Die individuelle und freie Spiritualität und ihre Beziehung zum Rechtsleben

Auszug aus einem Vortrag von Heinz Grill

Die Rechtsprechung ist eine Angelegenheit des Denkens

Geht der Aspirant auf dem Schulungsweg von einer möglichst polaritätsfreien Ebene aus, die nicht durch Gut und Böse allein gekennzeichnet ist, sondern die tatsächlich eine neutrale und einende Mitte darstellt, kann er große Veränderungen in der Welt erwirken. Diese polaritätsfreie Ebene wäre der Schlüssel zum Erfolg. Solange man sich im Streit mit Einrichtungen oder mit Personen befindet, kann man nur sehr schwer eine wirksame Kraft freisetzen. Die polaritätsfreie Dimension von Worten und Taten ist durch den Menschen möglich, er kann sie erringen.

Ich wurde einmal gefragt, warum ich vor der Justiz antrete und für mein Recht kämpfe. Viele, die miterleben, dass es in München eine Gerichtsverhandlung gibt, bei der ich selbst Kläger bin, sagen aus Erfahrung oder aus vorsichtiger Bewertung der Sache, dass es sich mit den Münchner Gerichten um Seilschaften handelt, die ganz besonders mit der Kirche und ihren politischen Interessen verbunden sind. Das Streiten vor Gericht sei zudem eine für Spiritualität unwürdige Angelegenheit.

Zur Antwort auf diese Bedenken formulierte ich, dass ich nicht um mein Recht streite, sondern dass ich vor Gericht wegen des Rechtssystems und um seiner selbst willen antrete.1)Es wird mir vorgeworfen, das Gericht zu missbrauchen. Das ist aber nicht richtig. Der Gerichtsmissbrauch besteht vielmehr darin, dass von der Gegenseite Gerichtsverhandlungen zu religiösen Diskriminierung benutzt werden. Zahlreiche Rechtsverletzungen entstehen nur deshalb, weil bereits schon erhebliche Diskriminierungen vorliegen. Die Rechtsprechung wäre normalerweise eine Angelegenheit des wirklich soliden Denkens. Um Recht und Urteile zu entwickeln, muss man vom Denken Gebrauch machen. Man kann in keinster Weise zu einem richtigen, fundierten Urteil kommen, wenn man das Denken ausklammert und leichtfertig Projektionen, Emotionen und Vorurteile, die beispielsweise über Yoga und Spiritualität getroffen werden, übernimmt. Es mag vielleicht anmaßend klingen, wenn ich sage, dass ich den ganzen Rechtsstreit in München deshalb begonnen habe – und sogar in etwas intensiverem Maße weiterführe -, weil ich mir einen förderlichen Einfluss auf das gesamte Rechtssystem erhoffe. Diese Aussage ist sehr anspruchsvoll und könnte als Hybris bewertet werden.

Wie kann eine bessere Gerichtsbarkeit entstehen?

Ein Rechtsgelehrter sagte einmal zu mir, nachdem wir ein intensives Gespräch geführt haben, dass er seinen Beruf aufhören müsse, wenn er nicht mehr an das Recht glauben könne. Er folgerte weiterhin, er muss sich mit seiner ganzen Position einsetzen und die Gerichte bewegen lernen, dass sie wieder zum stattlichen Recht hindurch finden. Ich war über diese Aussage erstaunt und bekannte ihm gegenüber, dass auch mein Rechtsstreit darin wurzelt, dass ich mir eine Verbesserung in der gesamten deutschen Gerichtsbarkeit erhoffe. Meine Aussichten sind rechtlich sehr gut gegründet, aber sie stehen infolge der gesamten Stimmungen, die mittlerweile emotional gegen mich aufgebaut sind, auf schlechten Beinen. Der Rechtsstreit geht geradewegs in die Richtung des Verlustes. Es scheinen nach außen durch emotionale Stimmungen Kläger und Beklagte bereits wie vertauscht zu sein. Infolge der Tatsache, dass die Gegenpartei einzig und allein mit dem Argument Sekte und mit Denunzierung gegenüber der Spiritualität argumentiert, erscheine ich selbst wie ein Beklagter.

Die Gegenpartei ist nicht gerade sparsam und sorgt für Stimmung in der Öffentlichkeit gegen mich. Der Rechtsstreit bringt mir deshalb negative Kritik in der Öffentlichkeit und er stellt zugleich auch infolge emotionaler Bewertungen meine gesamte persönliche Situation in ein außerordentlich kritisches Licht. Wenn aber eine polaritätsfreie Ebene innerhalb des gesamten Argumentierens und Darlegens der Fakten errungen werden kann, so wird diese Ebene zu einer erstaunlichen und außerordentlich intensiven Wirksamkeit kommen. Jede inhaltliche Darlegung – und dies ist das besondere bei individuell orientierter Spiritualität – führt zu Veränderungen im Gesellschaftsleben und es können somit ebenfalls positive Einflüsse auf das Rechtssystem erwartet werden.

Die Rechtsprechung sollte das Selbstbewusstsein aufrichten können

Indem eine ehrliche und von einem Ideal getragene Dimension bei gleichzeitiger inhaltlicher Wirksamkeit entsteht, kann grundsätzlich ein geistiger Keim zum Erkraften gebracht werden. Es ist aber tatsächlich der Streit auf der äußeren Ebene zu nivellieren bzw. zu relativieren, denn es handelt sich in der gesamten Entwicklungsfrage niemals um ein Gewinnen oder Verlieren, es handelt sich immer um ein Erkraften und um eine Errungenschaft, um eine neue Dimension, die die bisherige verbessert. So anmaßend es klingen mag zu sagen, dass eine Rechtsstreitigkeit zu einer Veränderung eines gesamten juristischen Systems führen kann, so hoffnungsvoll erscheint die geistige Welt und ihre Erwartung, die heute nichts mehr wünscht, als dass der Mensch wieder Mut zum Denken findet und dieses im Leben einbringt. Wenn eine Wahrheit in tiefgründiger Weise und wesentlicher Form ausgesprochen wird, kann niemand diese zum Erlöschen bringen. Sie ist eine Feuerkraft.

