Gesundheitsfördernde und schädigende Wirkungen von Übungen

Annäherung an den Begriff der Gesundheit

Arikel von Heinz Grill

Die Weltgesundheitsorganisation definiert seit 1948 den Begriff der Gesundheit als einen „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“

In der Folge dieser sehr allgemeinen Definition spricht die WHO verschiedene Lebensbereiche an, wie beispielsweise das intime Beziehungsleben oder das psychische Wohlbefinden, erörtert diese innerhalb der gesundheitlichen Fragen und will auf diese Weise das gesunde Verhaltensniveau des Menschen erhöhen.

Die heute vielseitig angebotenen Yogakurse platzieren sich bei Bildungseinrichtungen unter der Rubrik der Gesundheit. Allgemein besteht die weit verbreitete Meinung, dass alle Arten von Yogaübungen, wenn sie in einem vernünftigen Maße betrieben und nicht unter Leistungsdruck gelehrt werden, außerordentlich günstige Resultate für das Wohlbefinden des Menschen herbeiführen. Diese Meinungen berufen sich zunächst auf die Erfahrungen, die der Einzelne im Kurs für sich gewinnt und die ihm in den meisten Fällen ein subjektives Gefühl von einer Steigerung der psychischen und physischen Spannkraft erleben lassen. Des Weiteren existieren verschiedene zum Teil sogar wissenschaftliche Bestätigungen, die durch Messung von Hormonwerten, der Herzfrequenz oder des Blutdruckes sehr beeindruckende Ergebnisse liefern. Ebenso wird es für den Praktizierenden möglich, Medikamente zu verringern, ganz besonders die so viel gebrauchten Schlafmittel. Fast immer lässt sich bei den praktizierenden Teilnehmern eine Gewichtsreduktion feststellen.

Grundsätzlich lernen Personen, die Yogakurse besuchen, eine bessere Umgangsart mit Verspannungen und allgemein mit Stressbedingungen des Alltags. Manche Gefühle, die als depressiv oder ganz gegenteilig als aggressiv zu bezeichnen sind, lassen sich durch die verschiedensten Übungen, ganz besonders durch die Körperübungen, aber auch durch bestimmte Konzentrationsverrichtungen, in günstigere Steuerungen führen, so dass nicht nur der Körper, sondern auch das Gemüt eine wesentliche Unterstützung erhält.

Für eine einfache Betrachtung des Begriffes der Gesundheit bedarf es zunächst wohl keiner weiteren verkomplizierenden Überlegungen, denn, wenn es Übungen gibt, die dem Menschen eine Steigerung des Wohlbefindens vermitteln, ihm mehr Konzentrationsfähigkeit und Wachheit für den Alltag schenken und ihm sogar eine Konditionierung gewähren, die ihm erlaubt, auf schädliche chemische Medikamente zu verzichten, so gibt es kaum ein Argument, das gegen die Praxis von Yogaübungen und ähnlichen Aktivitäten spricht.

Nicht immer fördern spirituelle Übungen das gesamte Spektrum der Gesundheit

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Übungen, die der Yoga hervorbringt, auch unter einem kritischen Argument stehen, vor allem wenn man die seelische, geistige und die soziale Entwicklung des Menschen betrachtet. Zum Yoga zählen Atemübungen wie pranayama, Körperübungen in verschiedenen Schwierigkeiten, die mit dem Begriff asana benannt werden, verschiedene Verrichtungen, die die Sinne zu bestimmten Konzentrationsprozessen lenken und schließlich allgemein Meditationsübungen. Nicht immer fördern diese Übungen das gesamte Spektrum der Gesundheit, sondern es können über lange Sicht praktiziert große Einseitigkeiten, vulnerabilitäre Tendenzen und Beziehungsverarmungen mit sozialen Defiziten entstehen. Zum Erfassen des Begriffes der Gesundheit dürften wohl die allgemein verwendeten Begriffe psychische und physische Gesundheit nicht alleinig ausreichen, denn diese, wenn sie gegeben sind, müssen noch nicht das seelische und geistige Entwicklungspotential des Menschen umspannen. Die Praxis mit Yoga besitzt die erstaunlichste Versuchung, dass sich der Praktizierende durch Abschirmungen gegenüber dem Beziehungsleben nach außen und sozialen Verpflichtungen zu einem gewissen Grade immun machen kann und sich in ein heimliches egoistisches Verhalten einlebt. Schließlich muss die subjektive Einschätzung des Praktizierenden selbst, die meist in der Erfahrung einer gesteigerten Vitalität beruht, nicht unbedingt das Paradigma für die Richtigkeit des Übens und die daraus resultierenden bleibenden gesundheitsfördernden Werte darstellen.

