Artikel von Heinz Grill:
Jede Zeitperiode in der menschlichen Entwicklung beinhaltet unterschiedlichste Anforderungen für das menschliche psychische und seelische Erleben. Die Erkenntnis der gegenwärtigen Zeit dürfte wohl deshalb am allerschwierigsten sein, da der einzelne Mensch in der Zeitepoche selbst mit seinen eigenen gewohnten Gefühlen und vorgefertigten Weltauffassungen involviert ist. Ein Blick in vergangene geschichtliche Epochen, beispielsweise zurück in das Mittelalter, getätigt heute aus der Gegenwart, verrät dem Menschen selbst, wie er wahrlich ein Blinder in der damaligen Zeit gewesen ist. Es muten heute die inquisitorischen Verfolgungen und die Hexenverbrennungen befremdend und sogar verbrecherisch an, während zu der damaligen Zeit diese Taten unter der Moralität der Kirche gerechtfertigt wurden.
Gibt es überhaupt eine Hexe?
Der Begriff der Hexe benannte in dieser Zeit Frauen, die mit magischen Zauberkräften ausgestattet seien und die ein Bündnis mit Dämonen oder dem Teufel selbst zu pflegen schienen. Das Wort wurde entweder als ein Schimpfwort gegen Unliebsame benützt oder in machtpolitischer Hinsicht von der Kirche zur Verfolgung und angstvollen Abschreckung eingesetzt. Hauptsächlich Frauen wurden gequält, zu falschen, völlig irrealen Geständnissen getrieben, und die Kirche konnte die eigenen Unzulänglichkeiten und Verfehlungen auf Dritte projizieren und im Volk angstbetörende Stimmung machen. Der „Hexenhammer“ von Heinrich Kramer wurde von Papst Innozenz VIII 1484 abgesegnet und als „Hexenbulle“ veröffentlicht. In dieser Hexenbulle bejaht die Kirche als erste offizielle Einrichtung die Existenz der aus wahnerzeugender Projektion geschaffenen Hexerei, legalisiert und beauftragt die grausamen Verfolgungen und eröffnet ein großes inquisitorisches Territorium.
Der Begriff der Hexe war in dieser Projektionskette im Volk nicht nur ein Schimpfwort gegenüber einer hässlichen, zänkischen oder unbeliebten Frau, sondern er war belegt mit einer gefährlichen, zerstörerischen menschlichen Neigung. Die sogenannten guten Menschen wurden durch die böse Instanz verführt, verkörpert in der Frau, die durch ihre niedrige Weiblichkeit andere Menschen mit Zauberei ins Verderben stürzt. Im besonderen Maße eröffnete die Zeit mit den schweren Seuchen, wie es die Pest oder die Pocken waren, dem heute so bekannten Aberglauben, aber dem damals so realen Glauben an die in der Tat stehende und durch die weibliche Hexe verkörperte Teufelsfigur, alle Tore. Die Hexen waren schließlich für das Schicksal der Menschheit, für Hunger und Krankheit, für Schiffsbruch und Tod verantwortlich.
Hexen waren Projektionspole für die Schuld anderer
Der Aberglaube, der früher Glaube war, bediente sich der genialsten Fähigkeit, die die Menschheit wohl über alle Jahrhunderte hervorgebracht hat, und das ist die sogenannte Schuldabwendung oder Schuldprojektion. Die Fähigkeit, die Schuld Anderen zuzuweisen, erschuf der Geschichte – und dies bis zum heutigen Tag – ein großes breitflächiges Manipulationstableau gegenüber dem Volke und konnte Machthaber im Versagen ihrer eigenen Politik und ihres eigenen degenerierten Glaubens vereiteln. Die Hexen waren an den Krankheiten und Miseren der Zeit Schuld und die Kirche konnte ihre Hände im Gebet der Unschuld rein erhalten.
Es liegt nicht viele Jahre zurück, als der Vatikan 1933 als erster Staat dem aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland zustimmte und die Kirchenverträge, die Bismarck mit aller Mühe auflösen wollte, mit Hitler wieder erneuert wurden.1)siehe „Nichts hören, nichts sehen, vertragen“, Spiegel online, 18.7.2013 Die Rechtmäßigkeit dieses Konkordats zwischen Staat und Kirche ist bis heute nicht in ernsthafte Zweifel gesetzt und so ergänzt sich für den Normalbürger auf uneinsehbare Weise die Staatsmacht mit der Kirche und deren ökonomischen, politischen und religiösen Interessen.
