Von Heinz Grill
Grundsätzlich bilden die Sorgfalt und die richtige Ausprägung der geistigen Disziplinen den besten und sichersten Schutz vor all jenen Entartungen, die sich in Länderkämpfen und kriegerischen Auseinandersetzungen zeigen. Die Kapazität, die ein einzelnes Individuum zu einem bewussten Aufstieg seiner Moralität und seiner menschlichen, seelischen und sogar auch physischen Qualitäten entwickelt, strahlt friedfertig in die Weltenschöpfung hinaus. Wie ein kleines feines Licht der empfindsamen Sanftmut erstrahlen die Seelen in die Welt hinaus, die sich einer Entwicklung zielstrebig und mit größter Bemühung um Wahrheit hingeben.
Es ist die Frage, warum es Krieg gibt, nicht leicht zu beantworten. Die verschiedensten Geistströme und geistigen Disziplinen sprechen nicht ganz umsonst davon, dass die marshaften Zeiten heute vorbei sein müssten und die eiserne Gewalt mit Waffen nicht mehr zeitgemäß sei. Dennoch drängen sich in wachsendem Maße die Gewaltaktionen in verschiedenen Ländern auf und werden scheinbar von der Welt unterstützt. Die politische Auseinandersetzung zum Kriegstreiben scheint irrational und nicht mehr nachvollziehbar.1) In der griechischen Mythologie ist Alecto eine der drei Furien, die im Auftrag der olympischen Gottheiten die Nationen mit allerlei Intrigen zu Krieg aufstachelt, und dies vor allem dann, wenn Menschen ihre geistigen Pflichten vernachlässigen. Die Furien erfüllen die Aufgabe, die göttliche Ordnung, wenn sie verletzt wurde, wiederherzustellen.
Für die geistige Wissenschaft ist die Selbstprüfung in kritischer und konkreter Analyse bedeutungsvoll. Es ist wahr, dass eine mangelnde oder vollkommen fehlgesteuerte Entwicklung des Menschen zu größeren Missständen in der Gesamtlage der Welt führt. Braucht man, so kann man die Frage stellen, nicht das Unglück von anderen, um sich selbst in seinem Wohlstandsgemüt scheinheilig zu rechtfertigen und seine eigenen Unterlassungen im Sinne von wirklicher moralischer Haltung zu kompensieren?
Man kann sich darüber hinaus die Frage nach der allgemeinen Weltlage stellen: Wer oder welche Nationen, Wirtschaftssysteme oder Obrigkeiten gewinnen durch den Krieg und durch die Unterhaltung von allerlei Konflikten?2) Der römische Philosoph, Anwalt und Politiker Cicero war nach der Überlieferung der Erste, der die Frage nach dem cui bono, also nach dem Nutznießer eines Ereignisses, gestellt hat. Mit diesen prüfenden Fragestellungen, individuell und allgemein, lässt sich relativ leicht erkennen, dass es immer zu Kriegen kommen muss, wenn bestimmte Länder an ein Ende ihrer Kultur gelangt sind, wenn wirtschaftliche Nöte von den eigenen Krisen ablenken sollen und andere Menschen fernab dafür verantwortlich gemacht werden.
So wie es kollektiv ist, erscheint es bei näherer Betrachtung gleichzeitig individuell. Eine geistige Strömung beobachtet die Ströme in der Welt, aber sie setzt nicht bei Verurteilungen anderer oder eines Kollektives an, sondern sie beginnt in höchstem Interesse mit der eigenen Selbstreflexion und der daraus resultierenden Entwicklung zu einer größtmöglichen Bewusstseinsarbeit im Sinne eines persönlich-moralischen Aufbaues. Die Entscheidung gegen den Krieg liegt durchaus in der Fähigkeit, den triebhaften Willen zu läutern.
Man könnte nun für den Frieden beten oder auch für gute Verhältnisse meditieren. Oder man sendet Friedenstauben aus. Wie weit aber geht der einzelne Mensch mit sich selbst in das Gericht und prüft seine Motive, die tief im Untergrund liegen? Sind es nicht häufig die eigenen Ängste, die die Antriebskraft zu Friedensgebeten geben, sodass man noch gar nicht annähernd in der Bewusstheit der Wirklichkeit der anderen und leidenden Menschen angekommen ist? Solange man in der schönen, bequemen und unattackierten westlichen Welt lebt, lässt sich manches Urteil unsolide über die anderen fällen.
