Von Heinz Grill am 7.2.2024
„Dem Stoff sich verschreiben, heißt Seelen zerreiben.“
Dieser erste von drei Wahrheitssätzen von Rudolf Steiner beschreibt ein zeitgemäßes Phänomen, das aus mangelnder Kenntnis sehr häufig von revolutionären Personen auf das gewöhnliche Bürgertum projiziert wird.
Wenn man eine Übung ausführt und sich längere Zeit durch Konzentration mit der nachtodlichen Welt auseinandersetzt, das heißt mit dem Seelendasein in körperfreier Hinsicht, wie es beispielsweise Rudolf Steiner in seinen Erkenntnisgrundlagen vielseitig beschreibt, wird man zu dem Ergebnis kommen, dass all jenes, das der Mensch im Irdischen an wirklichen Werten entwickelt hat, nach dem Tode ebenfalls ein bleibendes, verbindendes Geschenk darstellen wird. Der einzelne Mensch wird, wie er sagt, nach dem Tode wahr. Das Buch über die Seelendimension des Yoga beschreibt ebenfalls Werte, wie sie in Übungen hineingelegt werden können, damit ein erhaltendes, wahrheitsgemäßes und dauerhaftes Gefühlsleben geschaffen wird.
Es zeigt sich sehr deutlich, wenn man auf die Arbeit blickt, die auf diesem Gebiete der Seelenforschung erfolgt, dass gerade das Revolutionieren gegen die Zeit am meisten die Seelen verzehrt und zerreibt, denn die wertvollsten Phasen im Leben gehen mit den polarisierenden Weltverbesserungsvorschlägen verloren. Es ist die Lügenhaftigkeit der heutigen Bedingungen in Politik, Wirtschaft und medizinischen Forschungen tatsächlich unerträglich und lässt keine anderen Schlüsse zu, als dass die Menschheit sich darin selbst zerstört. Eine genaue Betrachtung der Seelensituationen sowohl im Diesseits als auch im Jenseits offenbart aber, dass der Einzelne, wenn er zu sehr in eine Polarisierung mit der Welt strebt oder sich ohne genaue Kenntnisse der wirklichen Umstände schon als ein besserer Zeitbürger fühlt, nichts anderes unterstützt, als den Mammon in seinen phänomenalen Wirksamkeiten durch den Menschen.
Ein sehr lobenswerter Ansatz ist es, wenn man einfach die Medienpolitik mit ihren vielen Falschmeldungen dahingehend boykottiert, indem man keine Zeitungen kauft und das Internet mit den vielen Manipulationen bewusst abschaltet, sodass sich die Aufrufzahlen verringern. Eine Distanz zum Negativen in der Zeit muss nämlich unbedingt gefunden werden, denn sonst verzehrt sich ebenfalls der Mensch.
Wie viele Menschen zerreiben sich aber gerade aus dem Grunde, weil sie keine wirklichen Ansätze finden und das Unheil in der Welt anprangern? Wie sehr werden Kinder in Schulen einseitig belastet? Darüber wird es wohl keine großen Zweifel geben. Eine besondere Gunst den Kindern aber zu geben, indem man die Note sechs mit 50 Euro belohnt, weil diese eine Lernverweigerung demonstrieren und deshalb die richtige Wahl getroffen haben, übersieht die Notwendigkeit des wirklichen Bemühtseins um wahre Integrität. Die Gefahr, Spaltungstendenzen in der Psyche mit wachsendem Desinteresse zu fördern, kann auf diesen Wegen eintreten. Das unsolide und auf mangelnder Integration beruhende Revolutionieren sollte von Eltern nicht gefördert werden, sondern es sollten die Wege, wie sie in einigen sehr guten Privatschulen gelungen sind, mit guter pädagogischer Zusammenarbeit gelöst werden.
Ein weiterer Aspekt, wie Seelen sich zerreiben können, ist es, wenn man zu etwas „Ja“ sagt und in Wirklichkeit im Voraus weiß, dass die Umstände, die eintreten werden, keinen günstigen Verlauf nehmen können. Die Motive, die zu einem Begegnungstreffen vorliegen, sollen nicht zu stark divergieren. Fehlen die Absprachen mit klarer Deutlichkeit und versäumt man vielleicht aus Nachlässigkeit oder Mutlosigkeit, einige wesentliche Kernpunkte zu klären, entstehen schließlich die verschiedensten Erwartungen und an diesen können sich schließlich die Emotionen zerreiben.
