Die individuell orientierte Spiritualität – und die Entwicklung von Beziehungsfähigkeit

Die Beziehung und ihre seelische Dimension

Die Spiritualität ist vergleichbar mit der Sonne, die das Licht des Tages aktiviert und die Gegenstände der Welt aus dem schlummernden Schlaf erhellt. Dieses Licht wird durch die Venus, den Morgenstern angekündigt. Es ist die Venus, die die Erde sehr nahe umkreist und deshalb sehr kräftig leuchtend und erhaben aus dem übrigen Sternenmeer hervorscheint. In älteren Zeiten stand die Venus für die menschliche Beziehungssphäre.1) Die Venus und ihre Bedeutung für die Beziehung in: „Die Signaturen der Planeten und die Pädagogik“.

Jede Spiritualität ist mit dem Geiste des Menschen und somit mit seiner mirakulösen Schöpferkraft verbunden. Alle seelischen Vorgänge jedoch erfordern die berührende Sensibilität des In-Beziehung-Seins. Wenn der Mensch, der nicht ein vierbeiniges sondern ein zweibeiniges und gebrechliches Wesen ist, von seelischen Regsamkeiten und Gefühlen spricht, eröffnet er die doch sehr wundersame Ebene des inniglichen Zusammenhangs einer beziehungsvollen Verbundenheit des Bewusstseins zu anderen oder zur Welt.

Wohl kann am leichtesten die menschliche Beziehungsebene erfasst werden, wenn man von der Tatsache ausgeht, dass jede menschliche seelische Aktivität die intakte Wahrnehmung zur Sache oder zu den anderen Menschen benötigt. Eine Beziehung zu einem anderen Menschen ist nicht möglich, wenn zu diesem keine Wahrnehmung besteht.

Das Gegenteil von einer intakten Wahrnehmung ist die emotionale Berauschung. Die Seelenebene führt zu sensitiven und harmonischen Empfindungen, während ihr Gegenbild, der Mangel an Seele, zu einer fixierten Emotionswelt mit zugreifenden oder übergriffigen Gesten (Intromissionen) führt.

Die Zweischneidigkeit des Zeitungsartikels

Auf den Zeitungsartikel “Der Guru” reagieren die wenigsten Leser mit gelassener Neutralität. Selbst bekannte Yogins, die ihre Emotionen streng unter Kontrolle bewahren, erwachen aus ihrem unerschrockenem Gleichmut. Werden wir nicht mit dem Artikel alle beleidigt? Heftigste Stimmen der Abwehr und des Widerstandes erregen sich bei einer nicht gerade unbeträchtlichen Anzahl von Personen, die sich gegen suggestive Vereinnahmung und übergriffige Meinungsbildung verwehren.

Auf der anderen Seite offenbaren sich außerordentlich bedenkliche Stimmen, die von hochinflammatorischen Spaltungsprozessen innerhalb von Familien, Beziehungen und Freundschaften sprechen. Der Zeitungsartikel entwickelt sich bei manchen zu einer verbalen Schlagwaffe, nicht nur gegen Personen, die einmal einen Vortrag bei mir gehört haben, sondern gegen viele Andersgläubige. Eine Ehefrau wirft den Artikel auf den Tisch, befiehlt dem Ehemann sich zu setzen und diesen zu lesen. Infolge der Verweigerung des Ehemanns den Artikel zu lesen rief die Ehefrau die Polizei an.

Der Zeitungsartikel wirkt wie ein zweischneidiges Schwert. Bei jenen, die große Beziehungsprobleme haben oder in ihrer Ehe jegliche Wahrnehmung zueinander vermissen, wird der Zeitungsartikel zur Aufbereitung des Munitionsdepots benützt. Die abgefeuerten Gewehre können wieder neu geladen werden. Glaubensüberzeugungen und Meinungen sollen den Anderen belehren, aber dies eigenartigerweise nicht von Seiten des Yoga, sondern wie so häufig von der Frage des gegenseitigen Besitzrechtes. Es entstehen emotionale Aufschreie und regelrechte Kämpfe, die jedoch an der Sachlage der fehlenden Beziehung vorbei gehen. Eine gescheiterte Ehe wird wohl nicht mehr leicht zu korrigieren sein und selbst wenn man noch so sehr auf einen fremden Dritten, auf einen in der Zeitung benannten Guru hinprojiziert.