Heute sagt man nicht mehr Hexe sondern Sekte
Heute existiert ein Begriff, der dem Hexenbegriff außerordentlich ähnlich ist und das ist derjenige der Sekte. So wie der gewöhnliche Bürger früher wusste, dass der Teufel mit der Hexe in Verbindung zu stehen scheint und seine Zaubereien zur Schädigung des Volkes unternimmt, so scheint der heutige Bürger in der aufgeklärten Zeit zu wissen, dass derjenige, der einer Sekte angehört oder gar eine Sekte führt, asozial im Leben stehe, andere ausbeute, Menschen schädige, Irrlehren zum Schaden des Volkes verbreite und durchaus zu allerlei kriminellen Neigungen fähig sei. So wie früher die Hexenbenennung als Schimpfwort gebraucht wurde und nicht selten zu Anklage und zum Scheiterhaufen führte, so gilt heute der einer Sekte zugerechnete Bürger als gesellschaftlich unakzeptabel, niedrig und schlecht. So wie es aber eine Hexe mit Zauberei eigentlich nicht geben kann, so gibt es auch keine Sekten, die die Gesellschaft stürzen können und Schäden bei Dritten verursachen würden. Wer dennoch aber behauptet, er sei durch eine Sekte geschädigt, vergisst seine Selbstverantwortung, seine Pflicht zu Selbstbestimmung und leugnet die Fähigkeit, sich eigenständig mit religiösen Fragen ausreichend auseinandersetzen zu wollen. Er projiziert im einzelnen diejenigen Emotionen auf seine Mitmenschen, die ihm die Kirche einsuggeriert und in der Folge wird er ein leiser Mithelfer zum größten zentralisierten Glaubenssystem der Welt. Die Sekten und die vielen Esoteriker würden die Kirche schädigen und deshalb muss es Sektenreferenten geben, die in der Öffentlichkeit über das in der Welt wirkende Böse aufklären.
Der moderne Bürger der Zeit wird die Hexenverfolgung und die gesamte inquisitorische Kirchengeschichte als Relikt der Vergangenheit werten und sich keine Blößen geben, dass er vielleicht, ähnlich wie damals, nicht weiß, welche Machenschaften und Manipulationen heute vorliegen. Im Mittelalter und selbst zu einer Zeit des Nationalsozialismus, hatte man noch nicht die ausreichenden Informationen zur Verfügung, die man zur Aufklärung benötigt hätte. Heute, so kann sich der moderne Bürger rühmen, habe er eine eigene Meinung und könne sich Kraft dieser in jedem Lebensbereich, sei es Medizin, sei es Politik oder dem Sozialleben, selbst bestimmen.
Die „Zeichen der Zeit“
In der Zeit der Entstehung der Evangelien erlebte man noch die sogenannten „Zeichen der Zeit“. Mit diesen Zeichen der Zeit verstand der damalige Bürger nicht ein äußeres, sichtbares Zeichen, wie beispielsweise die Erscheinung des Terrorismus oder das Erleben der intellektuellen Überlastungen, die den modernen Bürger durch die informativen und ökonomischen Zwänge peinigen. Es handelte sich vielmehr um eine mehr innere, verborgene Signatur, die in den äußeren Erscheinungsbildern lebt. Anthroposophisch gesprochen ist das sogenannte Zeichen das Wesen im Astralleib oder anders ausgedrückt, es ist die innere Bedeutung, die in den verschiedenen mentalen und emotionalen Gebärden der Welt lebt.
„Und es tut (das Tier) große Zeichen, dass es selbst Feuer vom Himmel vor den Menschen auf die Erde herabkommen lässt; und es verführt die, welche auf der Erde wohnen, wegen der Zeichen, die vor dem Tier zu tun ihm gegeben wurde, …“ (Apokalypse 13,11 ff.)