Es kann nun, wenn ich prognostisch auf die Zukunft blicke, der Rechtsstreit verloren werden und es können Kriterien zur Entscheidung herangezogen werden, die nicht mehr auf Gleichheit im Recht beruhen, sondern die den Wert des Menschen nach seinen philosophischen Überzeugungen beurteilen. Geschieht dies, wäre dies ein großer Gewinn für die Kirche und es würde wohl die Justiz weiterhin eine eigenständige Positionierung aufgeben. Diese Geschehnisse dürften aber nicht weiterhin eintreten, denn das Gericht müsste vollständig unbeeinflusst und unabhängig bleiben. Wird der Prozess aber gewonnen, entwickelt sich eine Dimension, die tatsächlich das durch Paragraphen gegebene Recht erneut zum verbindlichen Recht erklärt. Dann könnten sich viele Menschen anhand dieses Urteils bzw. dieser gesamten Atmosphäre, die mit dem Urteil entsteht, in ihrem Selbstbewusstsein neu aufrichten.2)Der Fall in München betrifft das Persönlichkeitsrecht. Eine Ärztin, die mittlerweile verstorben ist, wird infolge von gravierenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechtes beklagt. Der Streit erfolgt zu Lebzeiten der Ärztin und wird nun von den Erben fortgesetzt. Nach Aussagen gutachterlich-ärztlicher Stellungnahmen handelt es sich vermutlich um sehr weitreichende Traumatisierungen, die durch die Ärztin gegenüber Dritten verursacht wurden. Sehr tiefgreifend ist die Familie selbst betroffen. Grundsätzlich wird jedoch vom Autor die Klage nicht geführt, damit dieser für eine bestimmte überschaubare Personengruppe vorspricht, sondern sie wird deshalb geführt, damit das Persönlichkeitsrecht grundsätzlich neu gewahrt wird. Das Aufrichten des Selbstbewusstseins durch die Rechtsprechung wäre eine wichtige erhebende und den Persönlichkeitsschutz bewahrende Kraft, die für die Zukunft dringend notwendig wäre. Das Rechtssystem sollte eigentlich die Mitte erhalten und jene Dimension erhalten, die ausgleichend zwischen extremen Formen ist.

Das Rechtssystem zwischen Moralität und Moralisieren

Wenn ich das Rechtssystem einmal ganz grundsätzlich nehme, so ist dieses in einer Mitte zwischen zwei großen Polen gegründet. Auf der oberen Seite steht wie übergeordnet die Moralität.3)Moralität: Der Begriff bedeutet normalerweise eine Übereinstimmung des Denkens und Handelns mit den sittlichen Gesetzen. Molaritäten waren einstmals im Mittelalter auch Schauspiele lehrhafter, religiöser Art. In diesem Kontext wird jedoch der Begriff Moralität höherwertig gebraucht. Er bedeutet hier unmittelbare Authentizität des Menschen mit den höchsten Tugendwerten, nicht nur, dass sein Denken und Handeln mit den Sittengesetzen übereinstimmt, sondern darüber hinaus, dass er selbst Werte und Eigenschaften verkörpert. Er wird selbst zu dem, was sein höchstes Ideal ist. Sie ist diejenige Kraft, die der Mensch im Sinne einer vollkommenen Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe im besten Sinne hervorbringen kann. Auf der unteren Seite steht der scheinbar verwandte kleine Zwerg, der auf den ersten Blick von der Moralität abstammen könnte, der aber mit dieser nichts zu tun hat, der sogar bei genauerem Blick als Fremdling und Gegenbild identifiziert werden kann – und dies ist das moralisierende Prinzip.4)Moralisieren: Es stellt dieser Begriff das Verb von Moralität dar. Indem Moralität nicht mehr eine große Verfügung ist, sondern der Mensch moralisierend auftritt, erhebt er sich selbst zu der richterlichen Instanz. Jede moralisierende Geste bewirkt Unfreiheit. Der moralisierende Mensch redet von Sitten, die zu bewahren seien, die er jedoch selbst nicht lebt und versteht.
In Kirchen moralisiert man mit dem Christus und der Zugehörigkeit zur Kirche. Der Gegenstand des Evangeliums oder des Christus ist aber nicht bekannt.
In Gruppen moralisiert man mit den Guten gegenüber den Schlechten, hält Abhängigkeiten aufrecht und argumentiert bevormundend, ohne eine wirkliche Moralität über bleibende Werte zu kennen.
Das moralisierende Verhalten klagt an, ohne den Gegenstand der Anklage zu kennen. Drei große Ebenen finden sich also innerhalb des Juristischen.

Die moralisierende Frage bewegt die Emotionen, während die Moralität als große übergeordnete Dimension den Menschen in seinem Zentrum gründet. Die Mitte, das Rechtssystem, müsste zur Moralität Zuflucht nehmen und alle moralisierenden Keime zu einem wirklichen Zurückweichen bringen. In diesem Sinne ist das Rechtssystem in der Mitte zwischen einem Oben und einem Unten organisiert. Versucht man diese Dreiheit mit den Begriffen der Esoterik zu benennen, so ist das Selbst die Dimension des Ich und diese ist unmittelbar mit der Moralität verbunden. In der Mitte findet sich die Urteilsbildung, die möglichst solide sein und dem Menschen, wie auch den ganzen geistigen Grundlagen des Menschseins gerecht werden soll. In der unteren Kategorie lässt sich all jenes finden, das man bezeichnen kann mit niedriger Astralität. Es ist mehr das Triebhafte des Menschen. Dieses bedient sich der Emotionen und der verschiedensten Bewegungen des Zeitenstroms.

