermöglichen. Das kommende Jahr wartet auf diese Impulse und der Mensch sollte sich zu diesen Impulsen tatsächlich vorbereiten, damit er die Weisheiten, die aus der geistigen Welt erringbar sind, in den irdischen Zusammenhang und Dialog hineinführen lernt.

Die Gefahr zu dieser Forderung, die der Erzengel an den Menschen heranrichtet und die durch Weisheit und bewusste Auseinandersetzung vom Menschen beantwortet werden soll, besteht in all den modernen Elementen der Emotionen, die auf stärkste Weise Forderungen beinhalten und eine reine äußerliche Zufriedenheit erwarten. Früher hätte man den Idealisten und den Materialisten unterschieden und von beiden hätte vermutlich der Materialist die schlechtere Bewertung erhalten. Diese Unterscheidung ist jedoch für die Einschätzung des Gefahrenpotentials sehr ungeeignet, denn der Idealist kann ebenso ein Materialist sein und sich mit seinen vorgenommenen Ideen ganz der irdischen Welt verschreiben. Eine Unterscheidung zwischen Denken und Nicht-Denken, zwischen einem wirklichen Fühlen und einem Nicht-Fühlen und einem gesunden Wollen, das in einem Gegensatz zu einem Nicht-Wollen steht, kann eventuell das Zeitgeschehen am deutlichsten skizzieren. An die Stelle des Nicht-Denkens, Nicht-Fühlens und nicht Wollens treten mächtige kollektive Emotionen und ersetzen oder kompensieren das Seelenleben des Menschen. Die Engelskräfte, die zur Weisheit und Formgestaltung der Entwicklung beitragen, können nur an den Menschen herantreten, wenn dieser inhaltliche Denkprozesse, beziehungsfreudige Empfindungen und zielstrebige Willensimpulse entwickelt. Die Selbstaufgabe in einem Nicht-Denken, Nicht-Fühlen und schließlich auch in einem Nicht-Wahrnehmen der Wirklichkeit wird von vielen Menschen immer größer und dadurch entstehen Kollektivvereinnahmungen. Ein großes, nicht mehr rational nachvollziehbares emotionales Potential bestimmt heute den Menschen und trägt zu Kalamität bei. Das heutige Harmoniebedürfnis kann zur größten Entwicklungsverneinung führen und jegliche Weisheit, die auf den Menschen wartet, zurückwerfen. Tatsächlich werden bereits in den vergangenen Jahren all diejenigen Menschen ausgegrenzt, die ein rationales Bewusstsein auf einem Fachgebiet anstreben. Die Entwicklung ist deshalb in letzter Konsequenz nicht von den Göttern abhängig, wenn man es gemäß dem vorausgegangenen Kontext ausspricht, sondern von dem, was der Mensch aus dem Gesamten macht.

Die Bedeutung Mahatma Gandhis für den Westen

Gandhi suchte ein großes politisches Interesse durchzusetzen, das er für das Land und die Befreiung Indiens notwendig erachtete. An diesem Beispiel sieht man, dass es im Falle der Abhängigkeit eine Unabhängigkeit zum Durchsetzen gibt. Führt man nun dieses Beispiel von Gandhi weiter und überträgt es auf das westliche, übertechnisierte und überprogrammierte Leben, kann der Einzelne tatsächlich an der Gesellschaft und an der gesamten seelischen Kultur wirksam mitarbeiten. Die Unvollkommenheiten sind nicht wenige und ein Lamentieren über die Missstände und über alles Törichte gibt dem Engel noch nicht die Nahrung zu einer erbauendenen Ideengestaltung und idealen Umsetzung. Es fehlt heute an realen Ideen und deren Gedankenvertiefung zu Weisheit und praktischer Umsetzung.

In Europa wäre die Durchsetzung einer Unabhängigkeit nicht von großem Interesse. Europa möchte Ideen und Ideale denken und verwirklichen. Der einzelne Bürger trägt in seinem Inneren diese Aufgabe und er möchte sie in kleineren mittleren und größeren Zügen verwirklichen. Während durch Gandhi eine Bewegung in kollektiver Verbundenheit mit dem Volk gegen die Regierungsgewalten aufstand, so möchte in Europa das einzelne Individuum eine ständig fortschreitende weisheitsvolle Realisierung entwickeln, und von dieser ausgehend die Atmosphäre und Kulturkraft beleben. Die Gewaltfreiheit nimmt deshalb durch die individuelle Beziehungsstruktur, die sich im einzelnen Bewusstsein aktiv heranbildet, seinen weiteren Verlauf zu einer Metamorphose. Jemand, der in Beziehung steht und individuell durch Inhalte gegründet ist, meidet die Gewalt und trägt zu Zufriedenheit bei. Wer jedoch nicht in Beziehung steht und keine Inhalte zu denken vermag, wird sehr leicht zum Opfer des emotionalen Zeitenstromes.

