Ideale Meditationshaltung

Artikel von Heinz Grill

Padmasana, die klassische Yogastellung, heißt in wörtlicher Übersetzung „Position des Lotus“. Die Lotus-Pflanze erscheint ähnlich wie die Seerose, die mit ihrer Wurzel und dem Stängel aus dem schlammigen Wasser aufsteigt und an die Wasseroberfläche einen wunderbaren, offenen, weißhellen oder rosafarbenen Blütenkelch erhebt.1) Interessant ist, dass die Blätter des Lotus die Besonderheit aufweisen, flüssigkeitsabweisend zu sein, sodass beispielsweise Wasser einfach abperlt. Dadurch bleiben die Blätter stets sauber und es können sich keine Pilze oder andere Organismen auf ihnen ausbreiten, die der Pflanze schaden könnten. Dies nennt man den Lotuseffekt. (Quelle: Wikipedia) Die Lotusblüte offenbart ein Sinnbild für die Meditation und will jene erstaunliche Gliederung von den dunkleren oder körperfixierten Anteilen, zu der hellen, lichten und freien Wirklichkeit, die die Blüte signalisiert, aufzeigen.

Für jede Meditation sollte eine feste Sitzhaltung die natürliche ruhige Basis, in die sich der Körper einfügt, bilden.2) Patanjali fasste in den Yogasutra das Wissen des Raja Yoga zusammen. Im Vers II.46 heißt es:
sthira-sukham-āsanam, deutsch: „Die Sitzhaltung soll fest und angenehm sein.“ (Siehe auch die Übersetzung der einzelnen Sanskritwörter dieses Verses bei Yoga Vidya)
Ältere Personen können einen Stuhl nehmen. Wichtig ist vor allem, dass die Wirbelsäule ohne Anlehnen aufrecht gehalten wird und das Haupt frei bleibt. Sekundärquellen der Anthroposophie bezeichnen die Lotushaltung als eine sogenannte luziferische Haltung, das heißt, als eine weltenflüchtige, zu sehr dem Kosmos hingeneigte Position, da die Fußflächen auf ganz ungewöhnliche Weise nach oben zeigen, während bei der Sitzhaltung auf einem Stuhl die Fußflächen am Boden ruhig haften. Diese Detailunterscheidungen sind aber nicht das Wesentliche. Die Lotushaltung schenkt von allen Körperstellungen, die es im Yoga gibt, die natürlichste energetische Zentrierung und deshalb gibt sie jeder Meditation eine freie und offene Beziehungsgrundlage. Wenn der Körper im Lotus ruht, in sich gesammelt ist, gleichsam wie ein Wasser, das ruhig in einem Teiche eine natürliche idyllische Sphäre schenkt, können sich die Gedankenkraft und Konzentration leicht und frei erheben. Diese feinen gesammelten Ströme geben dem sogenannten Ätherleib, den Lebenskräften des Menschen, eine optimale Grundlage. Anthroposophisch orientierte Personen, die den Boden meiden und einen Stuhl bevorzugen, täten aber dennoch sehr gut daran, wenn sie die Körperhaltung auf dem Stuhl auf eine einigermaßen gesammelte Basis bringen, den Rücken wirklich aus der Kreuzbeinregion, aus der Mitte und mit dem gesamten Brustkorb gut aufrichten, sodass das Haupt wie getragen erscheint.

Die Beobachtung der Stirn bei ruhig aufgerichtetem und gesammeltem Körper und entspannt frei fließendem Atem schenkt nach einiger Zeit eine sehr sensitive Wahrnehmung. In dieser Stirn ist das sogenannte dritte Auge oder fachlich ausgedrückt das sogenannte ājñā-cakra3) Das Sanskritwort ājñā heißt so viel wie „Kommando oder Befehl“ und will das Zentrum an der Stirn als die oberste Befehlsstelle des Bewusstseins oder Astralleibes markieren. (Heinz Grill: Die 7 Lebensjahrsiebte und die 7 Chakren, S. 138 ff.) latent angelegt und wenn es bewusster erlebt wird, führt dies bereits zu einer ersten Ruhe. Indem nun der Übende sich eine ganz klare bildhafte Vorstellung eines spirituellen Inhaltes vor die Stirn hinstellt, die Vorstellung betrachtet und länger eine freie Konzentration ausübt, bemerkt er bald, dass er sich die Fähigkeit aneignen kann, das Denken und die Objekte des Gedankens zu beobachten und diese schließlich in eine Richtung zu steuern. Die Augen können am besten ohne viel umherzuschweifen offen bleiben, damit unbewusste Müdigkeitsattacken oder träumende Bilder nicht aufkommen.

Für die Meditation ist es bereits wertvoll, wenn der Körper gesammelt zur Ruhe kommt und das Haupt zu einer klaren und ruhigen Beobachtung vorbereitet wird. Die Haltung als solche im Sinne einer schönen Sitzposition harmonisiert viele Körperströme. Für eine ausführliche Meditationstätigkeit müssen jedoch weitere mentale Schritte mit gezielter Konzentration auf gewählte Gedankeninhalte erfolgen. Zunächst aber kann eine Sitzhaltung wie diese im Sinne einer guten Wahrnehmung und Gliederung eine sehr wertvolle erste und freiere Bewusstheit über den Körper geben.

Padmasana – Der Lotus

Der Lotus, obwohl die Füße nach oben zeigen, besitzt keinerlei weltflüchtige Gefühle. Er schenkt sogar ein angenehmes Gefühl des Im-Leibe-Seins, bei gleichzeitig freier werdenden Gedanken.

Die etwas einfachere Form des „halben Lotus“ mit Sitzkissen

Der Lotus sei weltflüchtig – so eine häufige anthroposophische Meinung – und die Sitzhaltung auf dem Stuhl sei erdverbunden. Wenn man jedoch sehr fein die Körperströme beachtet, so ist die Wahrnehmung genau gegenteilig. Durch die relative Ausgestrecktheit des Körpers auf dem Stuhl ist die Sammlung, die eine Meditation benötigt, schwerer zu bewältigen, denn der Körper ist nicht mit seinen Gliedmaßen geschlossen. Der Wille kann sich nicht so leicht sammeln. Für eine Meditation können diese feinen Wahrnehmungen, die der Körper durch seine gesammelte Lebenskräftesituation zu signalisieren vermag, hilfreich sein; sie werden jedoch nicht für das Gelingen einer Meditation von zwingender Bedeutung sein. Die Sitzhaltung besitzt keinerlei moralische Konsequenz.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Interessant ist, dass die Blätter des Lotus die Besonderheit aufweisen, flüssigkeitsabweisend zu sein, sodass beispielsweise Wasser einfach abperlt. Dadurch bleiben die Blätter stets sauber und es können sich keine Pilze oder andere Organismen auf ihnen ausbreiten, die der Pflanze schaden könnten. Dies nennt man den Lotuseffekt. (Quelle: Wikipedia)
2 Patanjali fasste in den Yogasutra das Wissen des Raja Yoga zusammen. Im Vers II.46 heißt es:
sthira-sukham-āsanam, deutsch: „Die Sitzhaltung soll fest und angenehm sein.“ (Siehe auch die Übersetzung der einzelnen Sanskritwörter dieses Verses bei Yoga Vidya)
3 Das Sanskritwort ājñā heißt so viel wie „Kommando oder Befehl“ und will das Zentrum an der Stirn als die oberste Befehlsstelle des Bewusstseins oder Astralleibes markieren. (Heinz Grill: Die 7 Lebensjahrsiebte und die 7 Chakren, S. 138 ff.)

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