Für Spiritualität ist die seelische Ebene der Beziehung notwendig

Eine spirituelle individuelle Grundlage ist ohne eine ausreichende Beziehungsfähigkeit nicht sozialfähig und nicht integrierbar.2) Eine Spiritualität wird dann sozialfähig und integrierbar z.B. im persönlichen oder beruflichen Leben, wenn der Dialog über spirituelle Inhalte auf rationaler Ebene möglich ist. Grundsätzlich wäre die Dialogfähigkeit ein Kennzeichen für spirituelle Sozialität. Fehlt diese Dialogfähigkeit nehmen meistens zwanghafte und materialistische Formen des Glaubens überhand.Vergl. auch Dorsch Lexikon der Psychologie: „Soziale Kompetenz ist ein Komplex von Fähigkeiten, die dazu dienen, in Kommunikations- und Interaktionssituationen entsprechend den Bedürfnissen der Beteiligten Realitätskontrolle zu übernehmen und effektiv zu handeln.“ Die Flucht in Gruppen und des Weiteren die starken Anhaftungen an die offiziellen Religionen entwickeln sich fast ausschließlich aus Beziehungsenttäuschungen und Tendenzen, dem stressgeplagten Leben auszuweichen. Im Allgemeinen scheint ein Hinknien vor dem Altar für viele Menschen leichter zu sein, als in die mutige Auseinandersetzung mit dem Thema Ehe, Beziehung, Freundschaft und Freiheit zu treten.

Entwickelt jemand Ambitionen zu einer spirituellen Disziplin, so möchte er in der Regel zu einer intensiveren Verbindung mit sich selbst, mit den Mitmenschen und schließlich mit den sogenannten höheren Welten, dem Kosmos und der transzendenten Wirklichkeit des Geistes gelangen. Die Frage, die sich ihm unweigerlich stellen muss, ist diejenige nach der Art und Weise, wie er seine Sinne, Gedanken, Gefühle und sein Handeln lenkt und in Beziehung zur Welt und des Weiteren zu der ganz anderen Wirklichkeit, zu dem Geiste bringt.

Die persönliche Beziehung zwischen Mann und Frau

Kann jemand, der ungeordnete Beziehungsverhältnisse in seiner Familie oder Ehesituation vorweist, sich durch Spiritualität weiterentwickeln oder muss er erst einmal seine persönlichen Missstände und Beziehungskrisen überwinden?

Grundsätzlich ist die Ausrichtung zur Spiritualität in jeder Lebenssituation und in jedem Beruf möglich. Ein gewisses Mindestalter und eine einigermaßen gesunde Psyche sind jedoch notwendig. Derjenige, der eine freie Spiritualität zur Zielsetzung erwählt, sollte sich mit einigen wesentlichen Fragen auseinandersetzen.

Was ist eine Emotion? Im Gegensatz hierzu stellt sich die nächste Frage, was ein wirkliches verbindendes Gefühl ist. Die Unterscheidung dieser beiden in der Psyche auftretenden Phänomene ist von einer fundamental wichtigen Bedeutung. Die wenigsten Menschen registrieren diesen erstaunlich großen Unterschied zwischen aufsteigenden Emotionen und wirklich entwickelten Gefühlen.

Die Emotionen sind heute vielseitig und weit verbreitet, sie sind vergleichbar mit einem dauerhaften Monsunregen. Mit jeder Fernsehsendung tröpfeln die Emotionen auf den Menschen und beeinflussen seine Gemütsstimmungen. Eine eigenständige Beziehung mit wirklichen verbindenden Gefühlen muss der gewöhnliche Bürger nicht mehr als Leistung darlegen. Die Welt schwingt und lebt und nur wer mit dieser nicht ganz leicht zurechtkommt, erlebt ein Gefühl des Verlorenseins und der Trennung. Emotionen determinieren die Gegenbilder zu einem tatsächlich versöhnlichem Zusammenhang und erschaffen eine zunehmende seelische Verarmung.

Ein Gefühl mit bleibendem Wert hingegen, bereichert den einzelnen Menschen, es stabilisiert seine Psyche und schenkt ihm eine freudige, lebendige Wahrnehmung zur Außenwelt. Wer beispielsweise ein fundiertes Empfinden für Kunst entwickelt, erlebt diese in vielen Erscheinungen der Welt und seine Sinne erfreuen sich an dem Schönen. Er vermag mit anderen über ästhetische Offenbarungen zu sprechen und aufgrund seines seelischen Vermögens erlebt er sich in Beziehung.