Nach einer sehr weit gefassten seelischen und geistigen Betrachtung existiert eine Gesundheit nicht als statische Komponente, die einmal erreicht werden könne, sondern das Wohlbefinden und das intakte psychische und physische Funktionieren befindet sich beständig in einem labilen und sehr schnell erschütterbaren Zustand. Obwohl es gesündere Tage mit einer subjektiv wahrzunehmenden stärkenden Lebenskraft gibt, so existiert im gleichen Maße die so schnell überhand nehmende Erfahrung der anderen Seite; die des Abbaues, die einer schwankenden Labilität und Anfälligkeit, einer Vulnerabilität oder das Gefühl von Entzündungen, Schwäche, Müdigkeit und schließlich das so häufig anzutreffende Phänomen des nervlichen Verausgabt-Seins mit allerlei Überforderungstendenzen. Die Gesundheit ist wie eine besondere soziale Selbstverpflichtung, die durch den Menschen und seine Bemühungen, seine Aktivitätsleistungen und seine gewählten Verhaltensformen an jedem Tag neu und wiederholt herzustellen ist.

Bei genauer Betrachtung der Weltensituation, mit der nicht zu übersehenden Umweltvergiftungen durch Abgase, dem hektischen Getriebe in den Großstädten, der unheimlichen Leistungsanforderungen für junge Heranwachsende und schließlich der nervlichen Anforderungen, die die Computerzeit gibt und nicht zuletzt die unsichtbare Belastung durch hochfrequente Handystrahlung, ist es durchaus verwunderlich, dass es überhaupt noch Menschen gibt, die es am Morgen schaffen, aufzustehen, zur Arbeit zu gehen und die schließlich ihr Tagwerk noch bewältigen können.

Den Außeninflüssen produktiv zu begegnen fördert Gesundheit

Die Gesundheit, nach einer wohlerwogenen Betrachtung, bildet die Fähigkeit des Menschen, sich gegen die zerstörenden Einflüsse, die es überall gibt, produktiv aufzurichten, nicht nur zu wehren, sondern sogar daran zu einem gewissen Grade zu wachsen, den Missständen, Aggressionen oder unpässlichen Einflüssen zu begegnen und schließlich auf allen Ebenen, zunächst auf der körperlichen, sodann auf der seelischen und zuletzt auf der geistigen Ebene, eine deutliche Aufbaukraft herzustellen. Die zerstörenden Kräfte zeigen sich auf einfachste Weise bereits in den unrhythmischen Schwankungen von Hitze und Kälte, die wechselweise auf den Menschen einwirken und denen er mit einer variablen Ausgleichskraft sowohl seines Körpers als auch seines Gemütes als auch seiner gesamten Einstellung begegnen muss. In früheren Zeiten waren diese Klimaschwankungen noch nicht in einer derartigen Misslichkeit wie heute, obwohl es früher ebenfalls sehr stürmische, kalte Tage und schließlich auch wieder sehr heiße Tage gegeben hat.

Auf der körperlichen Ebene benötigt der Einzelne die natürliche Stärke gegen Hitze und Kälte, er muss diese ausgleichen, ihnen mit der eigenen Körpertemperatur begegnen. Des Weiteren schenkt ihm ein gesundes Rückgrat eine Stabilität für die verschiedensten Aktivitätsleistungen und ein intaktes Nervensystem gewährt eine sensorische Ruhe, während ein trainierter und stabiler Stoffwechsel zu einer günstigen Abwehrkraft und allgemeinen Regenerationsfähigkeit beiträgt. Die sozusagen rein körperliche Gesundheit benötigt das Wechselspiel von Schlaf und Aktivität, Ruhe und Einsatz, gesunde Ernährung, Atmung und Bewegung, und sie benötigt aber mit all diesen Komponenten eine sehr klare Weisheit in der Seele und Führungskraft des sogenannten Selbst oder des Ich des Menschen. Die körperliche Gesundheit dürfte wohl mehr als es zunächst innerhalb der physischen Bedingungen sichtbar ist, von der seelischen und geistigen Haltung des Menschen mit beeinflusst sein.

