Fortsetzung des Artikels „Die Krebskrankheiten werden auch in Zukunft zunehmen“ von Heinz Grill
Das natürliche Sonnenlicht, ungefiltert und rein, mild und erwärmend, schenkt für den menschlichen Organismus eine natürliche Anregung der Peripherie, die im Allgemeinen strukturierende Prozesse bis in das organische Innere fortleitet. Das Gegenteil von formenden, strukturierenden Kräftewirkungen bilden die vielen Auflösevorgänge, die beispielsweise bei Entzündungen und zuletzt sogar bei der wuchernden Tumorkrankheit zu beobachten sind, bei der das Gewebe nicht nach geordnetem Aufbau eine natürliche und schöne Form gewinnt, sondern sich in chaotisierendem, undifferenziertem Wachstum fortbewegt. So wie der einzelne Mensch durch die Erziehungen in seiner Kindheit durch das Erlernen der Sprache und handwerkliche Geschicklichkeit, durch geordnete Regelbefolgungen eine natürliche Struktur für das Leben entwickeln muss, im gleichen Maße müssen sogar die Sinne eine gewisse Lenkung, Ordnung und detaillierte Ausformung erhalten. Allgemein wird die rechte Sinneslenkung im Yoga mit pratyahara benannt.
Es wird wohl dem Menschen niemals gelingen, dass er die Sinne nur auf schöne und angenehme Phänomene richtet und alles hässliche oder brutale Weltgeschehen übersieht. Pratyahara ist das fünfte Glied des raja-Yoga nach Patanjali und es heißt in den Interpretationen, dass der Übende der Meditation die Sinne von den Objekten der Außenwelt zurückziehen muss, um sich für eine höhere Konzentration und geistige Erkenntnis vorzubereiten. Sowohl von den angenehmen als auch den unangenehmen Erscheinungen muss sich der Meditierende abwenden, damit er auf die nächsten Stufen einer übersinnlichen Wahrnehmung klettern lernt und Erfahrungen in einer Wirklichkeit sammelt, die den allgemeinen Wahrnehmungen nicht mehr zugänglich sind.
Die rechte und bewusste Betätigung der Sinne führt den Menschen zu einem geordneteren Beziehungstableau mit allen Erscheinungen, die die Welt bietet, und das Wesentliche ist es, dass diese Disziplin eine Möglichkeit bietet, den vielen Auflösungsprozessen, die beispielsweise bereits durch das abgeschirmte Sonnenlicht und durch viele andere übergreifende Reizerscheinungen wirken, mit einer klareren Formstruktur entgegenzuwirken. Was aber muss der Einzelne im Praktischen tun, damit er nicht nur die Augen schließt und bei sich zu träumen beginnt? Wie sieht die praktische Disziplin des pratyahara in ersten und einfachen Zügen aus?
Die Augen bleiben durchaus einmal geöffnet und der Übende wird sich bewusst, dass er eine ganze Menge unbewusster Emotionen, Wünsche und intellektuelle Schnellinformationen durch diese transportiert. Er blickt beispielsweise auf eine Waldlandschaft und überträgt sofort das Bedürfnis, dorthin einen Spaziergang zu unternehmen, mit seinem Sinnesprozess auf die gesehenen Bäume und Formen. Genau genommen erlebt sich der Mensch durch viele Bedürfnisse der Sympathie oder Antipathie und durch inneliegende Emotionen nicht in der Wirklichkeit der betrachteten Außenwelt, sondern er erlebt zu einem hohen Grade seine Innenwelt. Die Projektionen durch die Sinne sind unendlich weit verströmt und man muss nur einmal erwägen, wie eine Frau einen Mann und ein Mann eine Frau anzusehen vermag. Die eigennützigen Bedürfnisse leben wie eine ungesehene monströse Echse in den Sinnen. Das Sehen der Außenwelt, wie sie ist, behindert sich durch die eigene beladene und ungeläuterte Innenwelt. Der erste Prozess, die Sinne frei von den eigenen Emotionen und den daraus entstehenden Projektionen zu machen, besteht darin, dass man ein Objekt in der Außenwelt oder beispielsweise eine Textstelle objektiv für längere Zeit, vielleicht für zwei bis fünf Minuten beobachtet. Schließlich wendet man den Blick von diesem Objekt hinweg und versucht, das Gesehene nach objektiven Kriterien zu beschreiben. Was und welche Worte standen in dem Text, wie ist der Hauptgedanke, die Aussage, das Satzgefüge nach gegebener Wirklichkeit? Unsicherheiten, die sich schließlich ergeben, können jederzeit durch eine Wiederholung der Sinnesbetrachtung überwunden werden, sodass die Wirklichkeit, wie sie ist, ganz zur Realität erscheint. Der sich so Übende gewinnt den Standpunkt des sogenannten Zeugen, der beispielsweise im Yoga sakshi genannt wird.
