Logik und Gesetze der Gesundheit XVI –
Die Depression

Artikel von Heinz Grill vom 13.12.2024

Eine ganz besondere Selbstaktivität ist bei dem Bild der Depression von den Betroffenen gefordert. Das Gefühl der Trägheit, des Verzweifeltseins, der Müdigkeit und des mangelnden Lebensinteresses ist, soweit es nur tiefgründig in die Betrachtung rückt, ein tatsächlich vom Körper aufsteigendes Empfinden. Warum entspringt es wie ein Geysir aus dem Körper? Sind es nicht häufig äußere Anlässe, wie beispielsweise Misserfolge in Partnerschaften oder Beleidigungen, die unverarbeitet bis in die Organe hineindringen, sodass der Einzelne ein verzagtes Lebensgefühl hervorbringt? Obwohl depressive Stimmungen und sogar länger anhaltende depressive Phasen immer durch äußere Einflüsse ausgelöst sind, entwickelt sich die Reaktionslage dennoch aus dem Organischen des Körpers. Der Missmut der Leber steigt beispielsweise hinauf in das Bewusstsein und verstimmt es mit allerlei einhüllenden Lasten.1) „Missmut der Leber“ ist eine Beschreibung dafür, dass in den Organen esoterisch gesehen sämtliche unbewusste Erfahrungen, Stimmungen und Eindrücke aufgespeichert sind und diese sich, je nach Verfasstheit der Organe, auf das Bewusstsein bzw. auf das Nervensystem spiegeln. Zur Bedeutung der menschlichen Organe für das Bewusstsein siehe auch das Buch: Das Wesensgeheimnis der Seele, Die Organe des Menschen, ihr seelischer Zusammenhang und die Möglichkeiten eines spirituell orientierten Bewusstseinsaufbaues Die Lebensunlust entspringt deshalb aus der Tiefe des Leibes und bemächtigt sich allen Sinnesprozessen und schließlich allen natürlichen Gefühlen, die nur noch schwer das Erleben verstimmen.

Eine der wesentlichen ungesehenen und doch immer anwesenden Ursachen für eine Depression bildet die eigene Abhängigkeit von bestimmten Menschen oder von äußeren Erfolgsgefühlen. Die Gefühle des einzelnen Menschen werden überspannt, enttäuscht und zuletzt verausgabt. Ein genauerer Blick in die Psyche des Depressiven zeigt jedoch, dass eine gewisse Angst vor einem Frei-Sein besteht und oft auch ein gefühlsmäßiges Abhängigsein, das meist familiär beginnt und sich fortsetzt zu den kommenden Partnerschaften.

Sehr häufig zeigen sich bei Depressionen eigenartige religiöse Ambitionen, die der Betroffene in einer Art Abhängigkeit produziert. Gott erscheint in der Vorstellung für den Betroffenen wie ein unerreichbares Wesen oder eine unantastbare Instanz, die der Mensch nur in gutem Glauben annehmen darf und sich somit passiv hingebungsvoll einem Schicksal beugen muss. In den depressiven Phasen sind fast immer Antriebs- und Willenslähmungen spürbar, und dies ist ein Umstand, der zu einem Kreislauf an Abhängigkeit von anderen Menschen und eventuell von verschiedensten Autoritäten der Gesellschaft führt. In ganz besonderem Maße aber neigt das Gemüt in dem Verstimmtsein der Schwermut zu Gebeten und erwartet sich eine Hilfe von jener angenommenen höheren Instanz in einem fernen Himmel. Wenn die Gebete nun nicht erhört werden, und dies ist fast immer der Fall, nimmt die Krankheit einen chronischen Charakter an. Vielfach bindet sich dann der Einzelne an das sogenannte Gute und benennt im Gegenzug, dass es sehr viel Schlechtes in der Welt gibt. In der Folge aber findet er nicht wirklich das Gute, er wird mit allerlei Widerwärtigkeiten des Lebens konfrontiert und dieser Umstand lässt ihn häufig verzagen. Man müsste zur Heilung einer Depression den Begriff Gott genauer untersuchen. Ist es eine höhere Autorität, die in einem Himmel sitzt? Oder ist es nur ein Phantasiegebilde, das dem verzweifelten Menschen in seinen irdischen Verausgabungen einen ideologischen Trost geben kann? Beide Formen, Gott als ein höheres, nicht beschreibbares und unantastbares Wesen zu definieren oder ihn aus Ideologie der Einbildung abzuschaffen, können keine zufriedenstellende Antwort geben. Es ist deshalb ein Schritt in der Bewusstseinsbildung zu dem, was eine höhere oder eine größere Seinsfrage ist, wichtig, der den Menschen gerade durch die richtige Vorstellung und Realitätssicht in jeder Weise kräftigen kann.