Die Beziehung zwischen Mann und Frau muss sich ebenfalls auf real entwickelten Gefühlen gründen, denn solange sie lediglich durch Emotionen motiviert ist, fließt in ihr kein verbindendes Wahrnehmungslicht. Die Emotionen im menschlichen Miteinander sind wie ein elektrischer Strom, die den Menschen ergreifen, ihn aufpeitschen und zu allerlei Aktionismus treiben. Gefühle aber führen zu Gegenseitigkeit und Mitempfinden, sie stärken das eigene Kraftpotential und tragen nach außen die Fähigkeit der Empathie.

Die Beziehungen, die heute so vielerlei in einer Krise sind, bräuchten eine dringende Anregung und Belebung von einer frei gewählten inhaltsreichen Spiritualität. Gruppen und Konfessionen nehmen den gemütshaften Menschen erneut mit ihren emotionalen Strömen gefangen. Religion dürfte wohl eine der häufigsten Ersatzleistungen für die inflätigen Beziehungen sein.

Spiritualität wäre aber dann souverän und wirksam, wenn sie eine inhaltliche Auseinandersetzung eröffnen könnte. Es kann eine Ehe niemals einen Schaden erleiden, wenn nur ein Teil mit dieser Auseinandersetzung beginnt. Die Erkraftung, die auf diese eigenständig gewählte und themenbezogene Disziplin erfolgt, ist für eine Beziehung immer bereichernd.

Entartungen in Beziehungsverhältnissen durch Intervenierung Dritter

“Bleib so wie Du bist!”, sagte der Ehemann mit einem nicht ganz unüberhörbarem Imperativ zur Ehefrau, nachdem sie ins Auto stieg und zu einem Fortbildungskurs des Yoga nach Süden aufbrach. Eigentlich wollte der Ehemann sagen, dass die Frau ihm gehöre und das Recht auf Entwicklung ihr nicht zustehe. Während die Frau für einige Tage auf der Fortbildungsveranstaltung war, nützte der Mann die Gelegenheit und ging zum Sektenreferenten.3) Der Beruf des Sektenreferenten ist nicht geschützt. im Grunde genommen kann jeder diesen Beruf ausüben. Eine Berufsausbildung gibt es hierzu nicht. In kirchlichen Einrichtungen arbeiten die Sektenreferenten meist mit theologischem Grundstudium. Sie besitzen in den wenigsten Fällen ein Wissen über Spiritualität. Verschiedene Priester, die sich anthroposophisch geistigen Inhalten oder auch den Inhalten des Neuen Yogawillens hinwenden, bezeichnen die Sektenreferenten als Laien. Würde ein Nicht-Bergsteiger, der die Berge nur aus dem Fernsehen kennt, dem routinierten Bergsteiger Vorschriften über das Verhalten am Berg erteilen, so würde jeder über diesen Dilettanten lachen. Auf dem Gebiet der Spiritualität jedoch richtet die Kirche verbunden mit einer großen Anzahl von Laien über Dritte, die eine aktive Spiritualität pflegen. Die Urteile von Laien über Spiritualität verfehlen nicht nur das Fachgebiet, sondern muten grotesk an. Sie sind wohl immer ein Ergebnis von Projektionen aus der eigenen persönlichen Konfliktsphäre. Dieser teilte ihm mit, dass es sich um eine gefährliche Sekte handle, man dürfe aber mit der Frau nicht darüber sprechen, dürfe keinen Verdacht über die erworbenen Informationen erwecken. Der Mann wurde sogleich angeleitet, die Kontobefugnisse sicherzustellen, damit keine Gelder zu dem ausbeuterischen Guru fließen. Weiterhin wäre es ein Ziel, die Frau von dem Abhängigkeitsverhältnissen zu befreien und sie wieder in die gute alte Ordnung der Kirche zurückzuführen.

Es kam naturgemäß zu extremen Spaltungen in der Ehe und der Mann verlor jegliches natürliche Gefühl zur Frau. Die in Unwissenheit gehaltene Ehefrau nahm ihren Mann wie entfremdet und unerreichbar wahr. Der Sektenreferent war von diesem Zeitpunkt an wie der unsichtbare Dritte in die Ehebeziehung eingetreten.

“Tra moglie e marito non mettere il dito” sagt ein italienisches Sprichwort und will sagen, dass es Unheil bringt, wenn sich ein Außenstehender in die persönlichen partnerschaftlichen Verhältnisse einmischt.4) Wörtlich übersetzt: Zwischen Ehefrau und Ehemann lege nicht den Finger. Die Integrität einer Beziehung leidet erheblich, wenn ihr von außen keine Freiheit und Selbstbestimmung zugesprochen wird. Die Besserwisserei und moralisierenden Belehrungen Dritter stören das Gefühlsleben im persönlichen und einzigartigen Miteinander und rauben die natürlichen Korrekturen, die sich Paare selbst lernend auferlegen.

