Die Sonnenoase

Woher entspringt der Begriff?

Eines Abends eröffnete Dr. Michael Birnthaler für einen nahen Freundes- und Kollegenkreis die Idee der sogenannten Kulturoase, die, wenn man sie etwas genauer von der Spiritualität und ihrer inhaltlichen Bedeutung definiert, eine Art Sonnenoase ist. Er erzählte eine Episode von Rudolf Steiner, bei der er die zukünftige spirituelle Entwicklung, wie sie aussehen könnte und welche Formen sie besitzen werde, voraussagte. Die Spiritualität wird infolge der materialistischen Vorherrschaften in der Zukunft wenig Möglichkeiten in der Öffentlichkeit einnehmen können. Aus diesem Grunde müssen sich Personen, die eine anspruchsvolle Spiritualität leben und sich nicht im Zeitgeschehen aufreiben wollen, auf günstige Weise miteinander verbinden und im gegenseitigen Austausch Entwicklungspotentiale freisetzen.

Den Namen Sonnenoase will ich selbst aus einem Verständnis der inneren Wirksamkeit und der möglichen kreativen Werdeprozesse die Menschen in sich tragen, geben. Die Sonne ist der ausstrahlende Planet, während beispielsweise im Gegensatz der Mond die große Reflexionsscheibe für Sonnenstrahlen darstellt. In einer sehr verworrenen Zeit, wie es die materialistische ist, können maximal ständige Umänderungen im Sinne von äußeren Maßnahmen entstehen. Der Mensch aber mit seinen Potentialen wird meist nur innerhalb sehr konformierter Verhältnisse geduldet. Die menschlichen Sonnenkräfte müssten als spirituelle Schöpferkräfte durch eigenständige Entwicklung der Spiritualität auferstehen. Wenn die Sonne sogar in der materiellen Struktur durch Geoengeneering abgeschirmt wird und die Menschen ihre Selbstbestimmungskraft nicht mehr entfalten können, weil sie zu sehr unter den Stresssituationen diktatorischer Bestimmungen leiden, müssen sie in besonderem Maße die Sonne in ihren Herzen zum Auferstehen bringen.

Was oder welche Form kann eine Sonnenoase darstellen? Sie ist zunächst als ein Ort zu verstehen, an dem sich Menschen mit gleichen oder ähnlichen Zielen treffen, austauschen und Vorbereitungen zu weiteren Möglichkeiten der Zukunft denken. Nach dieser sehr einfachen und sehr allgemeinen Definition wäre aber das Forum in Davos von Klaus Schwab ebenfalls eine Sonnenoase. Sicherlich ist diese jedoch nicht eine Oase, in der die Sonne in die Zukunft scheint, sondern sie ist, wenn man sie nur versucht zu definieren, eine abgründige, neptunische Mondentiefe, denn sie gründet sich nicht auf einer fundierten spirituellen, philosophischen, ökologischen und psychologisch-weisheitsvollen Vision. Das Kernanliegen in einer Sonnenoase und eines jeden einzelnen, der darin mitwirkt, muss durch eine ausreichend fundierte und gültige Spiritualität, die nicht der Willkür und nicht den subjektiven Eigenemotionen entspricht, gegründet sein und sie muss im Mittelpunkt eine Disziplin zur Meditation freisetzen.

Bedeutungsvoll ist es aber, dass die Sonnenoase einerseits an einem Ort gedacht werden kann, jedoch, wenn man sie ganz auf die moderne Zeit bezieht, ortsunabhängig sein kann. Sie ist durch die Menschen, die sich mit Spiritualität, mit gleichen Zielorientierungen treffen, getragen. Ein Demeterhof, der unabhängig wirtschaftet und sich in allen Entscheidungsfragen frei bewegen kann, könnte beispielsweise eine solche Oase darstellen. Oder es könnte sogar ein Krankenhaus oder eine Yogaschule, die sich mit ihrem Team frei von administrativen Bevormundungen und offiziellen religiösen Leitsätzen bestimmt, eine Oase in diesem Sinne sein.

Ein Ehepaar, das sich Aufgaben für eine ausstrahlende Meditation aneignet, kann eine Einheit im Sinne einer spirituellen stillen Kraftquelle sein. Die Problematik, dass man sich heute mit der materialistischen Zeit unendlich verausgaben kann und seine gesamte Energie in Existenzfragen und Konfliktbewältigungen investiert, sollte durch die Idee der Sonnenoase nicht nur abgemindert, sondern abgeschafft werden. Aber es ist der Ort, an dem sich Menschen zur Spiritualität treffen und solidarisieren, nicht ein Fluchtort, sondern ein geheimer Kraftquell, gleichsam wie ein Brunnen mit erquickendem Wasser, an dem Menschen leben und einem Besucher erfrischendes Wasser reichen.

