„Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben“
Ökologie kann eine sehr weite, umfassende menschenwürdige und menschenverbindende Bewusstseinsorientierung sein. Wenn sie nicht nur aus konservativen oder minimalistischen Bemühungen heraus erfolgt, sondern aus einem wirklichen Ideal, das zur Menschheit und zur Harmonie des weisheitsvollen Umgangs mit allen Phänomenen der Welt ausgerichtet ist, kann sie zu einer innersten Verbindung mit dem Geist der Erde – und das ist zuletzt der Christusgeist – werden.
Die Evangelienstelle aus der Bergpredigt zur Seligpreisung, dass die Sanftmütigen das Land erben, bezieht sich einerseits auf das geistige Erbe, das der einzelne Mensch im Seelisch-Nachtodlichen erhalten wird, und andererseits bezieht sie sich auf ein sehr tiefgreifendes inneres Gefühl des Erlebens in der Seele. Wer ein wirklicher Ökologe war und einen wahrnehmenden, ökonomischen und erhaltenden Bezug zu den Gütern dieser Erde pflegte, lebt nach dem Tode mit diesen inniglich in Verbindung.
Der Begriff des Sanftmütigen dürfte wohl eine sehr weitreichende und nicht sehr spezifische Bedeutung haben. Vielleicht mag derjenige, der als sanftmütig gilt, das Gegenbild zu den aufbrausenden, jähzornigen, aggressiven Menschen darstellen. In jedem Fall aber will die Sanftmut so viel bedeuten, wie ein tieferes Einfühlungsvermögen in die Mitmenschen und nicht nur in diese, sondern auch in die Tiere, die Pflanzen und in die Erde. Sie ist wie eine Venusqualität, eine Art weibliche Empfindung zu der Schönheit eines Nahrungsmittels, eines Getreidefeldes oder einer menschlichen Regsamkeit, die sich in Gegenseitigkeit ausdrückt. Sie ist auch die Liebe zu einer Dritten Welt, die hungert und die besagt, dass man nicht einfach wahllos mit allen Gütern umgehen kann.
Er wird wie der ruhige Geist eines Getreidefeldes und er erlebt die Bergflanke wie seine Heimat. Die Straße, die er befuhr, trägt einen Hauch seiner Seele. Wie ist diese Seligpreisung aus der Bergpredigt aber weiterhin in ihrer umfassenden Dimension zu verstehen? Wie nähert sich der Übende auf seinem geistigen Weg dem Geheimnis des Daseins im nachtodlichen Leben an und wie entdeckt er den Christus in der Liebe zu dieser Erde?
Je mehr diese Einfühlsamkeit vorherrscht, desto mehr gewinnt beispielsweise der Empfindungsbereich des Menschen eine intensivere Wahrnehmung zu dem Boden dieser Erde und eine natürliche Liebe zu den einzelnen phänomenalen Naturerscheinungen. Das Gewitter muss nicht mehr ein Erschrecken darstellen, sondern es lebt wie eine ungeheuerliche Wirklichkeit innerhalb einer atmosphärischen Bewegung. Der wahre Ökologe wird das Blühen und das Welken im Wechselspiel der Jahreszeiten mit berührenden Empfindungen erleben und er wird sich wie ein Teil dieser Zeitenperiode, in der er lebt, fühlen. Seine Augen tragen ein kontemplatives und doch wirklich wahrnehmendes Licht des Sehens.
Die Erfahrungen der letzten Monate in der Sonnenoase von Naone
Die Sonnenoase in Naone ist ein spirituell-ökologisches Projekt. Um zu dieser Stätte zu gelangen, muss der Einzelne eine halbe Stunde Aufstiegszeit durch Wälder über einen idyllischen Weg leisten. Er kann nicht aus dem Auto aussteigen und unmittelbar diese Oase betreten. Wenn er dort angekommen ist, erwartet ihn kein Gasthaus und es sind ebenfalls keine Liegestühle bereitgestellt. Die meditative Sphäre und die natürliche elektrosmogfreie Qualität der Luft umrahmen ihn wie ein angenehmes aufnehmendes Kleid. Probleme, die der Einzelne mit sich trägt, bleiben meistens in den niedrigeren Lagen zurück.
Der Ort ist hier durch die entwickelten Gedankenprozesse, durch die Meditationstätigkeit und durch die Empathieentwicklung märchenhaft und zeigt eine sehr schöne, noch nahezu unberührte Natur. Aber sie ist in Wirklichkeit nicht unberührt, sondern sie ist von Menschenhand gestaltet, beseelt und mit lebendigen Gedanken erhellt. Der elektrische Strom und das Wasser sind durch natürliche Quellen gegeben.
In dem vergangenen halben Jahr achteten die Verantwortlichen dieser Zone auf die natürliche Anreise der Teilnehmer. Die Forstpolizei kontrolliert zudem unerlaubte Fahrgäste und ermahnt, wenn jemand die Grenzen überschreitet. Infolge der Tatsache, dass die Fahrt nach Italien weit ist, begannen sich weiterhin die verschiedenen Interessenten gemeinsam zu organisieren und sie sparten sich Fahrtaufwand und unnötige Kosten. Die Ökologie beginnt deshalb nicht erst an der Grenze des Waldes. Die Sonnenoase lebt als Gemeinschaftsprojekt durch Gegenseitigkeit und es wird außerordentlich biologisch und sehr intelligent in der Verteilung der Möglichkeiten gewirtschaftet. Die angebotene Ernährung besitzt einen auserlesenen Charakter und stellt einen Teil des regenerativen Aufbaues dar.