Das moralisierende Prinzip, geboren aus Schwäche und Mangel an Empathie, möchte zum Erfolg kommen und mithilfe von Beeinflussungen das Recht beugen. Gerade der Mangel an Moralität führt häufig zum Moralisieren. Wenn jemand mit objektiven Augen auf den vorliegenden Fall in München blickt und nur einmal zählt, wie oft der Begriff Sekte genannt ist und verschiedene Urteile, die bisher getroffen wurden, zur Kenntnis nimmt, sieht er, wie die Justiz durch moralisierende, bewertende, beurteilende Stimmungen und Suggestionen geleitet wird. Das Urteil, das nach rechtskundigen Einschätzungen zu erwarten wäre, lässt sich durch die vielen Stimmungen der religiösen Denunzierungen wohl nicht mehr finden.

Das Rechtssystem steht unter dem Druck moralisierender und emotionaler Verurteilungen

Wenn man einmal sehr weit in der Zeitrechnung zurückgleitet, dann erscheint die Entwicklung des juristischen Lebens, wie wir dieses bis zum heutigen Tag haben, engstens mit dem kirchlichen Christentum und dem ehemaligen römischen Recht verbunden zu sein. Ein Beispiel für eine moralisierende und emotionale Verurteilung bietet bereits in prototypischer Weise das Evangelium. Das römische Recht eroberte die Welt. Jeder erinnert sich an den Evangelienabschnitt, in dem Pilatus, der römische Stadthalter und Vertreter des Rechts, deutlich ausspricht: „Ich finde keine Schuld an diesem Menschen“. Er übergibt ihn sogar dem Sohne des verstorbenen Herodes und nachdem auch dieser keine Schuld an ihm gefunden hatte, sprach er wieder zum Volk „… denn ich habe euch zu ihm gesandt und siehe, nichts Todeswürdiges ist von ihm getan. Ich will ihn nun züchtigen und losgeben.“ Das Volk aber schreit in Stimmungen und kräftigstem Aufruhr: „Kreuzige ihn, kreuzige ihn!“5)Lukas-Evangelium 23, 1-12 Anklage vor Pilatus und Herodes und 23, 13-25: Freilassung für Barabbas-Todesurteil für Jeus.

Das Urteil trat durch eine emotionale moralisierende Dominanz des Volkes in Kraft. Im Hintergrund saßen aber genau jene Personen, die diese Stimmung richtiggehend angefeuert hatten. Das waren die Sadduzäer und die Pharisäer. Sie hatten einen guten Grund um ihrer Stellung willen, sodass sie die revolutionäre Bewegung, die durch den Christus gekommen war, ersticken mussten: Es kam zur Kreuzigung. Die moralisierende Haltung setzte sich in letzter Konsequenz durch. Der Stadthalter von Judäa konnte sich sehr schwer gegen den Ansturm des Volkes wehren und er wusch zuletzt seine Hände in Unschuld und übergab den Jesus Christus dem Volke, damit es seine eigene Verurteilung mit der Kreuzigung durchführen konnte. Das Recht, das zur Ordnung führen sollte, zog sich schon damals zurück. Die moralisierende Gestikulation des ganzen Volkes mit all den schreienden Ausrufen war größer als die eigentliche wirkliche Rechtsbeurteilung.

Die Schwäche des Menschen ist heute jedoch weitaus augenscheinlicher. Welcher Richter hat den Mut einem Menschen, der auf allen Ebenen in der Öffentlichkeit diskriminiert und als schlimmste Sekte bezeichnet wird, recht zu geben? Die Schwäche dürfte wohl eine der größten Gefahren in der Menschheit sein. Das Rechtssystem leidet unter dem Druck der Gesellschaft und den Emotionen, die mit ihren moralisierenden Aufrufen das Recht von der Faktenlage ablenken und zu einer berauschenden Szene der Projektion führen.6)Gegner werden vermutlich sagen, dass sich der Autor des Artikels mit Christus gleichsetzt. Dies sei jedoch nicht gemeint.

Die Verwicklung von Staat und Kirche

Wie nahm die Geschichte des Christentums und des Rechts ihren weiteren Verlauf? In der komplexen Verwicklung von Staat und Kirche gibt es viele kritische Momente. Wenn man in die frühe nachchristliche Zeit zurückkehrt, dann war vorbereitend durch Kaiser Konstantin und schließlich durch Kaiser Theodosius das Christentum bereits im Jahre 380 n. Chr. zur Staatsreligion ernannt worden. Der Kaiser Justinian, etwa 560 n. Chr. lebend, hatte des Weiteren einen außerordentlich großen Einfluss auf die Entwicklung des Rechtslebens und war intensiv mit den Christen verbunden. Er führte die Zwangstaufe für die Kinder ein. Er war derjenige, der die Philosophenschule von Athen schloss. Daraufhin kamen Bewegungen bis ins Ausland zustande, die sehr ungünstig waren, weil die Philosophen aus dem griechischen Raum flohen. Weiterhin aber schloss er auch aus der gesamten Ekklesiologie die Lehre von Origines aus. Das Christentum wurde erheblich und essenziell reduziert. Der Name Justinian erinnert interessanterweise durch den Wortklang an die Justiz. Ein wesentliches Schreiben von diesem Kaiser ist auch der Corpus juris civilis, der damals entstanden ist und das Rechtssystem bis zum heutigen Tag in gewissen Zügen begleitet.7)Mit seinem berühmten Schreiben Corpus juris civilis, das ihm weltgeschichtlichen Ruhm einbrachte und zum Großteil heute noch gilt, setzte Justinian einen gewissen Schlusspunkt unter das römische Recht. Siehe dazu: Ludwig Meindl in „Der Mensch am Scheideweg“ Stephan Wunderlich Verlag 2018, S. 91. Es handelt sich aber mit dem Kaiser Justinian um eine Person, die man nicht als starke, sondern als sehr schwache Person bewerten kann, die jedoch wusste, wie sie ihre Kraft zur Macht einsetzen konnte. Gerade die Verbindung von Politik und Religion ließ ihn hoch aufsteigen. Viele Kriege wurden auch in dieser Zeit an den östlichen Fronten geführt. Er hatte eine sehr lange Regierungszeit.