So schwer es in vielen Lebenssituationen anmutet, so notwendig ist es dennoch, diesen meist so verunglückten Gottesbegriff in eine konkrete und klare Form zu führen, und dies ganz besonders bei depressiven Menschen. Die Unterwürfigkeit aus mangelnder Selbstorientierung und die daraus entstehenden falschen Formen der Hingabe sind häufig ein Problem, das zu bearbeiten wäre. Was ist Gott, jene höhere Seinsrealität? Das im Menschen oder außerhalb des Menschen lebende höhere Daseinsglied, das unsichtbare, allgebietende und ursprüngliche Sein? Es ist der reale Gedanke, der am Anfang jeder Schöpfung steht. Sowie ein Bauwerk mit einigen Gedanken des Architekten beginnt, in gleichem Maße lebt die ganze Weltschöpfung aus einer Vielzahl von Gedanken. Jeder Baum, jeder Stein ist aus einem Gedanken gebildet und dieser ist am Anfang eine Lichtinstanz. Der Mensch trägt durch das Bewusstsein die Fähigkeit, einen Gedanken zu denken und diesen in der Folge zu realisieren. Wenn ein Kletterer eine Erstbegehung ersinnt, so beginnt sein Unternehmen mit der Idee über die Kletterroute und sie wird über die verschiedenen Aktivitäten schließlich in die Realität gebracht. Gäbe es aber keinen Gedanken, so würde der Mensch niemals eine Kletterroute begehen. In letzter Konsequenz lebt das menschliche Dasein von der Fähigkeit, Gedanken zu denken und diese auf geeignete Weise umzusetzen.

Für die Heilung einer Depression benötigt der Betroffene in jeder Weise die bewusste Entwicklung eines wirklichen Gottesbildes oder anders ausgedrückt eines realen Gedankenbegriffes.2) Rudolf Steiner sprach in seinem Vortrag von 1913 in Prag von der Notwendigkeit, seine Gottesvorstellungen zu erweitern: „Man soll danach streben, seine Gottesvorstellung zu vertiefen, man könnte auch sagen: zu erhöhen. Jede Gottesvorstellung nähert sich nur dem Gott, keine kann ihn umfassen. Die Menschen reden zum Beispiel von Pantheismus und Theismus, als ob das eine das andere ausschließe; in Wirklichkeit ist man aber beides, denn bei Tag ist der Mensch Pantheist, bei Nacht mehr Theist. Pantheismus heißt die Gottheit tätig in der Welt erleben. [Im] Theismus erlebt man wie im hellseherischen Weltenschlafe, wie die Gottheit über der Welt wacht. Man kann sich nicht auf Beweise stützen, sondern «wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen». Man soll nur nicht stehen bleiben wollen, [soll] über jeden Standpunkt hinauskommen wollen. Die Wahrheit ist zwar eine, aber sie ist vielfältig in ihren Offenbarungen.“ Rudolf Steiner, Tod und Unsterblichkeit im Lichte der Geisteswissenschaft, GA 69d, S. 350 f. Weder das Leugnen, dass der Gedanke als Instanz am Anfang aller Tätigkeit liegt, noch die gehorsame Anbetung des angenommenen Gottes im Himmel können einen Ausweg aus dem Verstimmtsein, das aus den Organen hochsteigt und sich des Bewusstseins bemächtigt, geben.