In Italien wurde von einigen Personen ein Ort gegründet, der ein ökologisches, spirituelles Projekt darstellt und sowohl für die Umgebung eine friedvolle Atmosphäre ausstrahlt, als auch in übergeordneter Weise Gedankenkräfte für die Welt freisetzt. Es finden Schulungen und Praktika statt; es ist ein Ort, an dem sich viele unterschiedliche Motivationen treffen und austauschen. Im gesamten Territorium gibt es keinen Elektrofunk und deshalb ist die Atmosphäre von der natürlichen Umgebung sehr rein und erholsam. Allerlei Tiere, wie Smaragdeidechsen krabbeln über die Wiese und die Menschen treten nicht in ein wildes Biotop ein, sondern finden eine erstaunlich gepflegte Landschaftsgestaltung und Architektur vor. Konstruktiv und beseelt von Ideenkraft sollen aus der Oase Strahlen der Liebe und der Kraft für die Welt hervorgehen.

Die geistige Substanz der Sonnenoase

Die Unabhängigkeit von Menschen, wenn sie wirklich errungen und fundiert erarbeitet ist, kann mit besten Kräften auf die Welt wirken. Der freie Mensch, der individuell gegründet ist und in Zusammenarbeit mit anderen steht, sendet große Kraft nach außen. Diese Kraft ist deshalb groß, weil er frei ist. Die Oase muss darum so unabhängig wie die Sonne am Firmament sein. Fähigkeiten und psychische Qualitäten, fundierte Charaktereigenschaften und moralische Größe, die sich ein Mensch erarbeitet hat, sind lichtvolle und wärmespendende Kräfte, die nicht nur in einem engen Miteinander, beispielsweise bei Personen, die in der Kulturgemeinschaft arbeiten, wirken, sondern den Kosmos, wie auch die Erde beleuchten. So sind die Menschen in einer Sonnenoase ein feuerflammender Keim, der mit seinem sonnenfreudigen Licht und seiner inniglichen Wärme die Welt im Stillen inspiriert.

Metaphysisch gesehen will die Sonne ganz Erde werden, damit der einzelne Mensch als Repräsentant des Lichtes keiner Absonderung, Spaltung und Abwertung zustimmen muss. Die Sonne des Kosmos vereint sich im Menschen und bildet sein Herz.

Der Mensch gedeiht zur wachsenden Einzigartigkeit, zur Liebe und individuellen Kraft. Er trägt die Oase, den gewählten Ort der Spiritualität. Wer denn anderes als das einzelne Individuum sollte die Spiritualität tragen und verantworten?

Jede Kultur beginnt nicht sofort mit äußeren Aktionen, sondern sie gedeiht im Stillen der menschlichen Seelen. Gedanken und Gefühle mit einem zukunftsfreudigen und moralisch hochstehendem Wert bilden die Wurzelkraft für jede Entwicklung. Die Zukunftskraft lebt im Einzelnen und erhebt sich in der Gemeinschaft, in einem nahen persönlichen Zueinander, aber sie ist gleichsam wie eine Art Manuskript, das noch nicht ganz der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Die gewagten Gedanken und besten Ideen gedeihen in gemeinsamen Gesprächen und Handlungen zu Idealen und diese verströmen sich in einer Art sonnenhaften Laube, bevor sie in die breite Bevölkerung aufgenommen werden können. Sie sind die werdenden Keime für Kultur, Nächstenliebe, Toleranz und eine Haltung der Aufrichtigkeit.

Menschliche Qualitäten bedürfen eines Lernens und einer Opferleistung

Gemeinschaftssinn und vollkommene Selbstständigkeit, wenn diese sich im Herzen feinfühlig begegnen, lassen viele Friedensstifter in der Welt auferstehen. Die Seelen, die sich einem ganzen Ideal ohne Ausnahmen widmen, können Großes bewirken, denn sie propagieren nicht nur den Frieden, sie denken ihn, fühlen ihn im gegenseitigen Miteinander und verwirklichen hohe und höchste Taten.

