Infolge meines Jahresausblickes für 2020 stellten einige Leser die Frage, warum astrologische Erklärungen darin keine Benennung fanden. Einige Stimmen meinten ganz besonders, dass die Konstellation von Saturn-Pluto eine außerordentliche Bedeutung habe und diese wohl zu einer Wendezeit in Politik und Ökonomie für die Zukunft führen müsse. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Bedeutung besitzt die Konjunktion zwischen den Planeten Saturn und Pluto, die im sogenannten sechsten Haus am 12. Januar dieses Jahres ihren entschiedenen Ausgang nimmt?1)Bei einer Planetenkonjunktion liegen die betreffenden Planeten unmittelbar nebeneinander, oder besser gesagt, astronomisch gesehen hintereinander, so dass sich ihr Einfluss verstärkt. Ob diese Verstärkung eher harmonisch oder eher spannungsreich ist, hängt vom Charakter und der Ähnlichkeit der Planeten ab. Handelt es sich um so gegensätzliche Planeten wie Saturn (Himmelsregent) und Pluto (Herrscher der Unterwelt), so entsteht ein großes Spannungsverhältnis. Siehe auch Astrodata.com
Bislang bin ich mit den astrologischen Deutungen, um es persönlich anzumerken, nicht sehr glücklich, da sie die Gefahr in sich bergen, von Determinationen auszugehen und die Möglichkeit des schaffenden menschlichen Ich in Freiheit zu wenig berücksichtigen. Obwohl der Kosmos mit seinen Sternen den Menschen rhythmisch durch die Jahreszeiten und durch verschiedene Seelenerlebnisse führt, so ist dieser durch den Geist im freien und möglichen Willen lenkbar. Nicht die Sterne müssen in letzter Konsequenz den Menschen führen, sondern der Mensch führt sich durch seine Reifeentwicklung zunehmend selbst und kann im weiteren Verlauf den qualitativen Einfluss des Lichtes, das aus dem Kosmos entspringt, bestimmen. Die Schöpferkraft des Geistes ordnet und lenkt in letzter Konsequenz alle astralen Einflüsse und gibt diesen ihre sinngemäße Bedeutung.
Die Saturn-Pluto-Konjunktion, die in der Wintersonnwende im zweiten Haus stand und bis zum 12. Januar in das sechste Haus weiterwanderte, wird von verschiedenen Astrologen unterschiedlich bewertet. Der Astrologe Gerhard Himmel schreibt in seinem Bericht, dass Saturn mit seiner reifen Urteilskraft die Gesetzmäßigkeiten des Menschen repräsentiert und Pluto die suggestiven Einflüsse aus kollektiven Formen des Daseins widerspiegelt.2) Siehe Astrologieschule Gerd Himmel.de, Stand 14.1.2020 Allgemein besitzt Pluto dadurch ein hohes Manipulationspotential, das den Menschen tendenziell aus unbewussten und untergründigen Vorstellungen angreift. Wieder eine andere Interpretation lautet wie folgend: „Während Saturn die Selbstbestimmung regiert, steht Pluto unerlöst für die Fremdbestimmung. Wenn also beide in einem Spannungsaspekt zusammentreffen, ist immer diese Frage zu lösen, inwieweit wir selbstbestimmt handeln können oder nicht.“3) Zitat aus: Sternenlichter 2.0, Stand 14.1.2020 Etwas banalere Interpretationen sehen in der Saturn-Pluto-Konstellation eine Art Aufatmen zu Neubeginn und einer glückbringenden Zeitenwende.