Dass es sich mit der Benennung des sogenannten Zeichens nicht um ein äußeres Feuerwirken vom Himmel, ein Blitzen oder Wetterleuchten handelt, das im Sichtbaren seinen Verlauf nimmt, wird aus der Schilderung relativ leicht erkennbar. Was sind jedoch die Zeichen der heutigen Zeit? Was lebt in den Bewusstseinsprozessen der Menschheit? Welche innere Kraft und welche Motive liegen in den zentralisierenden und globalisierenden Tendenzen von heute?
Aus einer geistigen Sichtweise war das Feuerwirken, das in der Apokalypse als Zeichen für die Zeit prophezeit wurde, nichts anderes als ein regelrechtes Fieberwirken, das einerseits heftigste kriegerische Auseinandersetzungen im Menschen, vor allen Dingen religiöse Kriege verursachte, die vom Trieb einer regelrechten wahnhaften Besessenheit motiviert waren und andererseits waren es, im Gegenzug, tatsächliche Fieberreaktionen, feurige Reaktionen, die zu Seuchen und schwersten Leiden in der Menschheit führten. Das unsichtbare Feuer, das so sehr die Menschen in verschiedenster Weise erhitzte und vom Himmel oder vom Kosmos herabkam, war ursächlich durch religiösen Fanatismus gegeben.
Dunkelheit statt Feuer
Heute jedoch sieht derjenige, der geistig forscht, keine Spuren von diesem Feuerwirken, sondern sogar das Gegenbild, das Herabfallen der Dunkelheit, das die Erde nahezu mit Schwere erstickt. Obwohl die Sonne zunächst wie immer mit ihren Strahlen die Erdoberfläche erwärmt und die Pflanzen zum Wachstum emporzieht, durchdringt dieses, auf den ersten Blick gesehene eigentlich nicht schlechte Licht, eine ungesehene Finsternis. Lastend und erdrückend liegt dieser Einfluss aus dem Kosmos über dem Menschen. Es ist ein Wesen, das den Geist des Menschen und die Seele mit ihren gesunden Empfindungen verdrängt und durch seine Schwere jegliche gesunde Zukunftsvision erstickt.
Wer erschafft dieses im Kosmos bestehende und auf Menschen wirkende Wesen, woher kommt es? Liegt sein Ursprung im Kosmos selbst oder besitzt der Mensch für seine Entstehung eine eigene Anteilnahme und Verantwortung? Kann der Kosmos ohne den Menschen gedacht werden und umgekehrt der Mensch ohne den Kosmos? In einer Zeit der Entfremdung und des immer noch weiter wachsenden Materialismus drängen sich Fragen dieser Art, obwohl sie geistig philosophisch gesehen unsinnig wären, tatsächlich auf? So wie eine Umweltverschmutzung nicht durch die Natur und den Kosmos entstehen, sondern durch den Menschen, der seine Maßeinheiten in der Industrialisierung und Technisierung nicht langfristig und verantwortungsvoll kalkuliert und dadurch das Wesen der Umweltverschmutzung bis hin zur gefährlichen Vergiftung hervorgebracht hat, in gleichem Maße ist es auch ein Ergebnis der menschlichen Entwicklung, mit all ihren Konsequenzen, dass jenes dunkle Wesen als esoterisches Zeichen im Himmel oder als Zeichen oder Wesen der Zeit in die Geburt gebracht wurde.
Der Mensch selbst wirkt auf den Kosmos
Philosophisch gesehen bestimmt nicht ein fremder Kosmos oder, wie es die katholische Lehre predigt, ein fremder Gott über das Menschenschicksal, sondern – und diese Aussage ist so wichtig, sie in der ganzen Tragweite zur Kenntnis zu nehmen – die Menschheit besitzt eine große Verantwortung und jeder einzelne Bürger ist mit einem sogenannten Selbst ausgestattet, das heißt er trägt einen Geist in sich und mit diesem Geist strahlt er innerste Kräfte auf seine Mitmenschen und die Natur hinüber, aber nicht nur auf diese, sondern er strahlt sie jeden Tag auch auf den Kosmos. Die dunklen und degenerierenden Zeichen der Zeit sind deshalb nicht fremde Wesensmächte, die durch Zufall entstanden wären und die völlig schicksalhaft den Menschen determinieren, sondern sie sind die eigenen menschlichen innersten Bewegungen selbst, die bewussten und unbewussten Motive, die auf den Kosmos wirken.