Aus diesem Grunde können depressive Episoden manchmal sehr gut bewältigt werden, wenn der Betroffene sich nicht zu sehr in passive Gefühle fallen lässt, Vorsätze für sein Leben denkt und diese schließlich für sein Leben verwirklicht. In Bezug auf Gebete sollte große Vorsicht gelten, meist werden nur Bittgebete ohne jegliches Bewusstsein gesprochen. Ein wirklich klares Vorstellungsleben muss zur Erziehung gelangen. Ein bewusstes Vermeiden von Klagen und Jammern bei gleichzeitigen Vorsätzen zu sinnvollen Gesprächen und günstigen Aktivitäten sind wertvolle Disziplinen, die sich in der Regel immer positiv auswirken. Grundsätzlich sollte in der Krankheitsphase der Depression jene Bemühung erfolgen, dass ein Gedanke sehr gut gedacht und schließlich in der Folge verwirklicht wird. Es sollte der Mut erfolgen, sich selbst nicht von den leiblichen Gefühlen abhängig zu machen, sondern sich bewussten inhaltlichen Gedanken hinzugeben und diese zur Ausarbeitung zu bringen.

Zusammenfassend kann deshalb gesagt werden: Man erwarte nicht von Gott oder von irgendeinem Fremden eine Hilfeleistung, sondern man mache sich jeden Tag ein Konzept, setze sich Ziele und prüfe am Abend, ob diese tatsächlich zur Umsetzung gelangt sind. Man muss lernen, sich von depressiven Gefühlen unabhängig zu machen und gesunden Aktivitäten nachzugehen. Selbst von Erfolg oder Misserfolg darf sich der Einzelne nicht abhängig machen.

Die nächsten Artikel werden den Jahresausblick 2025 betreffen, und im Februar wird die Artikelreihe über die Gesundheit fortgesetzt.

Die Leber ist in guter Kondition mit einer formenden Kraft im Leibe tätig. Sie kann jedoch, wenn sie geschwächt ist, das Bewusstsein nach oben hin belasten und depressive Stimmungen verursachen.

Das Bittgebet lässt den Menschen meistens in sich selbst zurückfallen und fördert auf diese Weise die depressiven Neigungen.
Doldiger Milchstern –
Die Blüte einer Pflanze ist Ausdruck für das Licht. Sie zirkuliert auf harmonische Weise mit dem Kosmos. Ein Studium der Blüten öffnet die Sinne für ein wertvolles Naturphänomen. Dieses Zirkulieren des Lichtes sollte beim Menschen ebenfalls durch bewusste Kontaktaufnahme erfolgen.
Das Formgefühl, das die Übung gibt, eröffnet eine erste neue Bewusstseinsperspektive. Der wagemutige Schritt auf einem Bein und die Ausdehnung des Körpers können lebendige Ströme, die anti­depressiv wirken, entfachen.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 „Missmut der Leber“ ist eine Beschreibung dafür, dass in den Organen esoterisch gesehen sämtliche unbewusste Erfahrungen, Stimmungen und Eindrücke aufgespeichert sind und diese sich, je nach Verfasstheit der Organe, auf das Bewusstsein bzw. auf das Nervensystem spiegeln. Zur Bedeutung der menschlichen Organe für das Bewusstsein siehe auch das Buch: Das Wesensgeheimnis der Seele, Die Organe des Menschen, ihr seelischer Zusammenhang und die Möglichkeiten eines spirituell orientierten Bewusstseinsaufbaues
2 Rudolf Steiner sprach in seinem Vortrag von 1913 in Prag von der Notwendigkeit, seine Gottesvorstellungen zu erweitern: „Man soll danach streben, seine Gottesvorstellung zu vertiefen, man könnte auch sagen: zu erhöhen. Jede Gottesvorstellung nähert sich nur dem Gott, keine kann ihn umfassen. Die Menschen reden zum Beispiel von Pantheismus und Theismus, als ob das eine das andere ausschließe; in Wirklichkeit ist man aber beides, denn bei Tag ist der Mensch Pantheist, bei Nacht mehr Theist. Pantheismus heißt die Gottheit tätig in der Welt erleben. [Im] Theismus erlebt man wie im hellseherischen Weltenschlafe, wie die Gottheit über der Welt wacht. Man kann sich nicht auf Beweise stützen, sondern «wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen». Man soll nur nicht stehen bleiben wollen, [soll] über jeden Standpunkt hinauskommen wollen. Die Wahrheit ist zwar eine, aber sie ist vielfältig in ihren Offenbarungen.“ Rudolf Steiner, Tod und Unsterblichkeit im Lichte der Geisteswissenschaft, GA 69d, S. 350 f.

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