In jedem Fall muss der Übende sein motorisches und automatisches Innenleben aus dem Sinnesprozess für wenigstens einige Phasen verbannen, damit er zu einer objektiven Wahrnehmung der Außenwelt gelangt. Pratyahara bedeutet deshalb nicht, wie es häufig beschrieben wird, das vollständige Zurücknehmen der Sinne, das Schließen der Augen und aller Wahrnehmungsorgane, sondern es bedeutet vielmehr das bewusste vorgenommene Wahrnehmen ohne eigene Projektionen. Nicht eine Leere entwickelt sich, sondern ein wirklicher Sinnesprozess mit wachsender Fülle. Das sensible Nervensystem gewinnt eine deutliche Stärkung durch objektive und geführte Wahrnehmungen und in der Folge können auch die motorischen Nerven eine Stärkung erfahren. Überwiegen aber von allem Anfang die motorisch automatisierten Prozesse in den Sinnen, schwächen sich im Allgemeinen die gesamten Nerven und der Mensch ist wie ein Spielball von vielen Reizen, Meinungen und Suggestionen.
Durch die objektive Betrachtung, frei von eigenen Projektionen, formt sich der gesamte Mensch und er gewinnt darüber hinaus eine bessere Beziehung zu den äußeren Phänomenen der Welt. Eine ruhige Gedankenbildung begleitet in der Regel jede objektive Wahrnehmung und schenkt jene gesundheitsfördernden, sogenannten formenden Kräfte, die das Sonnenlicht ebenfalls in seiner Natur beinhaltet. Indem der Übende sich jeden Tag für einige Minuten Zeit nimmt und ein Objekt, am besten sogar einen geeigneten Meditationsinhalt zur Betrachtung vornimmt und sich von seinem eigenen Innenleben frei macht, entwickelt er eine bessere Sinneslenkung. Die Sonne, die heute abgeschirmt wird, muss auf diese erste Weise durch einen freudigen und schönen, klaren und gelenkten, mit edlen Gedanken erfüllten Sinnesprozess im Menschen auferstehen.
Diese Entwicklungen eines gesunden Wahrnehmungs- und Sinnesprozesses, verbunden mit Gedankeninhalten, die nicht aus der motorischen und emotionalen Sphäre der menschlichen Wunschwelt kommen, geben wachsende Formkräfte, die sowohl bei Entzündungen als auch bei Zelldegenerationen eine heilsame Atmosphäre eröffnen.
Auf eine Fehlerquelle soll zuletzt noch einmal hingewiesen werden. Im Yoga unterscheidet man eine advaita-Philosophie von einer dvaita-Philosophie, eine nicht-duale Ebene von einer dualen. Der Vorwurf wird gerne an den Autor herangetragen, dass er eine dvaita-Philosophie, eine materialistische Dualität vertrete. Die Welt sei doch eine große Einheit und der Geist und die Materie sind Resultate der Göttlichkeit. Welche Antwort muss ich selbst auf diese sehr unbeholfene Kritik geben? Für ein gesundes In-der-Welt-Stehen und ein bewusstes In-Beziehung-Treten muss der einzelne Mensch die Welt und darüber hinaus die verschiedenen Gesetze, irdische wie auch geistige, erkennen lernen. Versäumt er diese Disziplin und lebt er sich illusorisch auf einer advaita-Ebene ohne Kenntnis und Erkenntnis ein, wird er ein Weltenträumer und entfremdet sich von seinem eigenen schöpferischen Potenzial. Erst die richtige Kenntnis und Erkenntnis der Dualität und die Unterscheidung der eigenen Projektionen von einem wirklichkeitsgetreuen Wahrnehmen führt zu Beziehungen und ersten versöhnenden Empfindungen. Die Kenntnisse der Dualität gehen deshalb der Erfahrung der Nicht-Dualität voraus.1) Weiterführendes zu diesem Thema finden Sie in den Büchern Übungen für die Seele, Synergiaverlag, 3. Auflage 2022 und Erklärung, Prophylaxe und Therapie der Krebskrankheit, Lammers-Koll-Verlag.
Anmerkungen
⇑1 | Weiterführendes zu diesem Thema finden Sie in den Büchern Übungen für die Seele, Synergiaverlag, 3. Auflage 2022 und Erklärung, Prophylaxe und Therapie der Krebskrankheit, Lammers-Koll-Verlag. |
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