Tagung über Erziehung in der heutigen Zeitproblematik

Die Begriffe „Vertrauen“ und „Glaube“

Michael Hüter erläutert den Begriff „Vertrauen“ aus seiner Sicht

Am 24. September dieses Jahres fand in der Nähe von Salzburg eine Tagung von Michael Hüter und mir als Referenten zu dem Thema „Die Kunst des Verbindens in einer Zeit der Trennung“ statt. Als Historiker, Philosoph und Kindheitsforscher konnte Michael Hüter sehr lebendig verschiedene Beobachtungen aufzeigen, wann und unter welchen Voraussetzungen ehemalige Persönlichkeiten der Weltgeschichte zu der Entfaltung ihres Potenzials gekommen sind und deshalb Erfolg verbuchen konnten. Die Eltern dieser Persönlichkeiten waren meistens nicht in den Konventionen der Zeit gefangen, sondern lebten nach rechtschaffenen, übergeordneten Vernunftvorstellungen und wagten mutige Schritte der Selbstbestimmung und der Entwicklung eigenständig geordneter Beziehungsverhältnisse. Ein Beispiel hierfür waren die Eltern von Leonardo Da Vinci. Weiterhin erwähnte Michael Hüter beispielhaft auch Albert Einstein, der erst mit dem dritten Lebensjahr sprechen lernte, das ist ein Umstand, der heute Psychologen unmittelbar auf den Plan rufen würde.

In gemeinsamer Arbeit wurde schließlich der Begriff des Vertrauens und in weiterer Form die Begriffe „Verantwortung“ und „Glaube“ näher beleuchtet. Das Publikum arbeitete lebhaft mit aktiven Beiträgen, die zur Begriffsinterpretation und Deutung führten. Es gab gerade gegen Ende der Tagung, als diese Begriffe zur weiteren Konkretisierung gelangten, unzählig viele Wortmeldungen. Die aktuelle Situation in der Gesellschaft und die Fragen, wie man beispielsweise mit der Schulsituation und mit der Maskenauflage umgehen kann, traten nahezu in den Hintergrund. Was bedeuten die Begriffe Vertrauen, Glauben und die im nahen Zusammenhang stehende Verantwortlichkeit zur Erziehung und allgemein zum Leben?

Tafelbild zum Begriff des „Vertrauens“

Die Vertrauensfrage darf keinesfalls in einem blinden Gehorsam erfolgen, sondern sie muss aus den klerikalen Dogmen der Kirche vollkommen herausgelöst werden und zur individuellen Erkraftung in die Diskussion gebracht werden. Solange man nur einem vorgegebenen Kirchenglauben, einer Gehorsamspflicht und den scheinbar bewährten religiösen Konzepten folgt und diese unwissend im Vertrauen bindend festhält, kann das menschliche Bewusstsein nicht zu der Entfaltung des wirklich individuellen Potenzials vordringen. Falsche und bindende Glaubensformen, die über viele Jahrhunderte ganz besonders durch die Kirche gelehrt wurden, schränken das menschliche Schöpferpotential ein und lähmen eine mutige Entfaltung der Seele. Der Erzieher muss beispielsweise ein gewisses Vertrauen in die Entwicklungsprozesse, die ein Kind in sich natürlich hervorbringt, haben und er muss den jungen werdenden Geschöpfen auf rechte Weise einen offenen Raum ohne Bindungsansprüche ermöglichen. Gleichzeitig bedarf es des Vertrauens in die eigenen Erziehungskünste und vor allem in die menschliche Ausstrahlung. Edle und gute Taten, vorbildhafte, ehrliche Verhaltensweisen, klare Vernunfthandlungen wirken immer auf die Kinder und dies im Sinne eines ungesehenen und doch sehr präsenten Potenzials. Wenn die Eltern authentisch sind und nach günstigen, weisheitsvollen, klaren, bestgewählten, idealen Entwicklungsvoraussetzungen streben, erstrahlt auf die Kinder immer eine sehr günstige Energie. Das Erkraften von richtigen und weisheitsvollen oder, anders ausgedrückt, fortschrittlichen und vernünftigen spirituellen Ideen ermöglicht den Kindern, dass sie die rechten Beziehungsgrundlagen im Leben finden und ihr eigenes angelegtes Potenzial leichter zur Entfaltung bringen. Der Zusammenhang zwischen einer weisheitsvollen rechten Orientierung mit einer günstigen Beziehungssphäre lässt sich bei genauer Beobachtung erkennen.1) Der Zusammenhang von Weisheit und Beziehung gründete sich zunächst auf einer geistigen Sichtweise. Wenn jemand nach sehr weisheitsvollen Grundsätzen sein Leben entwickeln konnte, trägt er mit seiner Seele dieses geistige Gut in die nachtodliche Welt hinüber. Gemäß der Reinkarnationslehre kehrt die Seele jedoch einmal wieder in eine Leiblichkeit zurück. Sie wird aufgrund der im früheren Dasein entwickelten Weisheit außerordentlich schöne und wertvolle Beziehungen mit Freude und gelebter Liebe entdecken. In diesem Sinne führt eine entwickelte Weisheit zur intensiveren Beziehungsentwicklung.