Welche psychischen und physischen Folgen treten in Beziehungen auf, wenn sich Dritte in diese einmischen und eine einseitige Partei mit einem Ehepartner bilden? Die Intervenierung von außen geschieht beispielsweise mit den Worten einer Mutter, die zu ihrem Sohn in einer für ihn schwachen Stunde Folgendes sagt: “Ich weiß nicht ob deine Frau die richtige für dich ist.” und will damit sagen, dass der Sohn für immer in Bindung bei ihr bleiben solle. Vielleicht mögen diese Worte der Mutter zunächst unbedeutend bleiben und lange Zeit keinen Einfluss auf die Beziehung ausüben. Mit jeder Aussage tragen sich jedoch nicht nur die Worte zu den Mitmenschen hinüber, es introjiezieren sich mit diesen die inneren Motive des Sprechers. Die Worte vergehen, geraten in Vergessenheit, oder werden als verrückt, unnütz oder inkonstruktiv verdrängt. Die Motive jedoch bleiben im Seelenleib erhalten, sie lenken wie ungesehene Kräfte den betreffenden Seelenleib und da sie eine verborgene Kraft besitzen, werden sie unweigerlich einmal zu ihrer Wirksamkeit kommen. Der Sohn, der von der Mutter einmal gehört hat, dass seine Frau für ihn nicht die richtige sei, entwickelt eine ähnliche Emotion und wie es der Natur dieser Gemütskräfte entspricht, wird er plötzlich seine gesunde Wahrnehmung zur Frau aufgeben und die Motive der Mutter übernehmen.

Worte verströmen sich jeden Tag in tausendfältiger Vielheit und in diesen tragen sich die verschiedensten Motive von Mensch zu Mensch fort. Diejenigen Motive, die jemand in seinem Inneren trägt, bleiben sogar im Seelenleib nach dem Tode, denn sie sind gewissermaßen die Substanz seiner Seele. Wer deshalb die emotionale Bindung eines Menschen an sich zum Motiv seines Lebens wählt, trägt in seinen Worten mehr oder weniger erkennbar dieses nach außen. Im Gegensatz hierzu kann sich der Einzelne zu einem edlen Motiv hindurchringen und den Wunsch nach Förderung des anderen entwickeln. In seinen Worten trägt sich sodann eine konstruktive und erbauende Interessenskraft zu den Mitmenschen hinüber. Derjenige, der den Mut zu diesem freien und beziehungsvollen Bewusstsein wählt, entwickelt in sich wachsende Gefühle mit verbindendem Charakter.

Wie viele fremde Motive tragen sich jedoch in die verschiedenen Beziehungen hinein? Die natürlichen Gefühle im menschlichen Zueinander müssen sich gravierend stören, wenn es den einzelnen Paaren und Familien nicht gelingt diese Außeneinflüsse aufzuklären und zurückzuweisen. Der Arbeitsstress, der heute auf den Menschen einwirkt, dürfte wohl eine der geringeren Einflüsse auf Beziehungen sein, denn dieser lässt sich rational erfassen. Schwer bestimmen sich die Fremdeinflüsse von Seiten der Verwandten, die ihre Bindungsabsichten gegenüber den Söhnen, Töchtern und Geschwistern wirksam machen. Wohl am tiefgreifendsten gebärden sich jedoch die Einflüsse, die von religiöser Seite mit einem Angriff auf die Integrität der Beziehung verbunden sind.5) In der Bhagavadgita Kap. 3 Vers 35 heißt es:
shreyan svadharmo vigunah paradharmat svanusthitat
svadharme nidhanan shreyah paradharmo bhayavahah.
Besser ist es, das eigene Gesetz des Wirkens, swadharma, zu erfüllen, auch wenn es an sich noch fehlerhaft ist, als das Gesetz eines anderen, selbst wenn es vollkommener ist.
Den Tod im Gehorsam gegen das eigene Wesensetz zu erleiden, ist vorzuziehen. Gefährlich ist es, einem fremden Wesensgesetz zu folgen.“
[Übersetzung durch Sri Aurobindo.]
Die Intromission in Beziehungen ist nach der indischen Philosophie ebenfalls wie ein fremdes Wesensgesetz.