Politische und kirchliche Interessen haben in der Rechtsprechung nichts zu suchen

Die heutigen Rechtsprechungen sind ganz häufig von zeitgemäßen politischen und kirchlichen Interessen geleitet. Der Weg zu einer Erkraftung der Moralität, die in jedem Menschen als höchstes Ziel auferstehen sollte, wird entschieden erschwert, wenn fremde Interessen das Recht beeinflussen. Die Rechtsprechung müsste aber zu einer geordneten Urteilsbildung finden, die Faktenlage beachten und die Kraft aufbringen, Emotionen, politische und andere Interessen von wirklichen Tatsachen ganz gehörig zu unterscheiden. Das Recht wäre nach den Gesetzen anzuwenden und die Auslegung derselben kann keine subjektive Meinung beinhalten. Die Kirche dürfte keine Mitsprache im Rechtssystem erhalten.

Die Neigung zu moralisieren und auf dieser Tendenz sein Selbstbewusstsein pseudomäßig zu erbauen, führt sehr leicht zu Gruppenzugehörigkeiten und Abhängigkeiten. Wahre Religion mit inhaltlicher Ausrichtung würde zu Toleranz und einem freien Gewährenlassen anderer führen, während das heute so weitverbreitete sogenannte „Gutmenschentum“ Gleichgesinnte suchen muss, die sich aufgrund moralisierender Formeln miteinander verbinden. Derjenige, der aus emotionaler Getriebenheit andere belehren muss, kennt in der Regel die Moralität als größere Instanz des Menschseins nicht. Er fühlt sich unbewusst in seiner kleinlichen Welt gefangen und erlebt sich durch die Zugehörigkeit in einer Religionsgemeinschaft selbstbewusster. Der Mut zur Individualität und einer freien Sicht zu den religiösen Aussagen fehlt diesen Menschen. Die Tendenz zu moralisieren und den Andersgläubigen schnellfertig zu verwerfen, geschieht aus fehlender Kraft zur wirklichen Urteilsbildung.

Der freie Stand des Ausgegrenzten

Was geschieht jedoch mit Personen, die in die Lage kommen, ausgegrenzt zu werden, weil sie mit den Gruppentendenzen und mit den eigenartigen emotionalen Schwingungen der Zeit nicht zurechtkommen? Sie erleben auf der einen Seite die Problematik, dass sie wenige Verbündete finden und sich durch das Leben meistens mit allerlei existenziellen Kämpfen förmlich hindurchbeißen müssen. Sie haben ein hartes Brot zu kauen, sie können nicht die frischen Semmeln, die weich auf der Zunge zergehen, am Morgen beim Bäcker bestellen. Das harte Durchbeißen aber kann sie, wenn sie mit ihren Idealen tapfer bleiben, stärker machen. Eine entgegenkommende geistige Wirklichkeit wird für die Ausgegrenzten zugänglich, sie ist aber für die Eingegrenzten oder für diejenigen, die in den konformierten gesellschaftlichen Schwingungen gut integriert bleiben, kaum erreichbar und sie ist tatsächlich auch innerhalb der Kollektivität schwer vorstellbar. Derjenige, der ausgegrenzt wird, erlebt sich außerhalb des emotionalen kollektiven Gebildes und nimmt deshalb an den vereinnahmenden Gruppengefühlen nicht mehr teil. Er fühlt sich einerseits wie einsam und andererseits wie ein Zeuge, der die Geschehnisse von nun an neutral beobachten kann.

Man kann in diesem Zeugenstand die Gesellschaft durchaus wie einen Kollektor von allerlei Emotionen wahrnehmen. Die Charaktereigenschaften der verschiedenen Einzelpersonen lassen sich innerhalb der Ansammlung und Gruppenhaftigkeit nicht mehr identifizieren, weil die Gesamtheit aller Gruppengefühle die Natur des Einzelindividuums überstrahlt. An dieses gesamte kollektive Sammelsurium kommt die Kraft des Geistes nicht mehr frei und freudig heran. Der aber, der aus diesem gesamten Kollektor hinausgeschleudert wird, der plötzlich außerhalb im freien Raum seine Position bezieht, blickt mit seinen Augen auf das hingebungsvolle und nach außen als gut erscheinende menschliche Handeln. Welche Sitten leben aber wirklich in diesem Treiben? Er sieht nun nicht nur die Gruppe mit ihren zirkulierenden Emotionen, er sieht des Weiteren wie über die Horizonte hinaus und bemerkt eine neue und erstaunliche Wirklichkeit. Eine Art Trennlinie zwischen einer Gruppe und einer sich öffnenden Perspektive offenbart sich. Es ist ein Licht, das für den Eingegrenzten unbekannt bleibt und für den Ausgegrenzten unmittelbar sichtbar wird.