Der Brahmane in Indien gebrauchte das Wort „jagat“ und übersetzte dieses mit dem einfachen Begriff „Welt“. Er unterschied jedoch damals, als noch mehr eine seelische und geistige Empfindung lebte, nicht zwischen den Sternenwelten und den irdischen Welten. Die Blumen, die Pflanzen, die Wälder, die Bewegungen der Gewässer und die Erscheinungen von Wachstum und Vergehen standen für diesen damaligen Brahmanen so inniglich miteinander in Verbindung, dass er keinen Unterschied von oben und unten für die Welt mit jagat konstatierte.
Ursachenforschung
Woher entsteht nun diese dunkle Wesensnatur, die heute nicht mehr zu allerlei fieberhaften Epidemien führt, sondern im allgemeinen Zelldegenerationen und die verschiedensten Stoffwechselschwächen mit unsoliden Abbauvorgängen hervorruft? Die Ursache der Zeitendegeneration, der Umweltverschmutzung, der Übertechnisierung und der vielerlei Leiden, die die Entfremdungskultur mit sich bringt, ist sicherlich nicht mit einem einzelnen, für sich stehenden Grund benennbar, dennoch aber erscheint es erwähnenswert, wenn man sich das Wagnis erlaubt und die Bedeutung der Kirche, ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrer Folgewirkungen bis heute in Zusammenhang mit der degenerativen Zeit betrachtet. Zumindest könnte man wohl sagen, wenn das Christentum nicht durch die Kirche entfremdet oder – um es sogar direkter auszudrücken – abgeschafft und bekämpft worden wäre, so wäre vermutlich die Übertechnisierung der jetzigen Zeit als materialistische Kompensation gar nicht entstanden.
Der einzelne Bürger mag heute kritisch und aufgeklärt gegenüber den Dogmen der katholischen und evangelischen Kirche sein und beispielsweise nicht mehr an die allein selig machenden Heilsversprechen der Sakramente glauben, im Innersten seines Seelenlebens trägt er jedoch, noch ganz unbewusst, die Geschichte dieser Einrichtung Kirche in sich fort. Die meisten Menschen denken, dass es heute keinen Aberglauben mehr gäbe und all jene Verwerfungen, die es in der Hexenverfolgung gegeben hat, einer vergangenen Zeit angehören. Alles sei heute nun besser, moderner, aufgeklärter, sagt man. Wie geht es aber jenem, der als Sekte benannt, beschimpft und aus der Gesellschaft ausgegrenzt wird? Übernimmt er nicht, wie damals die Hexen, die hinterlassenen Schulden der offiziellen sogenannten guten Christen? Er wird zum Projektionspol für das sogenannte Böse und man sieht ihn nicht selten noch ursächlich für die sogenannten „kleinen Kavaliersdelikte“, die täglich von der Kirche begangen werden, aber mit aller Kunst und Raffinesse vielfach in der Öffentlichkeit der Vereitelung unterliegen. Es muss Sekten geben, nicht weil Menschen anderer religiöser Meinung sind, sondern es muss sie geben, damit die Gesellschaft einen Projektionspol für das Böse besitzt.
Erschüttert ist man bis in die Tiefe seiner Seele, wenn man diese Zeichen der Zeit immer mehr wahrnehmen lernt, denn sie werfen auf das menschliche Empfinden eine unerträglich erstickende Schwere. In Worten lässt sich dieses dunkle Wesen, im Zeichen der Zeit, etwa wie folgend aussprechen:
„Weil ich mit meinen Heilsversprechungen und meiner Verneinung einer Präexistenz der Seele in der Enge und Hoffnungslosigkeit allen Glaubens angekommen bin und ich diese tradierten Sätze über längste Zeit für wahr gehalten habe, kann ich heute nicht umhin, als mich an diesen weiterhin festzuhalten. Aber ich halte mich an einem sinkenden Schiff fest und besitze nicht den Mut, hinaus in das Wasser zu springen. Das Schiff soll mich mit seinem Sog hinunterziehen und alle anderen mit mir. Ich habe allen Mut verloren und nun will ich weiterhin alle meine Mitmenschen ebenfalls mit meinen eigenen Unzulänglichkeiten und Schicksalen belasten. Wenn alle anderen mit mir in der Tiefe untergehen, so habe ich ein Gefühl, nicht alleine zu sein und mir gefällt sodann meine eigene Hoffnungslosigkeit.“
Würde man der Dunkelheit, die heute von der Menschheit selbst als Zeichen der Zeit geschaffen ist, ein Mikrophon reichen, so würde bei ehrlicher Bekenntnis ein erschütternder Wortlaut, wie etwa dieser es ist, zum Ausdruck kommen. Es ist heute die Zeit wie ein Hebel, der die Menschen in die Tiefe hineinzieht und wie ein Perpetuum Mobile, wie eine selbsteigene wachsende Kraft allesamt in einen Sog verschlingen möchte. Das Individuum soll ausgelöscht werden und es sollen nur noch jene akzeptiert sein, die den Dogmen der Kirche und des Materialismus folgen. Die Lebenskräfte des Menschen werden von diesem Mammon der Zeit aufgesaugt.