Was geschieht durch die Intervenierung in Beziehungen?

Ein Sektenreferent, der die Unstimmigkeiten in Beziehungsverhältnissen für seine kirchliche und inquisitorische Aktivität benützt, trägt wohl nichts anderes als seine eigenen Schuldgefühle, die er mit seiner Religion haben muss, in eine Beziehung hinein.6) Es gibt Beispiele von Intervenierungen von Sektenreferenten in Familien, die zu schweren psychischen Krankheiten geführt haben. Erst nachdem die Aufklärungen darüber stattgefunden haben und die lügenhaften Einflüsse zurückgewiesen wurden, konnte eine vollständige Genesung herbeigeführt werden. Nicht Spiritualität macht den Menschen krank, sondern die fanatischen religiösen Zwänge, die die Freiheit des Menschen nicht respektieren. Die Vorgabe, man möchte den Menschen vor Sekte und Ausbeutung oder Abhängigkeiten bewahren, lässt sich keinesfalls logisch nachvollziehen. Ist es nicht die Kirche selbst, die die größten Reichtümer angehäuft hat und weiterhin nach Menschen, Besitz und Macht trachtet?7) Diejenigen Personen, die in Beziehungen intervenieren, oder bewusst lügen und Verleumdungen zum Schaden von Dritten setzen, können sich manchmal im irdischen Leben gute Stellungen mit einflussreichen Ämtern aneignen. Nach dem Tode jedoch, wenn sich die Seele befreit, erleben sie ihre wahre Kapazität. Der Schein der Macht im Irdischen entschwindet und eine extreme Entfernung zu den Hinterbliebenen und zu dem eigenen Selbst beginnt sich zu manifestieren. Diese Menschen erleben nach einer geistigen Sicht die Unerträglichkeit der Entfremdung. Sie fühlen sich wie verloren und finden keine Mitte. Siehe das Buch: Das Wesensgeheimnis der Seele.

Jene Menschen, die sich in der Kirche fanatisch bewegen und andere vor dem Verfall beschützen wollen, die andere ständig missionieren und mit Schuldvorwürfen in ihr Gewissen eindringen, sind zutiefst in ihrer Seele deprimiert. Das Phänomen des extremistischen Ergreifens anderer durch scheinbare Glaubensformeln existiert ebenfalls in Bibelkreisen, Yogagruppen und vielen anderen Einrichtungen.

Sektenmerkmal Beziehungszerstörung?

Die missionsfanatischen Menschen fühlen sich unbewusst wie verloren, von der Macht einer dunklen Hand umschattet. In dieser seelischen Verarmung und Umschattung wagen sie keine Selbstkritik, denn sie könnten niemals der Wirklichkeit ihres eigenen Irrtums gegenübertreten. Die missionarische und intervenierende Tätigkeit gegenüber Dritten müssen sie gewissermaßen aus kompensatorischen Gründen, infolge ihrer eigenen seelischen Schwere, leisten. Sie sind wie Instrumente, die ihre persönlichen Schattenseiten und ihr tief im Unbewussten liegendes Schuldgefühl auf Dritte projizieren. Der Guru sei nun schuld an der ehelichen Beziehungskrise. 8) Beziehungszerstörung gilt sogar als typisches „Sektenmerkmal“ Dass jedoch eine Beziehung geradewegs durch den ungesehenen Dritten, beispielsweise durch die versteckte Intervenierung eines Sektenreferenten leidet, bleibt unausgesprochen.

Die erste Aktivität, die für die Erhaltung oder Wiederherstellung einer Integrität in der Beziehung nötig ist, besteht darin, dass sich die Paare ehrlich miteinander begegnen und sich über Fremdeinflüsse im ausreichenden Maße ein Bewusstsein aneignen. Ungesehenen Dritten darf kein Platz in der Beziehung eingeräumt werden.

Es existiert eine fürchterliche und störende Neigung im Menschen, die besagt, dass er, wenn er von einer religiösen Wahrheit überzeugt ist, seinen Ehepartner ebenfalls für diese gewinnen möchte. Wie häufig sagt die Frau zum Mann, dass er endlich seinen Stammtisch verlassen solle und mit ihr Yoga praktizieren müsse. Er solle sogar auf ein Seminar gehen, damit er etwas für sein Heil beitrage. „Komm doch mit in den Yogakurs, Du musst doch etwas für Dich selbst tun.“ In Wirklichkeit spricht die Frau nur ihren Besitzanspruch an den Mann aus und will ihn mithilfe ihrer schwärmerischen Überzeugung weiterhin an sich binden.9) Das Gewinnen wollen des Anderen für ein Credo oder für die Teilnahme an einem Seminar ist ein Akt des Habens, des Materialismus. Die dialogfreudige inhaltliche Auseinandersetzung wäre im Gegensatz hierzu ein Akt des Seins. Vergl. Erich Fromm, Haben oder Sein Das Korrelat zu diesen eigenartigen Intromissionen in die Persönlichkeit des anderen besteht darin, dass viele Menschen beispielsweise in die Kirche nicht wegen religiösem Interesse gehen, sondern weil sie wollen, dass alles bei den sicheren Schätzen und Besitztümern des Alten bleibt.