Die Welt der Idee öffnet sich für den Ausgegrenzten

Er blickt hinüber zu dem Licht und sieht mit realem Bewusstsein diejenige Dimension, die der griechische Philosoph Platon mit der Idee bezeichnet hat.8)Die Ideenlehre geht auf Platon (427-348 v. Chr.) zurück. Es handelt sich um eine „philosophische Konzeption, derzufolge Ideen als eigenständige Entitäten existieren und dem Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Objekte ontologisch übergeordnet sind. (…) Sie werden platonische Ideen genannt. Nach der Ideenlehre sind die Ideen nicht bloße Vorstellungen im menschlichen Geist, sondern eine objektive metaphysische Realität. Die Ideen, nicht die Objekte der Sinneserfahrung, stellen die eigentliche Wirklichkeit dar. Sie sind vollkommen und unveränderlich. Als Urbilder – maßgebliche Muster – der einzelnen vergänglichen Sinnesobjekte sind sie die Voraussetzung von deren Existenz.“ Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Ideenlehre Die Welt der Ideen erstrahlt über seinem Haupt. Solange der Mensch im kollektiven Verhaltens und in von außen auferlegten Pflichten lebt, kann er diese Welt der Ideen nicht erblicken. Der aber, der die leidvolle Ausgrenzung erfährt, schaut mit seinen Augen auf die Gesellschaft zurück und wenn er sie nicht mehr wieder gewinnen möchte, sondern sein Schicksal mit Bejahung annimmt, bemerkt er über seinem Haupt die wunderbare Welt der Ideen. Sie erfreut sich über die Freiheit des Ausgegrenzten.

Wenn man nun diese Welt der Ideen erschaut und erfährt, sie so real wahrnimmt, wie Häuser, Brücken und Gegenstände dieser Welt, so weiß man inniglich, dass sie für die weitere Zukunft eine wesentliche und bedeutungsvolle Wirksamkeit entfalten wird. Wären die Ideen nicht am Anfang der Weltenschöpfung, so gäbe es keine Entwicklung. Die Idee gestaltet sich durch das Bewusstsein des Menschen zu einer Vorstellung und diese wiederum zu einer Empfindung und schließlich in letzter Konsequenz erkraftet das Potenzial zur Handlung.

Die Justiz sucht die Mitte

Es will sich, um von einer Entwicklungsebene zu sprechen, geistig gesehen die Richterschaft gerade anhand der gesamten Geschehnisse neu gründen, sodass sie ihre Mittelposition im Sinne eines selbstständig Agierenden und selbstständig Urteilsfindenden entwickelt. Es will eigentlich der Mensch heute diese Mitte entdecken, ganz besonders aber wollen viele Richter zu dieser Mitte wieder hinfinden. Auch Staatsanwälte und andere Bedienstete der Justiz wollen tatsächlich ihre Berufsehre wiederentdecken, sie wollen nicht den Emotionen der Zeit dienen und im Allgemeinen ebenfalls unabhängig von Staat und Politik wirken.

Es war zu früheren Zeiten noch die intuitive Ahnung gegeben und man benannte das göttliche Recht fas im Unterschied zu jus, dem bürgerlichen Recht.9)Vom Begriff fas, das heilige Recht, sind die dies fasti abgeleitet, die Festtage, an denen göttliches Recht gesprochen wurde und fatum, was wörtlich „das gesprochene Schicksal“ heißt. Zum bürgerlichen Recht kann hinzugefügt werden, dass im Mittelalter eine Aufteilung von ius in ein ius civile und ein ius canonicum für Kirche und Papst erfolgte. Siehe Ludwig Meindl in „Der Mensch am Scheideweg“ 2018, S. 88 Den Göttern sprach man Recht, Ordnung und Bestimmtheit über den Menschen zu. Mit der Entwicklung der griechischen und römischen Zeit musste aber tatsächlich eine Rechtsordnung, die vom Menschen geschaffen und für den Menschen bestimmt war, entwickelt werden. Das göttliche Recht verblasste in einer alten Zeit und das menschliche Schicksal fügte sich zunehmend in die Hände der weltlichen Justiz. Eine Rückkehr zu dieser göttlichen Ordnung wäre für das heutige Rechtsleben undenkbar. Die geistige Wirklichkeit mit ihren Seinsprinzipien und höheren Ordnungen kann von dem Einzelnen kaum mehr gedacht werden. Die individuelle Schulung des Einzelnen müsste außerhalb von Gruppentendenzen eine Ebene erringen, die eine polaritätsfreie Wirklichkeit beinhalte und das Bewusstsein des Einzelnen kräftigt. Er wäre dann eine Gefahr für die kollektiven uniformierten Formen der Gesellschaft und ein Segen für die Erkraftung wirklicher Moralität im Dasein.

Es muss heute einen realistischen Weg geben, der für jeden Menschen einen Rechtsstatus eröffnet und das Selbstbewusstsein des Einzelnen nicht mindert, sondern stärkt. Die ausgleichende und vermittelnde Funktion des Rechtssystems, die Rechtsprechung nach Paragraphen und Fakten würde zu einer Ordnung beitragen und sowohl den Richtern als auch den Parteien, die um das Recht bemüht sind, ein natürliches Selbstbewusstsein verleihen. Die Emotion mit all ihren kleinlichen, moralisierenden, verurteilenden und mindernden Tendenzen kann in einem Gericht keinen Platz finden. Wenn ein Gericht diese Mitte erstrebt, die Moralität als mögliche übergeordnete Dimension erkennt und das moralisierende Prinzip als schleichende Zersetzung eliminiert, nimmt es seinen natürlichen Platz ein. Die Kirche müsste jedoch mit ihrer gesamten moralisierenden Unterwanderung und mit ihren negativen Bewertungen Andersgläubigen gegenüber strengstens von der Justiz ferngehalten werden.