Wenn die Wahrnehmung zu sehr versunken oder im Subjektiven haften bleibt, fehlt der gesunde Beziehungsaufbau nach außen

So wie das Immunsystem als das körpereigene Abwehrsystem Toxine und unverwertbare Stoffe nach ihrer Eigenart identifizieren, integrieren, die einen ausscheiden, die anderen beleben muss, so muss im gleichen Maße das Seelenleben die Fähigkeit erlangen, alle Beziehungsverhältnisse im Leben nach bestmöglichen konstruktiven Verhältnissen zu ordnen und auf diese Weise lernfähige Aufbauschritte und Möglichkeiten der wachsenden Sympathie herzustellen. Die Werte des Konsums und Nützens dienen dem Seelenleben nicht, ganz im Gegenteil, sie schaden dem gesunden Empfinden und Fühlen und sie wären genau genommen ausscheidungsbedürftig und durch höhere Werte, wie diejenigen der bewussten aktiven Auseinandersetzung, des Forschens und Kennenlernens einer Sache, des interessierten Teilnehmens und schließlich der wirklichen Beziehungsfreudigkeit zu ersetzen.

Auch hier kann man nicht von Freiheit sprechen

Auf der geistigen Ebene benötigt der Mensch die größtmögliche Freiheit und hierzu kann er nicht umhin, als dass er ein Gefühl für das Selbst, ein Wissen um das Selbst und schließlich eine wachsende Erfahrung des Selbst entwickelt. Wieviele Menschen gibt es heute, die an der Krankheit einer Ideologie leiden und dabei jedoch körperlich gesund sind. Die moderne Zeit offenbart sehr atypische Krankheiten, denn der ehrliche Bürger leidet unter dem epidemischen psychopathischen Virus, dass sich viele Personen durch geschickte Manipulationen der Energien anderer bedienen. Der Ausspruch „Ich bin eine ehrliche Person und deshalb habe ich vor Gericht meine Prozesse verloren“ zeigt die wirkliche Krankheit und den moralischen Verfall in der materialistischen Kultur. Menschen, die sich der Lüge und der Energien bedienen können, scheinen wie immun gegenüber Krankheiten zu sein. Der Yoga kann, wenn er mit falschen Einstellungen praktiziert wird, dabei sei nicht ein Entspannungs- oder Ausgleichstraining gemeint, sich vor den eigentlichen Fragen der sozialen und moralischen Kultur abschließen und in einer subjektiven emotional gebundenen Scheinwelt aufgehen. Trotz einer Steigerung von körpergebunden Gefühlen und der daran orientierten Gesundheit reduziert sich auf unbemerkte Weise das Verhältnis des Seelen- und Geistlebens und der einzelne Mensch folgt trotz vielfachen Übens des Yoga einer wachsenden Illusion und bringt in Wirklichkeit ein dissoziatives Leib-Seeleverhältnis hervor.Der Begriff der Gesundheit benötigt zu seiner Erfassung eine lebendige Dynamik, die die Erkenntnis einer geistigen Wirklichkeit und seelischen Tiefe in die Betrachtung mit hinein nimmt. Obwohl zunächst die Gesundheit eine individuelle Einzelangelegenheit darstellt, darf sie nicht nur auf das Individuum ausschließlich bezogen werden. Wie kann jemand überdurchschnittlich gesund sein, wenn die gesamte Welt in einem hoffnungslosen Überspanntsein liegt? In ganz besonderer Weise müsste derjenige, der Yoga unterrichtet, sich mit dem Gesundheitsbegriff auf vielfältige und integrativ taugliche Weise auseinandersetzen. Geistige Gesundheit kann eigentlich nicht nur ein psychisches Wohlbefinden darstellen, es stellt mit seiner moralischen Anforderung mehr dar und ist vielleicht sogar von manchen Phasen des psychischen Wohlbefindens unabhängig. Die Übungen des Körpers und die verschiedenen Techniken zur Meditation können mit einer dynamisch verlebendigten Betrachtungsweise in weiter gefassten Lehrschritten das heute in Esoterik- und Yogakursen so übliche Konsumprinzip übersteigen und nicht nur eine körperliche Gesundheit, sondern eine größtmögliche seelische Reife und geistige Freiheit erzeugen, die die physische Gesundheit in letzter Konsequenz zum Aufbau führt.

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