Die missionarische Emotion innerhalb von Beziehungen stört jegliches harmonisches Miteinanderauskommen und wenn der Ehepartner Abwehrgefühle gegen die Yogaaktivität der Frau entwickelt, so mögen diese eine natürliche gesunde Reaktion sein. „Ich tue für mich selbst etwas, wenn ich an den Stammtisch gehe“, entgegnet der Mann. Der Begriff Spiritualität ist bei den missionarischen Überzeugungsmanövern noch nicht geklärt. Eine neutrale Auseinandersetzung mit spirituellen Inhalten wäre für jeden, der nach freier Geistigkeit strebt, dringendst angezeigt, denn wenn diese fehlt, wird es wohl keinen Vorteil verschaffen, wenn man den Ehepartner zu einem Kursbesuch oder einer religiösen Disziplin überredet.10) Spiritualität wird heute meist wie ein Weg des Egoismus verstanden. Wäre Spiritualität ein Gebiet der philosophischen Auseinandersetzung oder zumindestens von dieser maßgeblich begleitet, würde jede Beziehung eine Bereicherung erhalten. Derjenige, der eine freie Spiritualität mit wirklicher Auseinandersetzung beginnt, lernt eine natürliche inhaltliche Kommunikation und entwickelt eine Abscheu vor menschlichen Übergriffigkeiten.

Die Zurückweisung von Fremdeinflüssen

Die Intervenierung in die menschliche Privatsphäre kann schwerwiegende und verhängnisvolle Folgen bringen. Für eine gute Beziehungskultur müssen sich Familien und Paare miteinander ehrlich besprechen lernen. Ein Zeitungsartikel wäre erst nach dem Wahrheitsgehalt zu prüfen, bevor er zur Schlagwaffe in der Ehe wird. Der Mut zum Miteinander bedeutet durchaus nicht weniger, als dass man inhaltlich und thematisch miteinander in den Dialog tritt und nicht meinunsgbildende Systeme, den Sektenreferenten oder den Pfarrer zur Argumentation heranführt.

Der Einfluss auf Beziehungen von Dritten und von meinungsbildenden Systemen ist heute so groß wie noch nie und es wäre ein erster Schritt, dass man sich dieser Einflüsse, die täglich die private persönliche Sphäre belasten, bewusst wird.

Solange der ungesehene Dritte in einer privaten Situation mitwirkt und seine Schuldprojektionen abgibt, können keine guten Gefühle in einer Beziehung gedeihen. Die Menschen wollen sich in der Regel nicht trennen, sie wollen ein harmonisches Miteinanderauskommen und sie wollen sich verbunden fühlen. Die heimlichen ungesehenen Kräftewirkungen Dritter sind wie eine pausenlose Elektrizität, die mit der Zeit jegliches harmonische Miteinander verungestalten und die Paare zu ungewollten Trennungsaktionen zwingen.