Eine gute Organisation mit klaren Bezügen zu vorgenommenen Themen und eine sorgfältige Klärung von Kompetenzen oder auch fehlenden Kompetenzen, damit jeder seine Position findet, ist für alle Begegnungen in der Zukunft sehr wichtig, denn wenn diese fehlen, können unerwartete Ereignisse mit plötzlichen großen Unzufriedenheiten auftreten.
Ein weiterer Wahrheitsspruch von Rudolf Steiner heißt:
„Im Geiste sich finden, heißt Menschen verbinden.“
Im Allgemeinen lässt dieser Satz sehr viel Freiheit zu, da das Wort Geist sehr weit Allgemeingültigkeit in Anspruch nimmt. Etwas genauer interpretiert würde es heißen, dass der Geist immer mit einem objektiven, allgemeingültigen oder besser sogar ausgedrückt, universal wahren Inhalt benennbar ist. Wenn sich Personen beispielsweise zu einer Mathematikstunde treffen und sich bestimmten arithmetischen Lernstudien hinwenden, lernen sie sich in einem natürlichen menschlichen Sinne kennen und sie verbinden sich über das fachliche Thema.
Schwieriger ist es, sich im Fachlichen mit Spiritualität zu begegnen, da diese nicht so eindeutig und klar mit fachlicher Kompetenz verfügbar ist. Ein Mathematiklehrer würde beispielsweise eine Rechenart, die falsch ist, korrigieren, während jemand, der in Spiritualität gegründet ist, meist mit größter Vorsicht vorgehen muss, wenn er eine fehlerhafte Anschauung oder irrtümliche Interpretation von Geistinhalten bemerkt. Die Spiritualität ist deshalb so sehr sensibel, da sie viel zu viel mit den innersten veranlagten Gefühlen und Emotionen verbunden wird und deshalb nicht so leicht in freier fachlicher Kompetenz vertreten werden kann.
Ein Beispiel kann hierzu erfolgen: Rudolf Steiner sprach, dass der Pädagoge das Kind in die Mitte stellen muss. Leidliche Erfahrungen existieren in den Erziehungsgeschichten, wenn die Eltern das Kind mit Ansprüchen, beispielsweise dass das Kind eine akademische Laufbahn einschlagen muss, weil sie selbst Akademiker sind, im gut gemeinten Sinne ihrer eigenen Eitelkeit erziehen wollen. Früher gab es sogar noch die Prügelstrafe und so Mancher älteren Jahrgangs kann ein Leid von dieser Zeit berichten. Kinder wurde indoktriniert oder im Sinne eines Systems erzogen, damit sie genau jener Bürger werden, den man sich im Gesellschaftssinne brauchbar vorstellt. Aber wie ist es heute? Man stellt plötzlich die Kinder in einem anderen, bindenden Sinn als Idole in die Mitte und obwohl man sie infolge mangelnder eigener spiritueller Entwicklung und insuffizienten Partnerschaftsbeziehungen für sich selbst braucht, glaubt man, man hätte die Bestätigung für Rudolf Steiners Aussage gefunden. Wird ein Kind wirklich gesehen, wird es im Ringen im Sinne der werdenden Erdenumstände wahrgenommen, erhält es von den Lehrern und Eltern das größte Geschenk. Es ist dann gewissermaßen im objektiven Sinn einer gesunden Willensstellung in der Mitte und die Eltern oder Lehrer finden ebenfalls eine Mitte in ihrer Aufgabe der Erziehung. Die Verwechslung von Bindungen mit Liebe, falsche Ideologisierungen und emotionale Zugriffe belasten heute die Kinder genauso wie die dogmatischen Übergriffigkeiten der älteren Erziehungsmodelle.
Wie kann Illusion von wirklicher Spiritualität unterschieden werden?
