Rudolf Steiner sprach sich erheblich gegen den Yoga aus. Gemeint war mit dem Begriff „Yoga“ bei Rudolf Steiner jedoch nicht eine Körper-, Atem- und Übungsgymnastik, wie sie heute allgemein für die Gesundheit praktiziert wird, sondern ein intensiver Einweihungsweg in die geistigen Welten, in dem die Schöpfungsgeheimnisse in lebendigen Schauungen empfunden wurden.
Nachfolgend sind einige Aussagen von Rudolf Steiner zitiert, die einen Einblick in seine Sicht und Darstellung zum Yoga geben.
„Das Bestreben des fünften nachatlantischen Zeitraums (1413-3573 n. Chr.) muß sein, wiederum etwas im Menscheninneren zu finden, wo sich in dem, was wir in uns finden, zu gleicher Zeit ein äußerer Prozeß abspielt. … Wir können als Menschen der Gegenwart dies nicht etwa dadurch erreichen, daß wir zurückgreifen auf die Yoga-Kultur; die ist etwas Vergangenes.“ – „Die geistigen Wesenheiten elementarer Natur, …die kann man atmen, wenn man heute Yoga-Atmen treibt. Aber dasjenige, was in der normalen Atmung vor drei Jahrtausenden erlangbar war, das kann nicht auf künstliche Weise zurückgebracht werden. Daß das zurückgebracht werden könne, ist die große Illusion der Orientalen.“ [1]
“Diese orientalische Yoga-Schulung ist der Weg, welcher zu dem Gipfel der Erkenntnis hinaufführt bei einer so organisierten Natur, wie die Angehörigen des alten indischen Volkes sie hatten. Für den heutigen Europäer würde derselbe Weg so unsinnig sein, wie wenn jemand, der an einem bestimmten Fußpunkte eines Berges steht, erst um den Berg herumgehen wollte, um einen Weg zu suchen und zu benützen.” [2]
„Diesen Prozeß, der in der Jogaübung durchgemacht worden ist, können wir nach der Organisation unserer gegenwärtigen Kultur nicht nachmachen; und wir sollen ihn nicht nachmachen. Er würde uns herunterwerfen in die leibliche Organisation. Es liegt gewissermaßen unser Seelenleben nicht mehr auf dem Felde, auf dem das Seelenleben des Inders lag.“ [3]
„Die Art und Weise, wie orientalische Völker vorgedrungen sind zu den höheren Welten, ist überliefert und wird in dekadenter Form noch vielfach heute in Asien drüben, bei einer anderen Leibesorganisation, bei einer anderen Körperkonstitution geübt als Joga-Übung. Das ist nichts, was man im Abendlande zu unserem Heile aufnehmen kann. Das läuft instinktiv, unbewußt ab, während all dasjenige, was ich geschildert habe, bei vollem Bewußtsein, mit vollem Willen abläuft.“ [4]
Heinz Grill betrachtet den Yoga ebenfalls auf differenzierte Weise und unterscheidet verschiedene Zielsetzungen, die mit der Praxis verbunden sein können. Einige wesentliche Aussagen, die seine Sichtweise charakterisieren, finden sich in den folgenden Zitaten:
“Wenn man Yoga nur als körperliche Übungsgymnastik zur Stressbewältigung oder Gesundheitsverbesserung benützt, müssen sich keine größeren Diskussionen über die Sinnfrage und Gefahren, die sich aus einer orientalischen Praxis ergeben, entwickeln. Anders ist es aber, wenn erlebbare Spiritualität mit einer Yoga-Praxis beabsichtigt ist und die traditionellen Begriffe relativ leichtfertig adaptiert und vom Stand der jetzigen Entwicklungsgeschichte in intellektueller Weise interpretiert werden. Die willentliche Fixierung an den Körper und Atem, die energetische Steigerung im Sinne einer persönlichen Selbstwahrnehmung, und schließlich die Sehnsucht, sich selbst in ein angenommenes und unbekanntes sogenanntes Geistiges hinein zu leben, sich selbst mit seiner Persönlichkeit im Kosmos wie in einer Art Weltenflucht zu erleben, anstelle den Geist zu entwickeln und mit diesem die Welt sozial zu gestalten, entsteht heute infolge der mangelnden Begriffserkenntnisse nicht gerade selten.” [5]