Die Sonnenoase ist ein Kraftquell der Inspiration, nicht nur für interne sondern für viele Menschen, die extern plötzlich aufgrund ungeahnter Umstände sich zu ethisch hochstehenden Handlungen berufen fühlen. Es ist eine Gabe, die in der Sonnenoase durch Gedanken und Meditationen gedeiht und diese trägt sich hinein in eine weltliche Situation. Wie unter Magie können plötzlich politische Situationen mit negativem Gehalt eine Wandlung finden und Heilungen eintreten, die unmöglich gewesen wären.

Die Meditationskraft der Sonnenoase erweckt die menschlichen Potentiale zum Guten, ohne mit diesen äußerlich zu kommunizieren. Es ist der Erzengel, der die hervorragendsten Gedankenideale im Stillen über die Welt hinausträgt.

Der Gedanke ist Sonnenkraft. In der gegenseitigen Abstimmung der einzelnen Mitwirker der Sonnenoase erstrahlt er mit jener Souveränität, wie es der Freiheit im besten Sinne entspricht. Wenn ein Ideal frei und gewollt ist, miteinander geteilt und für die Welt gedacht wird, frei von ökonomischen Zwängen und eitlem Genuss, unter der Bereitschaft, Leistung zu geben, gibt es keinen Zweifel. Der wahre und gedachte Gedanke wird sich einmal behaupten.

Disziplin und Opfer

Und ein kleines Wort zu dem sehr verpönten Begriff des Opfers darf nicht fehlen: Alle Mitwirkenden der Sonnenoase wollen als höchstes Ziel ohne Reserve und Zögerlichkeit die Auferstehung des Menschen, seiner besten Ideale und schönsten Werte. Der Mensch muss sich selbst für diese Idee in seinem kleinlichen Ego opfern. Die Pflicht zur Entwicklung erfordert die Arbeit und dies jeden Tag, jede Stunde. Verächtlich sollte sich jener fühlen, der die Sonnenoase als eigennützigen Zufluchtsort für sich selbst beansprucht.

Die Disziplin der Entwicklung ist schön. Sie trägt jenen Zauber in sich, der in dunklen Tagen erstrahlende Freude auferstehen lässt. Was ist die Schönheit?

Die Schönheit ist der treue Wegbegleiter der seelisch-geistigen Entwicklung des Menschen. ¹⁾ Die Sonne erstrahlt im Licht, während der Mond dieses gleiche Licht reflektiert. Das menschliche Gehirn kann Gedanken reflektieren. Deshalb ist das Gehirn ein Mondenorgan. Die Sonne jedoch ist die Schöpferquelle. Sie ist die unmittelbare Dimension des Geistes. Der Mond könnte als der Mathematiker bezeichnet werden, der weisheitsvoll denkt, jedoch die Sonne ist die unmittelbare Quelle, die die Weisheit erschafft. ²⁾ Wenn man das alte und das neue Testament vergleicht, bemerkt man, dass Moses die Gesetze brachte und die Propheten den Christus verkündeten. Der Christus aber selbst brachte unmittelbar die ausstrahlende Liebe und, wie es in vielen Testamenten heißt, die Erfüllung des Gesetzes. Er ist die kommende Sonne für die Erde. Aus diesem Grunde wird in der Anthroposophie der Christus mit dem Sonnengeist verbunden. ³⁾ So wie es einen Sonnengeist gibt, gibt es auch einen Sonnendämon. Ein christlich-geistiges Wirken trägt sich durch verschiedene besondere Persönlichkeiten durch die Zeiten. Im gleichen Maße gibt es Menschen, die derartig dämonisch und fanatisch wirken, dass sie alle guten Impulse, die in der Menschheit auferstehen wollen, unterdrücken und vernichtende Entscheidungen gegen die Entwicklungsfragen treffen. Sie sind heute in einer Zeit der Irrationalität auf mächtige Weise wirksam und zeigen sich in manchen typischen Persönlichkeitsstrukturen. ⁴⁾ Die Sonnenoase sollte nicht mit dem in der Coronazeit aufgekommenen Begriff der Kulturoase verwechselt werden. Im allgemeinen bezeichnet man Kulturoasen als Sammel- und Treffpunkte von Menschen, die sich aufgrund der Zeitproblematik zum Beispiel im Freien miteinander austauschen. Sie sind jedoch auf wenig verbindliche Weise organisiert. Von der Kulturoase müsste man sich zur Sonnenoase zu konzentrieren lernen und eine größere Verantwortung in spezifischer Hinsicht durch Meditation und gedanklicher Ausrichtung zur Welt entwickeln.