Diese Frage stellt sich bei sehr vielen sowohl jungen Personen als auch geübten Lehrern der Anthroposophie, des Buddhismus und der verschiedenen Pfade der Geistschulen. Sie bildet ein großes und umfassendes Kapitel und es ist günstig, wenn sich jeder, der sich auf einen spirituellen Weg begibt, zumindest bewusst wird, dass er auch in einem Irrtum gefangen sein kann. Es gibt emotionale Täuschungen, bei denen eine Verwechslung mit Spiritualität vorliegt, etwa wenn jemand eine labile psychische Kondition besitzt und, wenn man es mit einfachen Worten ausdrückt, in einem sehr wackeligen Leib-Seele-Verhältnis atmet, ein Verhältnis, bei dem das Bewusstsein nicht ausreichend mit dem Körper zusammenwirkt, eine Kondition, die heute außerordentlich häufig vorkommt, und dabei wird es unweigerlich als Versuchung vorkommen, dass man ein sogenanntes Exkarnieren, eben ein schnelles Entweichen des Bewusstseins aus den körperlichen Zusammenhängen, mit Spiritualität verwechselt. Mediales Channeling oder besondere Sensibilitäten für energetische Schwingungen sind nicht selten die Folge eines aus den Zusammenhängen entglittenen Bewusstseins. Ebenfalls führen Traumen zu jenen labilen Leib-Seele-Konditionen und lassen sogenannte verdeckte Intrusionen hochsteigen, die sich in das Bewusstsein hineinbegeben und eine Art spirituelle Erfahrung vortäuschen. Die Unterscheidung von körperabhängigen energetischen Erlebnissen zu körperfreien, durch das Bewusstsein mühsam erarbeiteten Vorgängen, die aber auf gesunde Weise auf den Körper strukturierend zurückwirken, wäre für die kommende Zeit wichtig.
Grundsätzlich wäre ein Schulungsweg mit sehr soliden Lernschritten zur Meditations- und Konzentrationsbildung, zur Unterscheidungsbildung von körperfreien und körperabhängigen Energien sowie ein außerordentlich fundiertes Studium, das man in orientalischen Schulen mit svadyaha bezeichnet hat, einer Selbstreflexion und einer Erforschung von spirituellen Schriften, unumgänglich. Ein Studium der Schriften wäre wichtig und nicht ein sofortiges Benützen derselben, denn der Glaube, man verstehe bereits die Aussagen von Rudolf Steiner, ohne sie tiefgründig erforscht zu haben, kann zu einer sehr großen Abhängigkeit führen.
Im Allgemeinen wird man den spirituellen Fortschritt ganz besonders darin bemerken, dass man sich immer tiefgreifender in Themen und auch in andere Menschen hineinversetzen kann. Es müsste für die Zukunft gerade auf dem Gebiet der Begegnungen mit spirituellen Themen ein fundiertes Erfassen der Wirklichkeit erfolgen. Das Persönliche verdient Würdigung, die freie Anschauungsbildung nimmt ebenfalls eine bedeutungsvolle Position ein. Es muss jedoch angesprochen werden können, wenn Spiritualität proklamiert wird und diese aber grundsätzlich falsch ist oder, was meistens der Fall ist, wenn diese auf so verschrobene und verkehrte Weise zum Ausdruck kommt, dass sie sich wie im verklärten Zustand, subjektiv und vereinnahmend zeigt und dennoch völlig emotional gebunden ist. Die Sachlichkeit wäre in der Fachkunde aller geistiger Bemühung mindestens ebenso hochzuhalten, wie diejenige auf einem mathematischen Gebiet.