Michael Hüter und Heinz Grill im Dialog mit den Tagungsteilnehmern

Die Begriffe „Glauben“ und „Vertrauen“ lassen sich näher charakterisieren, wenn das menschliche Schöpferpotential in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt. Eine Idee oder eine Vision, die auf vernünftige Weise gedacht wird, kann durch die Anlage des menschlichen Schöpferpotentials zu einer Realisierung gebracht werden. Es ist das Vertrauen in einen Gedanken, der durch den Menschen zur Ausarbeitung kommen kann und will. Vertrauen heißt, einen Gedanken als Realität zu nehmen. Es heißt den Geist zur Wirklichkeit zu ernennen, denn der Gedanke ist Geist und er ist der menschliche Geist und sein Schöpferpotential. In diesem Sinne stützt sich die Vertrauensfrage auf die Tatsache, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, eine Idee zu denken, die heute noch keine Wirklichkeit besitzt, die er aber durch wachsende Intentionen und bewusste Auseinandersetzung zur Verwirklichung bringen kann. Der Begriff des Vertrauens bezieht sich deshalb in seiner edlen Form auf das Vertrauen in den gedachten, erwogenen und zur Entwicklung geführten Gedanken. Die Vertrauensfrage ist nicht eine Frage des blinden Gehorsams oder eines nur vagen Für-Wahr-Haltens, sie ist vielmehr ein Ergebnis einer logischen Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Lebens. Wenn der Erzieher oder die Mutter sich nun dazu selbst erzieht, ein Vertrauen in eine mögliche und bestgewählte Entwicklung zu richten, kann er oder sie auf logischer Ebene ein wachsendes Vertrauen entdecken, das eine Sicherheit gibt und er oder sie wird damit eine gesundheitsförderliche Ausstrahlung auf das Kind ausüben.

Hätte beispielsweise Kolumbus nicht Vertrauen gehabt in den Gedanken, dass die Erde rund ist, hätte er nicht die mutige Weltumsegelung beginnen können.

Die Tagung endete mit den Worten der Referenten, dass es die Eltern sind, die eine außerordentlich wichtige Sinngabe, nicht nur an die Kinder, sondern an die ganze Welt richten können. Man müsse deshalb nicht auf neue Erziehungssysteme warten, sondern sich selbst mit mutigen Schritten auf den Weg einer vernunftbegabten Selbstbestimmung begeben.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Der Zusammenhang von Weisheit und Beziehung gründete sich zunächst auf einer geistigen Sichtweise. Wenn jemand nach sehr weisheitsvollen Grundsätzen sein Leben entwickeln konnte, trägt er mit seiner Seele dieses geistige Gut in die nachtodliche Welt hinüber. Gemäß der Reinkarnationslehre kehrt die Seele jedoch einmal wieder in eine Leiblichkeit zurück. Sie wird aufgrund der im früheren Dasein entwickelten Weisheit außerordentlich schöne und wertvolle Beziehungen mit Freude und gelebter Liebe entdecken. In diesem Sinne führt eine entwickelte Weisheit zur intensiveren Beziehungsentwicklung.

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