Das Konkordat zischen Staat und Kirche müsste aufgelöst werden
Es wäre sehr viel gewonnen, wenn die Kirche sich auf ihre eigenen Glaubenssätze und auf ihre religiösen Bekenntnisse beziehen würde und das Konkordat vollständig gelöst würde. Die Zusammenarbeit von Religion und Staat verstößt gegen das Grundgesetz und erhält eine diffuse religiöse Macht und ein infiltriertes politisches System. Solange aber die Glaubenssätze, die heute die offizielle Kirche vorgibt, das Denken und Fühlen der Menschheit so ungesehen und so unbewusst beeinflussen – das ist ein Umstand, der vielfach mehr durch Medienpolitik geschieht –, kann sich das einzelne Individuum von der vergangenen Geschichte der Kirche nicht lösen. Der Nationalsozialismus wurde in Deutschland aufgearbeitet, jedoch die Vergangenheit der Kirche hüllt sich in Schweigen und erscheint, als ob sie mit dem Gegenwartsmenschen nichts zu tun hätte. Wie sollte sich der einzelne Mensch von den Gegenwartsmanipulationen, die in Zusammenarbeit von Staat und Kirche geschehen, befreien? Wenn man nur einen geringen Versuch zu unternehmen wagt, und diese Zeichen der Zeit entziffern lernen möchte, kann man nicht umhin, als einmal die sogenannte karmische Frage, die Frage von Ursache und Wirkung im eigenen Persönlichen wie auch in einem Gesamten der Gesellschaft zu bearbeiten.
Anmerkungen
⇑1 | siehe „Nichts hören, nichts sehen, vertragen“, Spiegel online, 18.7.2013 |
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„Das Konkordat zwischen Staat und Kirche müsste aufgelöst werden.“
Als ich diese sinnvolle Forderung las, dachte ich, dass ich in dieser Sache eigentlich gar nicht so richtig weiß, wie das rechtlich geregelt ist. Die Trennung von Staat und Kirche ist im Grundgesetz verankert. Das war bis jetzt mein Informationsstand und ich dachte, damit ist alles bestens geregelt. Aber so einfach ist es dann doch nicht:
Informiert man sich zu o.g. Sachverhalt, erfährt man, dass es sich in der BRD um eine sog. kooperative Trennung handelt und nicht – wie z.B. in Frankreich seit 1905 den sog. Laizismus, der eine strikte Trennung von Staat und Kirche darstellt. Diese „kooperative Trennung“ in der BRD bedeutet, dass in vielen Bereichen weiterhin eine große Vermischung der jeweiligen Interessen von beiden Seiten vorliegt und die Kirchen mit Privilegien ausgestattet sind, die sich ein normaler Bürger gar nicht vorstellen kann.
Beispielsweise sind die Kirchen von bestimmten Gerichtskosten befreit!
Grund dafür ist das Landesjustizkostengesetz von Hamburg. Laut §11 sind „Kirchen, sonstige Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen, die die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben“ von den Gebühren, „die ordentliche Gerichte in Angelegenheiten der streitigen und freiwilligen Zivilgerichtsbarkeit und die Justizverwaltungs-behörden erheben“, befreit.