Der beste Beitrag zur Friedensarbeit liegt in der Selbsterkenntnis, die alle antimoralischen Gedanken in die Verbannung sendet und sich klaren Zielen mit Sinn und Bedeutung hinwendet. Psychopathische Strukturen mit verschiedenen Graden der Ausprägung bedeuten nichts anderes, als dass sich das einzelne Individuum auf Kosten von Energien anderer durch das Leben hindurchlügt. Gerade jene, die mit dem Finger auf den Bösewicht zeigen, müssten am meisten diese radikale Selbstkritik in sich als ersten friedvollen Baustein gründen, denn diese Menschen senden nicht Frieden, sondern wahre seelische Hungergefühle in die Welt hinaus, und in diesen entzünden sich wachsende Konflikte. Wenn jemand beispielsweise ausdrückt, dass er den großen Crash erwartet, weil er dann sein eigenes Wirtschaftssystem manifestieren kann, wartet er auf Zusammenbrüche und insgeheim sogar auf Krieg. Jene Kräfte, die im Menschen zutiefst den Egoismus manifestieren und seinen Willen unbewusst dirigieren, sind, wenn sie nicht ausreichend geläutert werden, kriegstreibende Kräfte.
Neben dieser Selbstreflexion kann sich der Einzelne vergegenwärtigen, welche Opferleistungen er für eine gesunde Entwicklung bereit ist einzubringen. Wartet er ab oder geht er eine Aufgabe an, die eine sinnvolle und positive Leistung in die Welt bringt? Wenn man Rentner ist, darf man sich ausruhen. Ist diese bequeme Indifferenz aber für den Menschen, wenn die Welt explodiert, zuträglich? Worin liegen die Aufgaben und Leistungen, die ein Mensch positiv in die Schöpfung bringt? Wenn Anhänger der Sri-Chimnoy-Bewegung Marathons laufen und diese dem Frieden widmen, bewirken sie durch diese Disziplin einen ersten elementaren Ausgleich zu den Polaritäten. Vielleicht sind dies noch kleine Opfer, aber sie stellen einen Egoismus zumindest in eine kleinere Nische des Daseins. Alle Entwicklung, die ein Opfer im Aufstieg des Bewusstseins und der menschlichen Qualitäten bewirkt, spendet einen Millimeter des Friedens. Deshalb kann man beispielsweise mehr für betroffene Länder leisten, wenn man sich in vollster Ernsthaftigkeit, Ehrlichkeit und unerschrockener Selbstkritik übt, als wenn man äußerlich anklagende Parolen schwingt oder in eitlem Gerede für sich selbst das Gute beansprucht und mit dem Finger auf das Schlechte in der Welt zeigt. Wenn nur ein kleiner Teil der Menschheit seine eigenen Psychopathologien korrigieren würde, könnte sich im Stillen der Lebenskräfteverhältnisse ein besseres Gleichgewicht im Dialog mit den verschiedenen Nationen ergeben. Tief sind die Ursachen, die zu Krieg beitragen, in den menschlichen Seelen durch die erlittenen Traumata und mangelnden Entwicklungen eingegraben und setzen sich nun fort zu weiterer Missgeschicklichkeit. Am besten ist es, man verbietet sich jegliches Jammern und ganz besonders das so sehr aufgesetzte Opfergetue, denn es beinhaltet im wahren Urgrund eine Anklage gegen andere. Es ist günstig, die eigenen Fähigkeiten und die bewussten besten Qualitäten der Seele zu entwickeln, weit hinaus über das drückende Ego, damit diese im Aufstieg einer gesunden menschlichen Leistung still in die Welt hinausstrahlen und so manche günstige Vorhersehung geben.

„Lügen können Kriege in Bewegung setzen, Wahrheiten können hingegen ganze Armeen aufhalten.“
Foto: Julien Then, Wikimedia Commons

Zeichnung: Konstanze Reiner-Friedl

Zeichnung: Josefo

Foto: Bhashwar Hart
Anmerkungen
⇑1 | In der griechischen Mythologie ist Alecto eine der drei Furien, die im Auftrag der olympischen Gottheiten die Nationen mit allerlei Intrigen zu Krieg aufstachelt, und dies vor allem dann, wenn Menschen ihre geistigen Pflichten vernachlässigen. Die Furien erfüllen die Aufgabe, die göttliche Ordnung, wenn sie verletzt wurde, wiederherzustellen. |
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⇑2 | Der römische Philosoph, Anwalt und Politiker Cicero war nach der Überlieferung der Erste, der die Frage nach dem cui bono, also nach dem Nutznießer eines Ereignisses, gestellt hat. |