Das Recht steht heute in der Gefahr der Positionslosigkeit und es ist unmittelbar den unlösbaren Konflikten des modernen degenerierten Lebens ausgesetzt. Ein Richter steht immer zwischen Moralität und den von allen Seiten entgegenschlagenden moralisierenden rechthaberischen Tendenzen. Der Fall in München ist eigentlich mittlerweile kein Fall, der seinen geordneten Verlauf in der Rechtspraxis findet, er ist ein reiner emotionaler Fall geworden, bei dem nicht mehr die Faktenlage zählt, sondern die Glaubenszugehörigkeiten. Ein Richter, der seitenweise Schriftsätze mit den Anschuldigungen, es handle sich um eine Sekte und es handle sich um besonders böse Menschen liest, kann nicht mehr zu der Faktenlage gelangen. Mittlerweile sind die Hexenprozesse des Mittelalters zu sogenannten Sektenprozessen geworden. Für den religiös Andersgläubigen wird das Wort Sekte erfunden und so, wie man im Mittelalter niemals einer Hexe Recht zugesprochen hätte, so kann man einem Menschen, den man in aller Öffentlichkeit und vor Gericht als Sekte stigmatisiert, von richterlicher Seite niemals Recht zusprechen. Der Richter wäre damit Sektensympathisant.

Das Rechtssystem benötigt den Mut zur Mittenstellung

Das Rechtssystem ist nicht die höchste Instanz des Menschseins, denn es kann die Moralität, die größer ist als jegliche nach Paragraphen gewählte Rechtsprechung, nicht ersetzen. Wie viele Menschen suchen aber im Rechtssystem eine Hilfe, da sie die Konflikte des Daseins mit anderen nicht lösen können. Indem das Rechtssystem die ausgleichende Mitte herstellen kann, gehört es, wenn man es auf das Menschsein überträgt, zu seinen Herzenskräften. Es sollte die Persönlichkeit und das Selbstbewusstsein des Menschen durch eine objektive Urteilsfindung stärken.

Die Ideenwelt, die für den Ausgegrenzten wohl am besten sichtbar wird, verbirgt Visionen für die Zukunft, die eine große Kraft entfalten können. Wenn es gelingt, dass die Ideen zu einer Ausarbeitung gelangen, die nicht eine polare Stellung zu anderen erzeugt, werden sie zu einer erstaunlichen Wirksamkeit finden. Das Rechtssystem muss sich heute von der emotionalen Sektentendenz und von allen kirchlichen Bevormundungen lösen und den Mut zu seiner Mittenstellung aufbringen. Sobald Prozesse aufgrund von moralisierenden Bewegungen geleitet werden, zerspringen die Ecksteine im juristischen Gebäude und es wird nicht lange dauern, bis eine Unzahl von Skandalen das System zum Zerbrechen bringen wird. Die Ausrichtung zur Sachlage und zur Erhaltung des Rechtsstatus eines jeden Einzelnen führt zur Würde und zur persönlichen Erkraftung der Richter und er wird ausstrahlen zu anderen, die ebenfalls den Mut zur sachlichen Urteilsbildung wahrnehmen.

Wenn man die Welt der Ideen und Ideale nicht kennt, klingen meine Worte phantastisch und hybrisch. Aus den geistigen Erkenntnissen zu dieser Welt der Ideen bemerke ich aber, dass das juristische System diese Entwicklung zu einer Mittenstellung sucht. Wenn sie nicht durch meinen Prozess einen ersten Impuls erhält, so wird es weitere Menschen geben, die die Ideen empfangen und das juristische System zu seiner Mittenposition führen werden.