In einen geistigen Inhalt oder in einen Menschen sich hineinzuversetzen, ist jene Disziplin, die in der Spiritualität wegweisend für die Zukunft ist. In diesem Sinne heißt der dritte Wahrheitssatz von Rudolf Steiner:
„Im Menschen sich schauen, heißt Welten erbauen.“
Ein Gegenbild zeigt sich in der Angst vor Kritik und in der Unantastbarkeit von getätigten Aussagen zur Spiritualität. Obwohl fundierte Darlegungen nur durch fachliche Kenntnis beurteilt werden können, so muss dennoch sowohl der Mensch, der sie tätigt, als auch die Aussage selbst ins Licht der Betrachtung gerückt werden dürfen. Welche Systeme sind nicht antastbar? Dies sind immer die totalitären Systeme wie Impfdogmen, Corona-Definitionen, Diktatoren und leider auf dem spirituellen Gebiet falsche Ansprüche. Wenn jemand beispielsweise behauptet, es sei der Seelenraum des Menschen verletzt, wenn ein Anderer seine getätigte spirituelle Aussage kritisch betrachtet, dann verschanzt er sich wie in einem pseudoartig errichteten Schutzmantel hinter seiner eigenen Bindung und tut sich selbst wie auch den Mitmenschen keinerlei Gefallen. „Im eigenen spirituellen Ego sich schützen, heißt Bindungen benützen.“
Das essentielle Buch von Rudolf Steiner „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten“, ganz besonders mit den verschiedenen Darlegungen über die Vorbereitung zur Geistschulung, wäre eine grundsätzliche und fundierte Literatur, die nicht genau genug studiert werden kann. Ebenfalls wäre von meiner Seite als allgemeine Grundlage die Ausarbeitung der Chakren in meiner Publikation „Die sieben Lebensjahrsiebte und die sieben Chakren“ sehr empfehlenswert, da die einzelnen Wege, wie man ein Chakra entwickelt, noch gar nicht weit genug dargestellt wurden.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Desillusion
Die Desillusion die man erleben kann im Gefühlsleben, z.B. wenn man durch einen sehr weisen und würdigen Menschen korrigiert wird, ist keine Abminderung, sondern ein Entwicklungsgeschenk. Das Wort beinhaltet um was es hier handelt im Leben: wenn man desillusioniert ist, hat man die zukunftsfreudige Möglichkeit sich von eine oder mehrere Illusionen frei zu machen. Die Desillusion unterstützt uns in der Suche nach Wahrheit. Die Korrekturen die ein Geistlehrer ausspricht sind Geschenke, die wir achten sollen statt verdammen. Und wenn uns das nicht gelingt, das Geschenk dankbar an zu nehmen, wenn uns das subjektive Gemüt zu sehr plagt, was macht man dann im Leben? Den Geschenkgeber erniedrigen? Ihm verachten? Ist Verachtung dann das brauchbare Gefühl, daß die Welt und die Menschheit weiterhilft?
Als ehemaliger Waldorflehrer ist mir die erwähnte Angst vor Kritik nicht unbekannt. Im anthroposophischen Feld begegnet man nicht wenigen Referenten, die es zweifellos gut meinen, die aber kaum bemerken, wie sie sich selbst bereits in verhärtete Schemata begeben haben und hierin ihre scheinbare Zufriedenheit finden. Sich die eigene Stagnation einzugestehen, fällt nicht leicht – dies umso weniger, wenn man bereits ein anerkannter Vortragsredner ist, der sehr viel weiß und andere Projekte „berät“.
„Und umzuschaffen das Geschaff’ne, damit sich’s nicht zum Starren waffne …“ – dieses Goethe-Wort beherzigen wir wohl alle viel zu wenig. Und sträuben uns daher gegen die Möglichkeiten der Erweiterung und Neuwerdung, die uns das Leben ja ständig bietet. Das Geschaffne hat sich zum Starren gewaffnet … und wehrt sich auch mit (verbalen und emotionalen) Waffen, um weiterhin im alten Gehäuse verharren zu können, obwohl man in dessen stickiger Atmosphäre oft schon kaum noch atmen kann.
Rudolf Steiner bezeichnet dies als die Situation des „Hüters der Schwelle“ und hat auch eindringlich davor gewarnt, die – im roten Goetheanumfenster als Tiere dargestellten – drei Wesensgestalten zu übersehen, die in uns allen, auch und gerade bei den sogenannten spirituellen Menschen, unablässig am Werk sind und die uns aus dem Unterbewussten heraus zum Verwerfen des wirklich Geistigen motivieren:
> die Angst vor dem Geist,
> der Hass auf den Geist,
> der Zweifel am Geist.
„Doch du musst den Abgrund achten;
Sonst verschlingen seine Tiere
Dich, wenn du an mir vorübereilt’st;
Sie hat deine Weltenzeit in dir
Als Erkenntnisfeinde hingestellt.
(…)
Erst wenn die drei von dir besiegt,
Werden Flügel deiner Seele wachsen,
Um den Abgrund zu übersetzen,
Der dich trennet vom Erkenntnisfelde,
Dem sich deine Herzenssehnsucht
Heilerstrebend weihen möchte.“
(Rudolf Steiner, erste Klassestunde, 15. Februar 1924
Volltext: https://www.angelfire.com/or/cmcquoid/firstclassgerman.pdf)