Die Verkörperung Ahrimans – Teil 1

Von Heinz Grill

Allgemeine Begriffsbestimmung

Während die katholische Kirche in ihrer Ekklesiologie lediglich den Teufel benennt, unterscheiden die Geisteswissenschaft wie auch die östliche Lehre die verschiedenen versuchenden Wesenheiten mit den jeweiligen unterschiedlichen Namen. Ahriman ist eine Figur, die erstmals im persischen Dasein auftrat und als Angra Mainyu bezeichnet wurde. Sie ist eine dunkle, zerstörende, den Menschen versuchende Macht, eine Erscheinung der Widersprüchlichkeit zum Guten der Weltenschöpfung, ein Widersacher, eine Art Gegner der menschlichen Würde.

In der Anthroposophie brachte Rudolf Steiner das Wort ­„Ahriman“ neu hervor und bezeichnet den Widersacher im Allgemeinen mit der Bindung an die sterblichen Sinne und die physische Wirklichkeit. Die bekannte Holzschnitzerei von Rudolf Steiner demonstriert die ahrimanische Wesenheit mit einer sehr entarteten Physiognomie, dem Kopf oben sehr breit, dem Kinn sehr schmal, und er will damit zeigen, dass in diesem Widersacher zum Geiste eine hohe, sogar höchste Intelligenz vorliegt. Während die luziferische Versuchung, die mehr die weltenflüchtige Tendenz darstellt, nach oben in der Holzfigur dargestellt ist, stürzt Ahriman, gefangen in den eigenen Einschnürungen, in die Tiefe des Höhlendaseins. Der Widersacher wirkt, wie im Unterirdischen der Weltenschöpfung gegründet.

Von Rudolf Steiner existieren Aussagen, dass diese Wesenheit der Versuchung mit ihrer Inkarnation unmittelbar bevorsteht oder diese sogar eingetreten ist. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn die verschiedensten anthroposophischen Kreise und Einrichtungen darüber spekulieren, wer nun diese Versuchermacht sei, in welchen Bildern sie in Erscheinung tritt und wie sie identifiziert werden kann. Die verschiedensten Spekulationen scheinen sich jedoch nicht sehr einig zu sein, denn es lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ob die Inkarnation Ahrimans eine einzelne Person betreffe oder ob sie ganze Scharen von Menschen vereinnahme. Manche behaupten, dass die künstliche Intelligenz eine unmittelbare Offenbarung Ahrimans sei und andere wieder definieren Personen, die die Physiognomie Ahrimans und das Charakterverhalten mit allen amoralischen Offenbarungen, die es nur gibt, erfüllen.

Die östliche Philosophie diskutiert sehr wenig das Kommen des Versuchers in mehr oder weniger deutlicher personaler Erscheinung. Sie richtet sich vielmehr zu positiven Erklärungsmodellen aus. Die Erscheinung des Negativen interessiert sie im minderen Maße, während die Offenbarung des Avatars, des Retters der Menschheit, der die Guten erhöht und die Bösen bestraft, zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerät.

yada-yada hi dharmasya glanir bhavati bharata
abhyutthanam adharmasya tada ’tmanam srjamy aham

Wenn immer auf Erden das dharma zerfällt und die Rechtlosigkeit überhandnimmt, trete Ich durch eine Geburt aus Meinem Sein hervor.
(Bhagavad Gita, Kapitel IV, Vers 7)

Die östliche Kultur ist in diesem Sinne, und dies vielleicht sogar noch in blassem Nachklang bis zum heutigen Tag, weniger angstbesetzt als die okzidentale Geisteswissenschaft.

Wen identifiziert die Anthroposophie als Ahriman?

Zunächst ist es die künstliche Intelligenz, die als ganze Wucht der ahrimanischen Versuchung bewertet wird. Wieder andere sehen in Putin und in Russland eine Erscheinung des Bösen, das seine Welteroberungszüge in vollstem Umfang anwenden möchte und deshalb ein Erscheinungsbild der Weltverhaftung darstellt. Wieder andere bezeichnen meine Person als die Verkörperung Ahrimans und sehen sowohl in meiner Lehre als auch in meiner gesamten äußeren Erscheinung eine Unterwanderungsaktion der Anthroposophie. Aus diesem Grunde müsse man alle Anthroposophen darüber informieren und mir auf allen Ebenen, sowohl in anthroposophischen Kreisen als auch in der Welt, Redeverbot erteilen. Diese Aufforderung wird von einer minderen Anzahl an Anthroposophen geteilt und in den verschiedensten Lesekreisen und Institutionen finden Informationen statt, die sich zu diesem Anliegen bereit erklären und zum Schutze ihrer eigenen Integrität an der Ausschlussszenerie partizipieren.

Wo lebt nun wirklich die ahrimanische Wesenheit? Welcher Mechanismen bedient sie sich, um an den Menschen heranzutreten und ihn in sein Höhlendasein zu stürzen? Eine sorgfältige Beschreibung und Analyse der psychischen Verhältnisse, in denen sich das Bewusstsein mit allen Anteilen des Untergründigen bewegt, ist für diese Betrachtung notwendig. Die Spekulationen, die heute allgemein über die Erscheinung Ahrimans herrschen, bewirken eine Deformierung des Menschen, unauflösbare Polarisierungen und zuletzt sogar gewaltähnliche Reaktionsmuster. Die Anthroposophie setzt in diesem Sinne leider mehr Angst als wirkliche Aufklärung der tieferen Umstände und deren logischen Zusammenhänge frei. Die Angst, die sich bei den Anthroposophen und bei vielen anderen bereits bis in die Glieder hineingesetzt hat, generiert nach außen hin eine ganze Reihe von irrationalen Handlungsinitiativen, die zuletzt in ihrer gesamten Folgewirkung einen Umstand erzeugen, der jede Türe zu einer wesenhaften Erkenntnis und geistigen Wahrheit verschließt.

Auf diese Weise treten Personen, die aus persönlichen Gründen ­anthroposophische Formulierungen von Rudolf Steiner missbrauchen, eine Lawine von psychischer Irrationalität los und verschütten zahlreiche Menschen in einen Trichter der Ausweglosigkeit.

In den folgenden Beiträgen sollen im wachsenden Maße genauere Beschreibungen und Angaben über die Verkörperung von Ahriman und deren Wirkungsweisen aufgezeigt werden. Es bedarf einer tatsächlich tiefgründigen und fundierten Forschungsarbeit, die die Umstände wirklich beleuchten kann.

Der Teufel tritt in dieser Gestalt als der charmante Versucher heute häufig hervor.
Zeichnung: Andrea Parteymüller-Gerber
Es gibt aber des weiteren noch einen ­emotionalen Versucher.
Zeichnung: Angelika Gigauri
Gingko-Baum im Herbst. An die Natur kommt Ahriman nicht heran, in den Menschen und seinen Trieben kann er jedoch Einzug finden.
Ahriman lebt stark in seiner
eigenen Körperlichkeit.
Ahriman ergreift immer den anderen, er kann den anderen nicht in Ruhe lassen.

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