Hier ein Bericht (Zivilrechtsstreit mit der Kirche) von 2012 einer Regensburger Zeitung:
https://www.regensburg-digital.de/die-kirche-klagt-die-allgemeinheit-zahlt/11102012/
Ein großer Teil der Abmachungen, die im Konkordat festgeschrieben sind, sind die Staatsleistungen, die aus dem allgemeinen Steuertopf den Kirchen zufließen. Die deutschen Länder – außer Bremen und Hamburg – zahlen seit 1946 an die beiden großen Kirchen jährlich steigend wachsende Beträge. Im Jahre 2017 war der Gesamtbetrag der Länderzahlungen an die Kirchen 524 Millionen Euro (laut ifw).
Diese Staatsleistungen sollten jedoch eigentlich seit 1919 (Weimarer Verfassung Art.138 Abs.1) abgelöst werden.
Wörtlich heißt es: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“
Dieser Artikel wurde in das Grundgesetz von 1949 übernommen und ist bis jetzt nicht erfüllt.
Aus den allgemeinen Steuereinnahmen wird u.a. das Monatssalär der Bischöfe bezahlt. Auch die Pensionen der Bischöfe (dazu noch die Sicherstellung einer Wohnung ect.), die Kosten für Kirchenpersonal, Unterhalt von Kirchengebäuden u.s.w. wird aus öffentlichen Steuergeldern finanziert.
Der Bund muß die gesetzlichen Grundsätze zu o.g. Verfassungsauftrag erarbeiten, damit die Länder mit der Umsetzung beginnen können. Im Bundestag wird nun seit 70 Jahren die Erarbeitung dieser Grundsätze, die die Länder zur Erfüllung des Verfassungsauftrages bräuchten, blockiert. Den letzten Versuch hat die Partei DIE LINKE 2016 unternommen, aber auch hier wurde deren Antrag mit Mehrheit von CDU/CSU und der SPD wieder vertagt. So kann man vermuten, dass durch eine gelungene politische Lobbyarbeit der Kirchen es bis jetzt gelungen ist, diesen Verfassungsauftrag zu umgehen. Das ist – meines Erachtens – ein rechtswidriges Verhalten der Politiker, die sich an den Verfassungsauftrag zu halten haben und dafür verantwortlich sind, dass dieser auch in den entsprechenden Bereichen zur Umsetzung gelangen kann – u.a. sind sie ja dafür auch vom Volk beauftragt. Außerdem drängt sich bei mir das Gefühl auf, dass viele der sog. Volksvertreter aus Angst vor persönlichen Nachteilen dem von kirchlicher Seite kommenden Druck nachgeben und sich still und heimlich aus der Verantwortung schleichen. Da zeigt sich für mich deutlich und auch unmittelbar, wie weit der Einfluß und die Macht der Kirchen reicht, sodass sogar die Volksvertreter Angst haben, sich mit den Kirchen anzulegen.
Verfolgt man die öffentlichen Diskussionen zu diesem Thema in den letzten Jahren, erscheint sehr deutlich, dass die Vertreter der Kirchen nach wie vor die Staatsleistungen als für die Kirchen rechtens ansehen. Sie argumentieren, dass die Kirchen für die Gesellschaft „sinnstiftend“ sind und dies angeblich der Staat nicht leisten könne. Sie ernennen sich damit selbst – ganz geschickt – zur moralischen Institution der öffentlichen Gesellschaft. Dabei muß man wissen, dass sich nur noch ca. 55% (2016) der Bevölkerung in Deutschland zu den großen Kirchen bekennen – Tendenz rückläufig.
Außerdem denke ich, wäre es in unserer jetztigen Zeit durchaus angemessen, dass sich der Bürger selbständig um eine Sinn- und Werteentwicklung bemüht und sich eigenständig um entsprechende Quellenschriften kümmert.
Man kann sich fragen: Welchen „Sinn stiften“ die Kirchen für die Gesellschaft? Sind diese kirchlichen Werte zeitgemäß, förderlich für die individuelle Entwicklung und freiheitsschaffend?
Schaut man hin auf die Werte der Kirche, geht es nach meiner Einschätzung wohl hauptsächlich darum, die eigene Macht zu stärken, indem man hirarchische Strukturen erhält, um den Bürger brav, angepasst, untertänig und zum Dienen bereit zu erziehen.
Es ist verfassungswidrig und außerdem eine Zumutung für die 45% Bevölkerung, die sich weltanschaulich anders orientiert, dass sie die großen Kirchen meist unwissentlich finanziell unterstützen muss.