Auf den Menschen und seine Seele bezogen kann diese Konstellation, die in sich als Konjunktion eine Widersprüchlichkeit trägt, noch näher betrachtet werden. Es existiert eine Eigenschaft, die sich in zunehmendem Maße im Seelenleben des Menschen beobachten lässt. Hierzu muss man in genauer Form die Gefühle des Menschen beobachten lernen. Besonders wichtig erscheinen bei diesem Beobachtungsprozess die Stimmungen, Empfindungen und Reaktionsweisen in Bezug auf Wahrheiten. In jeder einzelnen Menschenseele existiert ein Gewissen für Moralität und gleichzeitig wird dieses mit sensiblen Gefühlen für eine Wahrheit erlebt.4) Rudolf Steiner äußert sich folgendermaßen zum Begriff der Moralität: „Man wird niemals mit bloßer Philosophie eine Definition des Moralischen geben können, und es ist das Charakteristische gerade der Philosophie, sofern sie Moralphilosophie sein will, daß sie zu einer richtigen, befriedigenden Definition des Moralischen nicht kommt, wenn sie sich nicht auf den Boden stellt, daß es dem Menschen möglich ist, sein Geistig-Seelisches unabhängig vom Leibe in sich zu erleben. Denn eine andere wirkliche Definition des Moralischen ist nicht möglich, als nur diejenige: Moralisch ist das, was der Mensch beschließt, was der Mensch tut durch Kräfte, die unabhängig von seinem Leibe sind.“ (GA 143, S. 43) Die Saturn-Pluto-Konjunktion bewirkt nun in diesen Stimmungen der moralischen Empfindungen für Wahrheit eine ganz eigentümliche und nahezu grotesk anmutende Situation. Wahrheit und Irrtum scheinen sich wie der Kopf und der Bauch des Menschen zu vertauschen, der Bauch erscheint wie oben und der Kopf scheint nach unten in die Verdauung gelegt zu sein.
Es gibt heute bereits viele Personen, die sehr wohl ein Bewusstsein darüber besitzen, dass sie sich mit ihrer Lebenseinstellung in einem respektablen Irrtum befinden. Durch die Eigenschaft des Pluto, der mehr aus den Untergründen und dem Unbewussten des Menschen aufsteigt, erleben jedoch viele und in der Zukunft sogar in steigendem Maße immer noch mehr Personen, diesen Irrtum als Privileg und Macht. Sie erfreuen sich eigenartigerweise sogar, wenn es ihnen gelingt, andere Menschen von ihrer scheinbaren Wahrheit also ihrem wissenden Irrtum zu überzeugen und diese für sich zu gewinnen. Wie ein neues Weltbild erwachen in zunehmendem Maße diese Stimmungen der eigenen subjektiven Wahrheitswelt und ihr vitales, aufsteigendes Bedrängen. Mit dem Leben und Ausdrücken des Irrtums können diese eigentlich im Grunde genommen schwachen Menschen hohe und höchste Gefühle und sogar Ekstase erleben.
Der Saturn wäre der Planet, der urbildlich die reifen Erfahrungen, Urteilsfähigkeiten und präzisen Denkvorgänge des Menschen widerspiegelt.5) Von Interesse hierzu ist die Beschreibung des Saturn in der Pädagogik in „Signaturen der Planeten und die seelisch-geistige Entwicklung in der Pädagogik“ S.193 bis 219. Die Lebenserfahrungen zeichnen eine Persönlichkeit mit scharfen formgebenden Gesichtszügen und bilden meist eine lange hagere Körperstruktur mit der Betonung eines ruhigen melancholischen Empfindens. Diese Eigenschaften entwickeln sich in der Regel auf reichlichen tiefen Einsichten und könnten ein weises Alter repräsentieren. Das Kennenlernen des Irrtums in der Welt und das Erleben von falschen Motivationen bis hin zu Lügen und Boshaftigkeiten gehört ebenfalls zum Erfahrungsschatz des Menschen. Eine bislang gewonnene Erfahrung über den Irrtum gewinnt nun plötzlich eine eigenartige neue attraktive Stellung. Die Verbindung der saturnischen Eigenschaften mit den Plutokräften neigt in außerordentlichem Maße zur subjektiven Innenwelt und der daraus entstehenden sogenannten – wenn man es mit Begriffen fasst – Eigendrehungen und eigenmächtigen Wahrheitsdarlegungen.6) Der Tiefenpsychologe Fritz Riemann erklärt das psychologische Phänomen der Eigendrehung in Analogie zur Rotation der Erde um sich selbst. Der betroffene Mensch besitzt eine Angst vor der Selbsthingabe und kreist mit seinen Gedanken und Gefühlen um sich selbst. In dieser Kondition vermeidet man, auf andere Menschen zuzugehen und fürchtet Ich-Verlust und Abhängigkeit. Siehe auch Fritz Riemann, Grundformen der Angst, Ernst-Reinhardt-Verlag 2019 Irrtümer sind zur Beliebtheit prädestiniert. Obwohl der Einzelne ein Gefühl in sich selbst besitzt, dass er in einem Irrtum lebt, gibt ihm diese Konjunktion nun die beste und hervorragendste Möglichkeit zur Kompensation. Der Einzelne muss sich nun nicht mehr mit seinen Erfahrungen über Traumen oder Irrtümer auseinandersetzen, sondern erlebt diese als mächtiges und beherrschendes Egogefühl. Er fühlt sich im Besitz der Wahrheit im überquellenden Schaum des Irrtums. Der Kopf erscheint gar nicht mehr als Kopf mit seiner Rationalität und an seiner obersten Position, sondern fällt in die Tiefe des Bauchraumes und das organische Leben des Unterleibes rückt an die Stelle des Kopfes. Es gibt sogar ein Gefühl, das besagt: “Ich strahle einen Irrtum nach außen und deshalb bin ich”. Die Saturn-Pluto-Konjunktion birgt die Gefahren in sich, dass der Mensch ähnlich wie beim Nationalsozialismus eine Art verhärtende Struktur des ideologischen vollkommenen Irrationalismus hervorbringt. Er verbannt das solide Denken und erhebt Wahrheiten, ohne sie erdacht zu haben, zum Idol.
