Von Heinz Grill
Mit einer sehr praktischen Benennung gliedert die sogenannte Shankhya-Philosophie aus dem Osten die verschiedensten Erscheinungsformen des Menschseins und der Natur in drei unterschiedliche Glieder. Es sind die sogenannten guna, die Qualitäten des Daseins, und sie heißen sattva, rajas und tamas. Alle sichtbaren Phänomene sowie in weiterer Folge alle menschlichen Handlungen lassen sich gemäß dieser Dreigliederung identifizieren. Der Vorteil dieser gegliederten Zuordnung ist für den Menschen, der sie praktisch und erkenntnismäßig tätigt, dass er dem Leben eine bessere, selbstbestimmte Richtung geben kann. Die Gesundheit benötigt eine aktive bewusste Auseinandersetzung, nicht nur mit sich selbst, sondern darüber hinaus mit den Phänomenen der Natur, den Nahrungsmitteln, den Bedingungen des Daseins, den Beziehungsverhältnissen und den verschiedensten Gefühlen, damit jene so wichtige Selbstbestimmung für ein gesundes psychisches und physisches Dasein eintreten kann.
Sattva ist das reine und lichte guna und wenn es in Handlungen und im Bewusstsein vorherrscht, führt es zu einer schönen ästhetischen Ausstrahlung und gewährleistet im Beziehungsverhältnis angenehme Verbindungen. Rajas bedeutet das hyperaktive, bewegende Prinzip des menschlichen und natürlichen Daseins. Es kennzeichnet sich durch Unruhe, Hast, Begehrlichkeit und stellt somit die Grundlage für alle willentlichen Handlungen dar. Rajas ist nicht mehr rein, sondern voller Triebhaftigkeit und bildet deshalb für die Gesundheit eine wachsende Belastung. Das dritte guna, tamas, bezeichnet die Dunkelheit oder Trägheit des Körpers mit all seiner Schwere. Im Bewusstsein stellt es Desinteresse, mangelhafte Aufmerksamkeit und somit das Erscheinungsbild der Ignoranz dar.
Wenn man diese drei Grundprinzipien des Daseins philosophisch und betrachtend im Leben analysiert, wird man zu dem Ergebnis gelangen, dass diese Prinzipien in einem ständigen wechselseitigen Austausch stehen. Eine gut zubereitete Speise mit biologischen Ingredienzen, harmonisch gekocht und wohl abgestimmt mit Gewürzen, bietet sich als sattva-Nahrung an. Wird diese jedoch mit sehr vielen scharfen Gewürzen einseitig behandelt, entgleitet der reine Zustand in eine Unruhe und nimmt das guna rajas in Anspruch. Wiederholt aufgewärmt und lange im Kühlschrank aufbewahrt, gewinnt die gleiche Kost die Seinsbestimmung von tamas und erweckt in der menschlichen Verdauung dunkle Kräftewirkungen, die schwer abbaubar sind. Gerade auf die Auswahl, Zubereitung und Erhaltung von Lebensmitteln bezogen gewinnt diese Einteilung der Såøkhya-Philosophie in sattva, rajas und tamas eine sehr beachtliche Bedeutung. Das menschliche Bewusstsein mag bereits im Anbau und in der Kultivierung von Getreide, Früchten und Gemüse eine Tendenz zu einer mehr sattva-, rajas– oder tamas-orientierten Nahrung eröffnen.
Nicht nur auf die Nahrungskultivierung, Zubereitung und Esskultur lassen sich die drei Seinsprinzipien anwenden, sie finden sich darüberhinaus in allen Glaubensformen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Erscheinungen der menschlichen Ausdrucksgebung. Man nehme zum Beispiel die Art, wie das menschliche Bewusstsein Wahrnehmungen entwickelt. Wie werden die Sinne und die daran nahe angelehnten Empfindungen geführt? Die Art und Weise, wie jemand seine Wahrnehmungen zu sich selbst und zur Außenwelt ausrichtet, bewirkt in der Folge eine lichtere oder verschleiernde Sphäre bis hin zu einer Abdunkelung der körperlichen Verhältnisse. Aus diesem Grunde stellen sich die Fragen: Wann sind die Wahrnehmungsprozesse eines Menschen dem guna des sattva entsprechend, wann verwickeln sie sich in der Begehrens- und Willensdetermination des rajas, des unruhigen Prinzips und wann oder zu welchen Gelegenheiten unterliegen die Sinne der Trägheit, dem vereinnahmenden und beschwerenden tamas-Prinzip? Man kann im Sinne der aktiven Gesundheitsvorsorge auf die Art und Weise, wie das Bewusstsein die Wahrnehmungen steuert, achten. Die Mühe um eine objektive Aufmerksamkeit und eine erfrischende Wahrnehmung über die Sinne und schließlich eine daraus resultierende gute Vorstellung, geben dem Menschen einerseits ein natürliches besseres Aufgerichtet-Sein und des Weiteren fördern sie gesunde Ausscheidungsprozesse. Es könnte beispielsweise jemand der Meinung anhaften, dass es die bequemste und gesündeste Art sei, sich grundsätzlich nicht anzustrengen und in einer Art Gleichgültigkeit den Anderen in Ruhe zu lassen, wie auch selbst in einen bequemen Stuhl einzusinken. Der Weg zur objektiven Wahrnehmung verschiedenster Phänomene erfordert wache und bewusste Aktivitäten und wenn man ganz der Bequemlichkeit unterliegt, sodass der Körper mit seiner Schwere das Sinnesleben bestimmt, verfällt man dem tamas.
Es ist sehr wertvoll, wenn diese verschiedenen Prozesse der Wahrnehmung, wie sie aktiv und ausreichend objektiv entwickelt werden, zur Beobachtung gelangen. Eine Gesundheitspflege erfordert diese Form der Auseinandersetzung mit der Sinnestätigkeit und der bewusst herbeigeführten Wahrnehmung. Die unterscheidende Beobachtung dieser Verhältnisse wird bereits manche Unruhe und Trägheit überwinden und zu einer besseren Spannkraft in der Psyche und in der Physis führen. Schließlich ist es doch das Bewusstsein, das gezielt zum Einsatz und zur Führung gelangt und das die körperlichen Konditionen bestimmt. Man werde sich am besten dreimal am Tage in vollreifem Bewusstsein gewahr und lenke die Sinne mit ihrer Wahrnehmungsfähigkeit bewusst auf einige Objekte des Daseins. Es ist des Weiteren hilfreich, die einzelnen Wirkungen, wie sie im Nachhinein aus dieser bewussten psychischen Aktivität entstehen, zu beobachten und sie mit den automatisierten Vorgehensweisen zu vergleichen.
Wie verhalten sich die Strömungen sattva, rajas und tamas innerhalb der persönlichen körperlichen Verfasstheit? Diese Frage und wie praktisch die richtige Form der Ruhe und die konkrete Form der aktiven bewusstseinsbildenden Auseinandersetzung gefördert werden kann, soll im nächsten Artikel erscheinen.