Freie Spiritualität sucht nicht allein den Weg in die unio mystica10)Die Bezeichnung unio mystica stammt aus dem Kirchenlateinischen und beschreibt eine geheimnisvolle Union der Seele mit Gott. Sie ist das höchste Ziel der Mystiker und wird von den mittelalterlichen weiblichen Mystikerinnen häufig als „Mystische Hochzeit“ bezeichnet. Siehe dazu https://anthrowiki.at/Unio_mystica, sondern sie will sich mit größter Verantwortung um die verschiedenen Verhältnisse des Daseins bemühen. Die Menschheit würde sich in dringendster Weise ein Rechtsleben wünschen, das eine ausgleichende Mitte darstellt. Die Idee zu dieser Mitte müsste aber jeder einzelne Mensch nach bestem Gewissen fördern.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Es wird mir vorgeworfen, das Gericht zu missbrauchen. Das ist aber nicht richtig. Der Gerichtsmissbrauch besteht vielmehr darin, dass von der Gegenseite Gerichtsverhandlungen zu religiösen Diskriminierung benutzt werden. Zahlreiche Rechtsverletzungen entstehen nur deshalb, weil bereits schon erhebliche Diskriminierungen vorliegen.
2 Der Fall in München betrifft das Persönlichkeitsrecht. Eine Ärztin, die mittlerweile verstorben ist, wird infolge von gravierenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechtes beklagt. Der Streit erfolgt zu Lebzeiten der Ärztin und wird nun von den Erben fortgesetzt. Nach Aussagen gutachterlich-ärztlicher Stellungnahmen handelt es sich vermutlich um sehr weitreichende Traumatisierungen, die durch die Ärztin gegenüber Dritten verursacht wurden. Sehr tiefgreifend ist die Familie selbst betroffen. Grundsätzlich wird jedoch vom Autor die Klage nicht geführt, damit dieser für eine bestimmte überschaubare Personengruppe vorspricht, sondern sie wird deshalb geführt, damit das Persönlichkeitsrecht grundsätzlich neu gewahrt wird.
3 Moralität: Der Begriff bedeutet normalerweise eine Übereinstimmung des Denkens und Handelns mit den sittlichen Gesetzen. Molaritäten waren einstmals im Mittelalter auch Schauspiele lehrhafter, religiöser Art. In diesem Kontext wird jedoch der Begriff Moralität höherwertig gebraucht. Er bedeutet hier unmittelbare Authentizität des Menschen mit den höchsten Tugendwerten, nicht nur, dass sein Denken und Handeln mit den Sittengesetzen übereinstimmt, sondern darüber hinaus, dass er selbst Werte und Eigenschaften verkörpert. Er wird selbst zu dem, was sein höchstes Ideal ist.
4 Moralisieren: Es stellt dieser Begriff das Verb von Moralität dar. Indem Moralität nicht mehr eine große Verfügung ist, sondern der Mensch moralisierend auftritt, erhebt er sich selbst zu der richterlichen Instanz. Jede moralisierende Geste bewirkt Unfreiheit. Der moralisierende Mensch redet von Sitten, die zu bewahren seien, die er jedoch selbst nicht lebt und versteht.
In Kirchen moralisiert man mit dem Christus und der Zugehörigkeit zur Kirche. Der Gegenstand des Evangeliums oder des Christus ist aber nicht bekannt.
In Gruppen moralisiert man mit den Guten gegenüber den Schlechten, hält Abhängigkeiten aufrecht und argumentiert bevormundend, ohne eine wirkliche Moralität über bleibende Werte zu kennen.
5 Lukas-Evangelium 23, 1-12 Anklage vor Pilatus und Herodes und 23, 13-25: Freilassung für Barabbas-Todesurteil für Jeus.
6 Gegner werden vermutlich sagen, dass sich der Autor des Artikels mit Christus gleichsetzt. Dies sei jedoch nicht gemeint.
7 Mit seinem berühmten Schreiben Corpus juris civilis, das ihm weltgeschichtlichen Ruhm einbrachte und zum Großteil heute noch gilt, setzte Justinian einen gewissen Schlusspunkt unter das römische Recht. Siehe dazu: Ludwig Meindl in „Der Mensch am Scheideweg“ Stephan Wunderlich Verlag 2018, S. 91.
8 Die Ideenlehre geht auf Platon (427-348 v. Chr.) zurück. Es handelt sich um eine „philosophische Konzeption, derzufolge Ideen als eigenständige Entitäten existieren und dem Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Objekte ontologisch übergeordnet sind. (…) Sie werden platonische Ideen genannt. Nach der Ideenlehre sind die Ideen nicht bloße Vorstellungen im menschlichen Geist, sondern eine objektive metaphysische Realität. Die Ideen, nicht die Objekte der Sinneserfahrung, stellen die eigentliche Wirklichkeit dar. Sie sind vollkommen und unveränderlich. Als Urbilder – maßgebliche Muster – der einzelnen vergänglichen Sinnesobjekte sind sie die Voraussetzung von deren Existenz.“ Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Ideenlehre
9 Vom Begriff fas, das heilige Recht, sind die dies fasti abgeleitet, die Festtage, an denen göttliches Recht gesprochen wurde und fatum, was wörtlich „das gesprochene Schicksal“ heißt. Zum bürgerlichen Recht kann hinzugefügt werden, dass im Mittelalter eine Aufteilung von ius in ein ius civile und ein ius canonicum für Kirche und Papst erfolgte. Siehe Ludwig Meindl in „Der Mensch am Scheideweg“ 2018, S. 88
10 Die Bezeichnung unio mystica stammt aus dem Kirchenlateinischen und beschreibt eine geheimnisvolle Union der Seele mit Gott. Sie ist das höchste Ziel der Mystiker und wird von den mittelalterlichen weiblichen Mystikerinnen häufig als „Mystische Hochzeit“ bezeichnet. Siehe dazu https://anthrowiki.at/Unio_mystica

5 Replies to “Die individuelle und freie Spiritualität und ihre Beziehung zum Rechtsleben”

  1. Zu Hintergründen, wie kirchliche Akteure hinter den Kulissen ihre Manipulationen bis in Gerichtsprozesse hinein wirksam machen, siehe ein aktuelles Interview mit einem ehemaligen Mitglied solcher Seilschaften:
    „Bierzipfel, Bischöfe, Bordellbesuche … – Interview mit einem Juristen über Seilschaften der Kirche in der Justiz“
    http://selbstwerden.de/bierzipfel-bischoefe-bordellbesuche-interview-mit-einem-juristen-ueber-die-einflussnahme-der-kirche-in-der-justiz/

    Fazit der Interviewerin: „… Also wenn ich das alles jetzt Revue passieren lasse, dann bin ich wirklich empört, was da so hinter einer scheinbar seriösen Fassade an Derbheit und Verstrickungen abläuft und wie Kirchenfürsten nicht nur das Bierkrügel, sondern auch das Zepter schwingen möchten.“

  2. Das Ausmaß der Einflussnahme den die Kirchen bei den Politikern, wie z. B. den Bundestagabgeordneten, suchen war mir persönlich nicht bekannt. In dem Buch von Carsten Frerk, Kirchenrepulick Deutschland, kann man genaueres darüber lesen. Sehr gut detailliert zeigt er die Bemühungen der beiden großen Kirchen auf, um die Kontakte zu o.g. Politikern zu pflegen. Ich muss sagen, dass einem da als demokratischer Bürger, die Nackenhaare aufstehen. Demokratie und die notwendige Trennung von Staat und Kirche ist etwas anderes.

    Hier kurz eine Aufzählung von Veranstaltungen die von den beiden großen Kirchen in Berlin (also Bundesebene) stattfinden und ein Podium für die sog. Kontaktpflege und Seelsorge zu den MdBs bildet:
    Staatskirchenrechtlicher Beraterkreis, Gesprächskreis Staat-Kirche, persönliche Seelsorge mit Beichte vor den Sitzungen, Andachten und Gebetsfrühstücke, Parlamentarische Abende, Jahresempfänge, Johannisempfang, Michaelsempfang, usw..

    Es ist wie ein Spinnennetz, dass unbeachtet von der Öffentlichkeit und bevor die Themen in die Fachausschüsse gehen immer wirksam ist. Ich denke, dass es für einen Abgeordneten schwer ist, bei solch missionarischem Eifer der Kirchen, neutral und sachbezogen auf die verschiedenen Themen zu blicken.