Gandhi ist für die westliche Kultur eine wichtige Person, denn er brachte die Gewaltlosigkeit im Sinne einer Kollektivbewegung in die Politik. Die Idee ahimsa, die Gewaltlosigkeit, wurde auf einer größeren Ebene umgesetzt. Sie ist ein Teil der Geschichte geworden, eine Geschichte, die sich im Osten ereignete und dennoch auf den Westen herüberstrahlt. Die Seele von Mahatma Gandhi trägt eine unausgesprochene Kraft zu Mut und besitzt urbildlich selbst eine Dynamik zu größerer Freiheit und Weisheit. Man denke nur einmal an Gandhi, so wird man in sich, im Leibe, ein leises Erwachen einer außerordentlich dynamischen Kraft verspüren. Eine Seele bleibt nach dem Tode in ihrer Kraft wirksam. Die westliche Mentalität sehnt sich nicht nach einer kollektiven, großen Befreiungsbewegung. Vielmehr besteht ein außerordentlich tiefes Bedürfnis nach Weisheit und deren Umsetzung, nach künstlerischen Ideen und deren Ausgestaltungen. Das einzelne Individuum will sich durch die möglichen Weisheiten, die es erwirbt, verwirklichen und will von diesem Standpunkt ausgehend die Gesellschaftsformen verbessern. Hier im Westen existieren jene Formen, die sich in der äußeren Nachfolge zu einem bestimmten Guru oder zu einer großen Persönlichkeit wie Gandhi nicht entwickeln würden. Der Einzelne kann nicht auf einen besseren Politiker oder auf einen weisen Sozialreformator warten. Ein Fortschritt im sozialen und kulturellen Leben entwickelt sich nicht deduktiv, sondern induktiv und deshalb aus dem einzelnen Individuum und seiner erlangten sowie umgesetzten Weisheit. Diese individuelle Umsetzung von weisheitsvollem Gedankengut brachte Mahatma Gandhi am Beispiel ahimsa und kommunizierte es mit dem Volk. Was oder welche Weisheit kann ein einzelner Bürger auf seinem Gebiet kommunizieren und in einen größeren Dialog stellen? Welche Missstände bekundet heute der Bürger? So wie sich jemand an Abhängigkeiten gewöhnen kann und deshalb Freiheit und Unabhängigkeit nicht mehr kennt, so hat sich vielleicht der westliche Bürger an seelische Armut und einseitige unschöne Lebensbedingungen gewöhnt. Gleichzeitig dürfte dem westlichen Bürger die tiefe Sehnsucht nach Spiritualität und deren großartige Möglichkeiten zu einem freieren Denken, Fühlen und Handeln abhanden gekommen sein. Jeder, oder zumindest fast jeder Bürger weiß, dass die Kirche keinerlei Spiritualität transportiert und sie mehr oder weniger nur ein Schandmal von unchristlichen und untragbaren Handlungen darstellt. Die Gewohnheiten des Menschen und seine Bequemlichkeiten verführen ihn zu rituellen Zeremonien, an die er selbst nicht glaubt. Wenn Mahatma Gandhi eine Anstrengung unternahm und ahimsa zu einer großen Bewegung entfachte, so muss heute der einzelne Mensch auf induktive und mutige Weise Ideen denken, Ideale entwickeln und diese mit Weisheit umsetzen.

Das Herz als Mitte und Basis spirituellen Strebens

Die Ebene, die der einzelne Bürger auf diese Weise festigt, ist diejenige des Herzens. Das Organ in der Mitte des Menschen pulsiert zwischen den Gedanken, die der Einzelne denkt und den Willenskräften, die aufgrund von den gedachten Gedanken in die Geburt gelangen. Die Wahrheiten werden in der Zukunft nicht nach katholischen, evangelischen, anthroposophischen, orientalischen Weltbildern oder auch nicht nach dem sogenannten neuen Yogawillen definiert werden, sondern nach den individuellen möglichen Weisheiten. Diese jedoch sind auf allen sozialen religiösen, juristischen oder politischen Ebenen möglich. Der Einzelne braucht einen großen Mut, um gegen die fesselnden Zeitbedingungen anzutreten und eine höhere Weisheit in die individuelle Gestaltung umzusetzen. Der Mensch gründet sich auf diese Weise in seinem Individuum, in seinem Herzen und bleibt auf diese Weise dennoch den universalen Weisheiten treu.

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