Für die Zukunft wird nur das wirklich Geschaffene in seine Bedeutung eintreten
Von Heinz Grill
All jene Handlungen, Gedanken, Entscheidungen und gewollten Ideale, die mit Weisheit und Sorgfalt im Zusammenhang mit spiritueller Schulung und gleichzeitig einer klaren zeitbedingten Realitätssicht langfristig verfolgt werden, gewinnen eine kulturelle und vorzügliche Bedeutung für die Zukunft. Ein Fehlen dieser eigenen menschlichen weisheitsvollen Schöpferkraft, wie es im tatenlosen Abwarten oder im blinden Hingeben an schnelle Ideologien geschieht, führt zum ganzen Gegenbild und stärkt geradewegs die Neigungen zu Krieg und Konflikten in der Welt.
Geistig gesehen will heute der Mensch in seine wachsende Schaffenskraft eintreten und er will hierfür nicht einen ideologischen Gottesbegriff wählen, – mit einem Gott, den er als Schöpfer hoch hinauf stellt, und sich selbst als gehorsamen Gutmensch tituliert –, sondern er will selbst nach den Quellen der Weisheit forschen und in die Umsetzung von Ideen zu Idealen eintreten. Diese Aktivität erzeugt, wenn sie nur mit Vernunft und klarer Hinwendung an möglichst gut geformte ideale Vorstellungen geschieht, eine Friedensbewegung auf universeller Ebene. Sie ist gewaltfrei, bewusst und sie benötigt das Opfer von persönlichen Egoismen, Bindungen und allerlei Kompensationen.
Eine große Gegenbewegung ist jedoch heute mit einem falschen Liebesbegriff in der Welt anwesend. Viele Menschen tun sich zusammen und erleben sich als die Vertreter einer neuen Zeit. Sie sprechen von Kulturaufträgen. Die Bemühungen sind menschlich gesehen sehr lobenswert, aber es fehlt die Sicht zu der Schwelle, die in der ganzen Menschheit ansteht. Was ist eine Schwelle? Was bedeutet der sogenannte Hüter der Schwelle, der in den Schriften von Rudolf Steiner und auch in Schriften von mir benannt ist?
Zunächst und ganz praktisch ist eine Schwelle von einem Zimmer zu einem anderen mit einer Türe markiert oder man spricht von einer mentalen Schwelle. Ein Kletterer, der sich in ein gewagtes Erlebnis führt, muss die Schwelle seiner Angst bewältigen. In geistiger Hinsicht muss jeder, der Fortschritte gewinnen möchte, mithilfe hochkarätig ausgeprägter Unterscheidung seine Bindungen, subjektiven Wünsche und karmischen Verwicklungen auflösen, damit er über die Türschwelle in die ganz andere Dimension der Wirklichkeit, eben der geistigen Wirklichkeit, eintreten kann und dort Wahrnehmungen gewinnt. Diesen Weg stellen sich heute die Menschen alle viel zu einfach vor. Sie sprechen heute leider Sätze, die für eine solide Schulung sehr unbrauchbar sind, wie beispielsweise, dass man sich nur vom äußeren Denken abwenden müsse und in sein eigenes wesenhaftes inneres Selbst eintreten solle. Oder sie sprechen von einem schnellfertigen Erleben des eigenen wahren Wesens und verwechseln es mit Christus, mit dem wahren Selbst und mit einem selbstverwirklichten Zustand. Um die Schwelle zwischen der irdischen und der geistigen Welt mit eigener Kraft sinnvoll zu passieren, bedarf es einer exakten Unterscheidung zwischen dem, was vergänglich und unbedeutend ist, und dem, was höhere Werte mit bleibendem Charakter sind.
Infolge der Tatsache, dass sich viele Menschen zusammenschließen, aber diese Unterscheidung zwischen Bindung und tragfähigen Werten nicht kennen, geraten sie in menschliche Konflikte und sie werden bald aus dem scheinbar liebevollen Verbundensein eine unangenehme Antipathie entwickeln. Viele Gemeinschaftsbildungen, die sich neu zusammenfügen, werden gerade aufgrund eines noch sehr unreifen Liebesverständnisses scheitern. Die besten Freunde entdecken sich plötzlich als Feinde.
Die Menschheitsentwicklung aber geht ständig nach vorne und viele Menschen treten tatsächlich an eine neue Türe, die eine Art Schwelle zu einer nächsten Form der Bewusstseinsbildung beinhaltet. Wenn sie ein gutes Unterscheidungsvermögen zwischen Bindung und bleibenden Werten ausgeprägt haben, können sie zu einem leuchtenden Stern der Zukunft werden, während sie ohne diese Unterscheidung sich wie zurückgeworfen fühlen und gerade mit ihren Freunden und Verwandten Konflikte erleben. Freunde werden deshalb nicht selten zu Feinden und Personen, die bislang kritisch betrachtet wurden, werden doch plötzlich zu Helfern in der Not.
Es geht jedenfalls der einzelne Mensch heute immer näher an eine Schwelle zur geistigen Welt. Diese lässt ihn jedoch nicht, wie man sich das so leichtfertig denken könnte, passieren. Sie fordert die gesamten Denk-, Gefühls- und Willenskräfte auf das Äußerste und deshalb bedarf es für das kommende Jahr eines täglichen, ausdauernden und unerlässlichen Einsatzes für Wahrheit, Unterscheidung und Zielverwirklichung. Ein Tag ohne diese Bestrebung schleudert den Menschen in eine Isolation und Beziehungslosigkeit zurück.
Fortsetzung folgt.