Wenn es gelingt, dass ein Paar die fremden Motive, die durch heimliche Intervenierung in die Beziehung eingetreten sind, aufklärt, entwickeln sich erstaunliche, neue und freie Willenskräfte. Die gelungene Aufklärung eröffnet neue Perspektiven im Miteinander. Wenn das Wesen des ungesehenen Dritten mit seinem ergreifenden, beschwerenden und zerstörenden Motiv durch ein geeignetes Erkennen zurückgeordert wird, erlöst sich ein Schatten und der Morgenstern der Venus, der die Spiritualität zur aufgehenden Sonne verkündet, gewinnt seine anmutige Strahlkraft.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Die Venus und ihre Bedeutung für die Beziehung in: „Die Signaturen der Planeten und die Pädagogik“.
2 Eine Spiritualität wird dann sozialfähig und integrierbar z.B. im persönlichen oder beruflichen Leben, wenn der Dialog über spirituelle Inhalte auf rationaler Ebene möglich ist. Grundsätzlich wäre die Dialogfähigkeit ein Kennzeichen für spirituelle Sozialität. Fehlt diese Dialogfähigkeit nehmen meistens zwanghafte und materialistische Formen des Glaubens überhand.Vergl. auch Dorsch Lexikon der Psychologie: „Soziale Kompetenz ist ein Komplex von Fähigkeiten, die dazu dienen, in Kommunikations- und Interaktionssituationen entsprechend den Bedürfnissen der Beteiligten Realitätskontrolle zu übernehmen und effektiv zu handeln.“
3 Der Beruf des Sektenreferenten ist nicht geschützt. im Grunde genommen kann jeder diesen Beruf ausüben. Eine Berufsausbildung gibt es hierzu nicht. In kirchlichen Einrichtungen arbeiten die Sektenreferenten meist mit theologischem Grundstudium. Sie besitzen in den wenigsten Fällen ein Wissen über Spiritualität. Verschiedene Priester, die sich anthroposophisch geistigen Inhalten oder auch den Inhalten des Neuen Yogawillens hinwenden, bezeichnen die Sektenreferenten als Laien. Würde ein Nicht-Bergsteiger, der die Berge nur aus dem Fernsehen kennt, dem routinierten Bergsteiger Vorschriften über das Verhalten am Berg erteilen, so würde jeder über diesen Dilettanten lachen. Auf dem Gebiet der Spiritualität jedoch richtet die Kirche verbunden mit einer großen Anzahl von Laien über Dritte, die eine aktive Spiritualität pflegen. Die Urteile von Laien über Spiritualität verfehlen nicht nur das Fachgebiet, sondern muten grotesk an. Sie sind wohl immer ein Ergebnis von Projektionen aus der eigenen persönlichen Konfliktsphäre.
4 Wörtlich übersetzt: Zwischen Ehefrau und Ehemann lege nicht den Finger.
5 In der Bhagavadgita Kap. 3 Vers 35 heißt es:
shreyan svadharmo vigunah paradharmat svanusthitat
svadharme nidhanan shreyah paradharmo bhayavahah.
Besser ist es, das eigene Gesetz des Wirkens, swadharma, zu erfüllen, auch wenn es an sich noch fehlerhaft ist, als das Gesetz eines anderen, selbst wenn es vollkommener ist.
Den Tod im Gehorsam gegen das eigene Wesensetz zu erleiden, ist vorzuziehen. Gefährlich ist es, einem fremden Wesensgesetz zu folgen.“
[Übersetzung durch Sri Aurobindo.]

Die Intromission in Beziehungen ist nach der indischen Philosophie ebenfalls wie ein fremdes Wesensgesetz.

6 Es gibt Beispiele von Intervenierungen von Sektenreferenten in Familien, die zu schweren psychischen Krankheiten geführt haben. Erst nachdem die Aufklärungen darüber stattgefunden haben und die lügenhaften Einflüsse zurückgewiesen wurden, konnte eine vollständige Genesung herbeigeführt werden. Nicht Spiritualität macht den Menschen krank, sondern die fanatischen religiösen Zwänge, die die Freiheit des Menschen nicht respektieren.
7 Diejenigen Personen, die in Beziehungen intervenieren, oder bewusst lügen und Verleumdungen zum Schaden von Dritten setzen, können sich manchmal im irdischen Leben gute Stellungen mit einflussreichen Ämtern aneignen. Nach dem Tode jedoch, wenn sich die Seele befreit, erleben sie ihre wahre Kapazität. Der Schein der Macht im Irdischen entschwindet und eine extreme Entfernung zu den Hinterbliebenen und zu dem eigenen Selbst beginnt sich zu manifestieren. Diese Menschen erleben nach einer geistigen Sicht die Unerträglichkeit der Entfremdung. Sie fühlen sich wie verloren und finden keine Mitte. Siehe das Buch: Das Wesensgeheimnis der Seele.
8 Beziehungszerstörung gilt sogar als typisches „Sektenmerkmal“
9 Das Gewinnen wollen des Anderen für ein Credo oder für die Teilnahme an einem Seminar ist ein Akt des Habens, des Materialismus. Die dialogfreudige inhaltliche Auseinandersetzung wäre im Gegensatz hierzu ein Akt des Seins. Vergl. Erich Fromm, Haben oder Sein
10 Spiritualität wird heute meist wie ein Weg des Egoismus verstanden. Wäre Spiritualität ein Gebiet der philosophischen Auseinandersetzung oder zumindestens von dieser maßgeblich begleitet, würde jede Beziehung eine Bereicherung erhalten. Derjenige, der eine freie Spiritualität mit wirklicher Auseinandersetzung beginnt, lernt eine natürliche inhaltliche Kommunikation und entwickelt eine Abscheu vor menschlichen Übergriffigkeiten.