Eigentlich müsste es vollkommen klar sein, dass der moderne Bürger die Dogmen der Kirchen – die sie selbst als sinnstiftend darstellt – ablehnt. Aber indem die Kirchen durch geschickte Politik und Einflussnahme gerade in den sozialen Bereichen (Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Pflegeheime) wirksam ist, gelingt es ihr bis zum heutigen Tag, einen Großteil der Bevölkerung unbemerkt und untergründig zu binden.
Die Erfüllung des Verfassungsgesetzes von 1919 – die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen – wäre für mich ein erster notwendiger und wichtiger Schritt zu mehr Unabhängigkeit gegenüber den Kirchen. Damit könnte eine weitere Loslösung der untergründigen Vermischungen von Staat und Kirche erreicht werden.
Zu dem Thema gibt es eine sehr genaue historische Darstellung, wie auch eine aktuelle Befragung (2017) der einzelnen Parteien durch das Institut für Weltanschauungsrecht -ifw (humanistischer Pressedienst):
Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen bis 2019 !
https://hpd.de/artikel/staatsleistungen-an-kirchen-2019-abloesen-15200
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu diesem Artikel passt meines Erachtens das 1998 im Nikol Verlag erschienene Buch „Sünden der Kirche“ des Autors Hans-Jürgen Wolf.
Herzliche Grüße von
Michael Lührmann
Der Reichtum der Kirchen beruht früher wie heute auf Besitztümer, die z.T auf unrechte und nicht transparente Weise in den Schoß der Kirche gelangen und dort auch verbleiben. Beispielsweise werden alte alleinstehende Personen umworben, damit sie ihre Häuser und ihr Eigentum der Kirche vermachen. Ein weiteres Beispiel ist die Caritas. Sie wirbt mit Ausbildungen zum Ehrenamt. Ich kenne mehrere Personen, die sich bis zur Verausgabung in der Flüchtlingsbetreuung engagieren. Warum sollen diese Menschen für ihre wertvolle Arbeit nicht bezahlt werden? Einzig mir ersichtlicher Grund ist, dass die Kirche und ihre Institutionen das Geld lieber für sich behalten. Ich kann nur hoffen, dass hilfsbereite Menschen in Deutschland sich dieser Tatsache bewusst werden. Eine tatsächliche Trennung von Kirche und Staat wäre in Deutschland dringendst notwendig. Deutschland befindet sich mit seiner engen Vernetzung von Kirche und Staat auf diesem Gebiet, könnte man sagen, noch im Mittelalter.
In Deutschland wurden im Mittelalter Millionen von Frauen als Hexen verbrannt. Der Besitz wurde beschlagnahmt, bevor irgendein Beweis für die Schuld erbracht war. Geständnisse wurden unter schlimmster Folter erwirkt. Das Erbe ging sofort in den Besitz der Kirche über; die Hinterbliebenen wurden vertrieben und enteignet. Das „Hexenbrennen“ war das schnellste und leichteste Mittel für die Kirche um reich zu werden. Paläste, Klöster und Kirchen wurden von den Geldern gebaut. Und heute zahlt der Steuerzahler für die Erhaltung dieser Gebäude und dies nicht nur mit der Kirchensteuer. Auch derjenige, der längst aus der Kirche ausgetreten ist, zahlt kräftig mit. Jedes Jahr fließen in Deutschland 500 Millionen Euro (!) vom Staat an die katholischen und evangelischen Kirchen als Entschädigung für einst von Fürsten enteignete Grundstücke. Damit wird bis heute das Grundgesetz umgangen und dafür gesorgt dass jeder einzelne Bürger die dunklen Machenschaften der Kirchen mit unterstützt.
Aufklärung und Aufwachen ist nötig. Ich möchte auf diese gut recherchierte Dokumentation hinweisen: https://www.youtube.com/watch?v=XU6AB8z-iOM
Ich bin überzeugt dass diese untergründigen heimlichen Manipulationen und verdeckten Verbindungen zwischen Staat und Kirche die Menschen schwächen und wahre Fortschritte verhindern. Je mehr man darüber weiß umso besser kann man sich aufrichten und etwas tun. Auch auf die Gefahr hin, dass man dann halt Sekte ist.