Die verschiedensten Referate, die an dieser Hochschule stattfinden, tragen sich durch die erworbenen Berufsgrundlagen, die der Einzelne besitzt, zusammen. Wer sich beispielsweise mit den spirituellen Inhalten und Grundlagen ausreichend auseinandergesetzt hat und langsam eine Synthese von einer geistigen Erkenntnisforschung zur Wissenschaft oder allgemein zu Kunst, zu Pädagogik, Architektur, Ernährung oder einer gewählten Art des Yoga entwickelt hat, kann ein Referat für alle Beteiligten halten und sich auf diese Weise im gegenseitigen schöpferischen konstruktiven Austausch erleben.
Es ist eine Ökologie, wenn man es so bezeichnet, der Gedankenbildung durch gegenseitige konstruktive Aufbautätigkeit. Diese wertvolle Disziplin des rhythmischen sich miteinander zu Ideen und Idealen Weiterentwickelns besitzt die größte Ausstrahlungskraft und kann sehr schnell einzelne Menschen heilen oder transformieren. Aber ein guter Wille und tätiger Einsatz sowie eine über einige Tage bestehende Ausdauer sind immer vonnöten. Das Arbeiten jedenfalls führt über die geistigen Inhalte in zunehmendem Maße zu einer tieferen Empfindungskraft in der Seele und schließlich zu einer natürlichen Liebe des Lebens.
Durch die Disziplin des miteinander Arbeitens, des empathischen kreativen Ausgerichtetseins und ebenfalls durch eine sparsame, einfache und doch hochqualitative Lebensform gewinnt der Einzelne eine wachsende sanftmütige Beziehung zu seinem eigenen Gedankenleben, zu der Möglichkeit, Gedanken für andere zu bilden, zu einer gewaltfreien Bewusstseinstätigkeit im Sinne der Wahrnehmung zu der politischen Weltensituation und er spürt bald, wie er die Erde und den Kosmos lieben und gewinnen lernt.
Die Entwicklung polaritätsfreier Gedanken
In der Sonnenoase sind keine Diskussionen mit politischen Eifereien erwünscht. Obwohl die innere Einstellung der Personen, die an diesem Ort arbeiten, keine Weltenabwendung befürwortet und das dort Tätigsein nicht eine kompensatorische Flucht vor einer Wirklichkeit darstellt, ist Naone nicht als ein reiner Alternativort zu sehen. Der Realität des harten Lebens mit allen noch so unerträglichen Zeiterscheinungen ist sich der Einzelne bewusst. Er tritt aber nicht als Revolutionär gegen die Lügen der Politik an, sondern versucht auf intensive Weise seine Seele mit geistigen Inhalten zu nähren und von diesen ausgehend neue Kräfte mit universaler Ausstrahlung freizusetzen.
Die Aussage, „selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben“, bedeutet, dass der Einzelne durch die Entwicklung von geistig-spirituellen Inhalten, die polaritätsfrei sind, eine weitaus intensivere Gefühlsbeziehung zu der Welt und ihren vielen Erscheinungen, zu der Natur und schließlich zu den Mitmenschen entwickelt. Ökologie braucht heute der Mensch, damit er wieder in Beziehung tritt und Entfremdungstendenzen überwindet. Im Materialismus verliert die Welt die Materie, die Seele und jegliche geistige Ahnung.
Der Kampf um das Existenzdasein und um ein Bestehen in der so schroffen Gesellschaftsstruktur führt zu einem Verlust eines jeglichen Heimatgefühls. Wäre das Leben im Rückzug auf eine Alm oder Bergzone eine Antwort auf die heutige so unangenehme Politik, so müsste es viele Aussteiger geben und diese würden schließlich die idyllischen Plätze der Erde überfüllen und sie zugrunde richten. „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben“, bezieht sich einerseits auf die nachtodliche Welt und andererseits bereits auf die innersten Empfindungen in der Seele im Diesseits. Es ist ein tiefgründiges Empfinden des Angekommenseins auf dem Boden dieser Erde, eine Wahrnehmung eines Inkarniertsein und gleichzeitig ein ganzes Fühlen für jene ungreifbare Wirklichkeit des Geistes, des unberührten Gedankens. Wer sich in einem tiefgründigen geistigen Inhalt gründet und diesen in der Welt anwendet, ererbt das Land, er lebt in beiden Welten, in einer oberen und zugleich in einer unteren. Seine Seele verbindet sich mit einer Art wahren Ökonomie. Er lernt ihre Kräfte von unsinniger Rebellion zurückzuziehen und für eine mutige Entwicklungsarbeit mit jener Dimension einzusetzen, die im Mysterium der Weltschöpfung lebt und nach einer Ausarbeitung drängt.
Es will der Einzelne seine nahestehende Familie im Sinne einer umgebenden Geistigkeit entdecken und er will die Menschheit von innen heraus verstehen. Er will ein Staatssystem bei sich selbst werden und Verantwortung übernehmen und er will nicht nur dieses, er will Weltenbürger und Weltenkundiger der oberen und der unteren Gesetze sein. Dieser Weg, der durch Spiritualität und durch die Entwicklung inhaltsvoller, universal gültiger Gedanken entsteht, führt den Menschen in die Heimat der Erde und in die Verbindung mit den seelisch-nachtodlichen und schließlich mit den geistigen Welten. Diese Form der Sanftmut lässt den Einzelnen das Land erben. Ökologie im umfassenden Sinne gibt hierzu eine erste nahe Empfindung.
Was ist nun ein polaritätsfreier, inhaltlich geistiger, universell gültiger Gedanke?
Diese Frage soll in einem nächsten Beitrag durch einige Vergleiche zur Antwort kommen.