“Die Yoga-Übungen werden deshalb auf eine neue und künstlerische Weise interpretiert. Der ästhetische Ausdruck der Übungen ist wichtiger als die äußere körperlich angewandte Technik oder die Perfektion des Körpers, denn im Ausdruck spiegelt sich in graziler Feinheit die Seele des Menschen in ihrer entwicklungsfreudigen Erkenntnis.“
„Die gesamte Übungsweise im Neuen Yogawillen gründet sich demnach auf eine seelisch-geistige Arbeit, die der Praktizierende in Beziehung zu den Übungen setzt, beispielsweise zu den asana-Übungen, und anhand dieser das Bild des Selbstes oder des Iches des Menschen definiert. Die Seele und der Geist drücken sich durch den Körper aus und je nach Regsamkeit dieser höheren Glieder des Menschen gewinnt die Übung ihren schönen künstlerischen Ausdruck. So wie ein Künstler sich in seiner Malerei seelisch ausdrückt, so offenbart sich der Übende mit seiner inneren Aktivität durch die asana. In der Malerei würde niemand wagen, sich selbst durch die Farbe zu definieren und es würde ebenfalls niemand behaupten, das geschaffene Bild gebe dem Menschen sein Seelenleben und sein Selbst. Es ist der Mensch mit seiner kreativen Fähigkeit, der dem Bild die ausdruckskräftigen Gefühle verleiht.
Aus diesem Grunde wird ein Hineinleben in das Geistige mit Hilfe von Übungen und Intensivierungen des Atems abgelehnt und dem Individuum eine grundsätzlich freie und privilegierte Stellung eingeräumt. Die Übung sollte einen sekundären Charakter einnehmen, während die schöpferische Tätigkeit in Bezug zum Üben und zum sozialen Leben einen primären Rang gewinnt.“
„Die Entwicklung einer objektiven (nicht subjektiven) Hellsichtigkeit, wie es die Anthroposophie in ihrem Schulungsweg vorschlägt, erscheint für diese neu interpretierte Schulung des Yoga deshalb sinnvoll, da mit ihrer Hilfe die traditionellen Begriffe in eine Erkenntnis rücken und sich die spirituelle Praxis des Yoga aus einem reiflichen Standpunkt des Menschen entfalten lässt.“
„Wenn der Yogapraktizierende mit dem Körper und dem Atem übt, bleibt er in der Regel in seinen in ihm aufgespeicherten Gefühlen und bisherigen Lebenserfahrungen. Nach einer esoterischen Erkenntnis müsste man sagen, er verharrt in seinem karma, in seinem eigenen Schicksal, er bewegt es nur durch den Atem und durch die asana innerhalb eines großen, ihm unbewusst gegebenen Bindungsschemas. Es ist das Yogaüben etwa wie eine Luftveränderung. Man öffnet ein Fenster, damit die verbrauchte Luft wieder neu versorgt wird. Die frische Luft aber schenkt keinen neuen seelisch-geistigen Inhalt, es fehlen die Kräfte, die eine Transformation leisten könnten.
Indem der Übende jedoch neue Gedanken als sogenannte Imaginationen in die Übung hinein führen lernt, beginnt er seine Persönlichkeit zu transformieren und er kann das Schicksal, das karma, langsam übersteigen. Dieser Weg ist jedoch schwieriger, denn er führt von dem Geist und der Seele zum Körper und nicht vom Körper zur Seele und zum Geist.“ [6]
Barbara Holzer
Quellen