  3. Ich bin über den Artikel „Der Guru“ in der Süddeutschen Zeitung vom 13./14.4.19 auf Ihre Internetseite und Ihre Veröffentlichungen zu dem Artikel aufmerksam geworden. Als langjähriger SZ-Leser muss ich leider sagen, dass ich über diesen Artikel in der Süddeutschen Zeitung sehr unangenehm berührt bin. Der Artikel stellt in meinen Augen klar eine Vorverurteilung dar. Schon der Leser – nicht erst die Gerichte – soll (Vor-) Verurteilungen treffen. Für eine solide Einschätzung liefert die SZ mir jedoch keine auswertbaren Fakten.

    Statt dessen schreibt die SZ: „Die Anhänger haben sich als Kläger in den Räumen des Justizpalastes regelrecht eingenistet, um einen ideologischen Kampf um Glaubensfreiheit zu führen.“ Mich interessiert nur, um welche Delikte genau es ging, in wie vielen Fällen das Ärztepaar verurteilt worden ist oder nicht verurteilt worden ist und mit welchen Begründungen. Statt dessen ist der Artikel gespickt mit „Grill-Anhänger“, „Grill-Schwarm“ und „Grill-Kosmos“.

    „Selbst in der eigenen Familie sieht man Grill sehr kritisch. Gerlinde Grill, die Schwester des Meisters, will bereits Anfang der 1990-er-Jahre beobachtet haben, wie die Anhänger ihres Bruders unwidersprochen ausgeführt hätten, was dieser verlangt habe.“ Mit …will beobachtet haben….. legt die Süddeutsche Zeitung ja auch noch offen, dass sie ihre “Aussage” gesichert nicht weiß. Das Nichtbenennen, ja das Unterschlagen von verwertbaren Fakten und statt dessen das Denunzieren sind hier eklatant.

    Der SZ ist sicherlich die “Macht der Bilder” geläufig. Betrachtet man einmal nur die Grafikabfolge auf der ersten Seite des Artikels: Sie abgebildet mit einer Waschmaschine, darunter die Kirche mit Kooperationsverbot, darunter Schlagzeile über Familie B.. Folgende Unterstellungen bzw. Vorverurteilungen sehe ich darin: Heinz Grill betreibt Gehirnwäsche. Mit einem gehirnwaschenden Guru kann die Kirche unmöglich kooperieren. Die Familie B. als eines der Opfer.

    Ein Freund, der den Artikel auch gelesen hatte, war ebenfalls überrascht über diesen schlechten journalistischen Stil in der SZ. Er kam wie ich zu der Ansicht, dass mit dem Artikel eine Story verkauft werden sollte, die die Fakten nicht hergeben.

  4. Nachfolgend ein Ausschnitt aus einer Betrachtung der aktuellen Verhältnisse des Rechtssystems aus Sicht eines deutschen Rechtsanwalts. Obwohl diese Darstellung von einem anderen Blickwinkel erfolgt (der leidlichen Praxiserfahrung mit dem Status Quo der Rechtspflege), so weist sie dennoch in die gleiche Richtung wie im obigen Artikel von Heinz Grill angeregt. Insbesondere wird ein integres Rechtssystem als Voraussetzung nicht nur für geordnete gesellschaftliche Verhältnisse angesehen, sondern auch als maßgeblicher Faktor für das Wohlbefinden und die gesamte gesundheitliche Situation des Bürgers, welche bei faktischem Entzug des Rechts in Erosion geraten.

    Auch dieses Essay bleibt nicht beim Beklagen der derzeitigen Verhältnisse stehen, sondern trägt zum aktuellen Diskurs einige bemerkenswerte und durchaus zukunftsweisende Gedanken bei:

    (gekürzter Auszug / Volltext siehe Link ganz unten):

    <>

    (Quelle: https://www.nachrichtenspiegel.de/2018/06/22/was-ist-der-mensch-ohne-garantierten-zugang-zum-recht-oder-die-frage-was-kann-der-mensch-wenn-er-diesen-zugang-verloren-hat-tun-um-ihn-wieder-herzustellen/ )

  5. Vor Kurzem hat sogar der Europäische Gerichtshof ein Urteil erlassen, das eigentlich einen handfesten Skandal darstellt. Laut dem Urteilsspruch des EuGH ist es deutschen Staatsanwaltschaften künftig untersagt, europäische Haftbefehle auszustellen, da diese Behörden der deutschen Justiz nicht unabhängig seien. Insbesondere sei die Gewaltenteilung im Sinne einer Abgrenzung zur Exekutive nicht gewährleistet.

    Im Gegensatz zu den anderen europäischen Ländern sei die mangelnde Unabhängig im deutschen Justizsystem bereits ein strukturelles Problem, das aus §§ 146,147 GVG resultiere, denen zufolge die Organe der Staatsanwaltschaften dienstlichen Weisungen nachzukommen hätten. Demzufolge reiche das Durchgriffsrecht von Seiten des Bundesministeriums und der Justizverwaltungen der einzelnen Länder bis hinunter zum einzelnen Staatsanwalt, welcher somit nicht mehr souverän im Sinne der grundgesetzlich verankerten Gewaltenteilung agieren könne.

    Über 5.000 derzeit in Umlauf befindliche, von deutschen Staatsanwaltschaften ausgestellte Europäische Haftbefehle gelten nach dieser Entscheidung des EuGH nun als ungültig. Berufsverbände der Richter und Staatsanwälte fordern schon seit längerem grundlegende Reformen des deutschen Justizsystems, um wieder eine Unabhängigkeit zu gewährleisten, wie sie eigentlich im Grundgesetz konstitutiv vorgesehen ist.

    https://www.lto.de/recht/justiz/j/eugh-europaeischer-haftbefehl-folgen-deutsche-staatsanwaelte-nicht-unabhaengig-reformen/

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