3 Replies to “Die individuell orientierte Spiritualität – und die Entwicklung von Beziehungsfähigkeit”

  1. Der Artikel beschreibt eindrücklich, was in der psychologischen Praxis zur täglichen Routine gehört: das Unglück schwieriger oder gescheiterter Beziehungen und die scheinbare Unmöglichkeit, gemeinsam in einen guten, förderlichen Dialog und Austausch zu kommen. Der unsichtbare Dritte existiert auf vielfältige Art und Weise und ich denke, dass die Kirche, übernommene Moralvorstellungen oder anerzogene Einstellungen wie ein unsichtbarer Vierter immer eine versteckte, meist unbewusste Rolle spielen. Der agierende Dritte mit seinen Besitzansprüchen und Bindungsabsichten hat dabei eine Machtposition inne, die ihm von einem der Partner uneingeschränkt eingeräumt wird. Und dies selbst dann noch, wenn im Gespräch die Unrechtmäßigkeit des Übergriffs bereits deutlich wurde. Häufig sind es Verlustängste und mangelndes Selbstvertrauen, die den mutigen Schritt in die Paarbeziehung verhindern. Gelingt es jedoch ein gemeinsames Thema, eine gute inhaltliche (spirituelle) Ausrichtung und Zielsetzung zu finden und diese in die Umsetzung zu bringen, so entstehen erstaunliche Bewegungen, Erlebnisse und Gespräche, die das Vertrauen in die Tragfähigkeit der Beziehung und in das Miteinander stärken.
    Besonders treffend und schön finde ich den Satz: „Die Besserwisserei und moralisierenden Belehrungen Dritter stören das Gefühlsleben im persönlichen und einzigartigen Miteinander und rauben die natürlichen Korrekturen, die sich Paare selbst lernend auferlegen.“ Auf die Kraft der natürlichen Korrekturen kann vertraut werden, und diese können eben nur stattfinden, wenn die Basis der Beziehung stabil genug ist, Stürme auszuhalten und diese im ehrlichen Dialog zu klären. Auf diese Weise bietet die Paarbeziehung eine große und nicht endende Möglichkeit der Entwicklung.

  2. Revolution der Sinne
    Vielen Dank für diese klaren Worte. Was mit dazu einfällt und was wir dringend brauchen, das ist eine „Revolution der Sinne“. Wie dringend das zeigt die aktuelle Entwicklung des Digitalen.
    Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung zeigt uns eine inzwischen rasant fortschreitende Ersetzung der menschlichen Sinneswahrnehmung. Bewusstsein wird ersetzt durch digitale und virtuelle Prozesse. Diese Ablösung von Bewusstseinsprozessen wird umso besser gelingen, je mehr der Sinnesorganismus nicht als Ich-, sondern als Tast-, Reiz- und Reflexionsorganismus wahrgenommen wird. Das Ergebnis können wir in der Umgebung beobachten: Schwächung der Willens- und Initiativkraft, Zerstörung der Ich-Gegenwart und der Freiheitsempfindung, Schwinden an Feinheit in den physichen und seelischen Wahrnehmungen. Der Mensch wird immer mehr in ein reduziert psychosomatisches Subjekt verwandelt und damit immer mehr abgetrennt von seinem geistigen Wesen und seiner eigenen Natur. Künstliche Intelligenz wird keine Zukunft gestalten, weil sie sich ausschließlich von Vergangenem bedienen kann.

  3. Genauso habe ich das vor über 15 Jahren selbst erlebt: Der Sektenreferent wurde heimlich von meinem damaligen Mann aufgesucht, weil es erhebliche Eheschwierigkeiten gab. Mein heutiger Ex-Mann machte damals meinen Yogakurs bei Yoga Vidya dafür verantwortlich. Ich habe das erst lange nach unserer Trennung erfahren. Wenn ich das lese, was Sie hier schreiben, wird mir klar, wie groß der Einfluss von dieser Seite war und vor allem, dass der eigentliche Konflikt munter projiziert wurde auf Yoga Vidya.
    Sie haben den Mechanismus und die verborgenen Motive sehr schön herausgearbeitet. Vielen Dank!!!

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