Die Auflösung dieser Konstellation kann nur durch die solide und entwickelte Bewusstheit des Menschen, die sich nicht von subjektiven Stimmungen und allgemeingültigen Vorstellungen abhängig macht, geschehen. Man könnte nun meinen, dass jede Konstellation eine positive und eine negative Bedeutung in sich tragen kann. Müssen diese zwei Fronten immer sein? Gibt es Konstellationen, die in der gegebenen Polarität nicht lösbar sind und die durch eine übergeordnete Überlegung ihre Kalamität verlieren? Um der Saturn-Pluto-Konstellation zu entrinnen, müsste der Einzelne unabhängig von sich selbst und seinen egoistischen Neigungen ein Lebensideal entwickeln, das sowohl für die Zukunft als auch für die gesamte Kultur von Bedeutung ist. Er müsste frei von der Konstellation selbst ansetzen und dadurch frei von emotionalen Bedingtheiten eine mutige Seelenbewegung entfalten.
So wie man eine alte Ruine besser im Gesamten abreißt und sie mit einer neuen Idee leichteren Stils erbaut, so müsste man diese Konstellation im eigenen Inneren entdecken, sie in ihrer unvereinbaren Spannung in Ruhe lassen und sich einem darüberhinausgehenden freien und besseren Ideal hinwenden.7) Die Entwicklung eines Ideals kann aus einer Auseinandersetzung mit spirituellen Quellen hervorgehen. Wer in einer Schrift, die eine spirituelle Aussage trägt, „liest und über das Gelesene nachsinnt, die Gedanken eigenständig denkt und ausgestaltet, ernährt sich umso mehr aus den höheren Welten und entwickelt einen Sinn für die Umsetzung dieser Gedanken. Ein Wollen, diese Gedanken zu einem eigenen Teil der Persönlichkeit zu erschaffen, führt zu einer Grundstabilität in der Seele.“ Siehe auch Heinz Grill, Kosmos und Mensch, Stephan-Wunderlich-Verlag 2015, S. 277 Der Einzelne müsste den Mut haben, den Irrtum nicht nach oben zu setzen, sondern eine nächste übergeordnete Idee zu einem Ideal zu entwickeln. Es würde sich der Kopf wieder an die richtige Stelle rücken und der Bauchraum könnte unbewusst seine vegetativen Vorgänge steuern. Welche Illusion ist es, durch besondere Gefühle, die der Irrtum verspricht, sich diesem zu beugen. Die beschriebene innere Konstellation des Menschen wirkt vor allem auf die Gesundheit sehr störend und belastend. Sie trivialisiert die Kultur und stört ganz besonders für schwächere Menschen jegliche Wirtschaftsperspektive.
Anmerkungen
⇑1 | Bei einer Planetenkonjunktion liegen die betreffenden Planeten unmittelbar nebeneinander, oder besser gesagt, astronomisch gesehen hintereinander, so dass sich ihr Einfluss verstärkt. Ob diese Verstärkung eher harmonisch oder eher spannungsreich ist, hängt vom Charakter und der Ähnlichkeit der Planeten ab. Handelt es sich um so gegensätzliche Planeten wie Saturn (Himmelsregent) und Pluto (Herrscher der Unterwelt), so entsteht ein großes Spannungsverhältnis. Siehe auch Astrodata.com |
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⇑2 | Siehe Astrologieschule Gerd Himmel.de, Stand 14.1.2020 |
⇑3 | Zitat aus: Sternenlichter 2.0, Stand 14.1.2020 |
⇑4 | Rudolf Steiner äußert sich folgendermaßen zum Begriff der Moralität: „Man wird niemals mit bloßer Philosophie eine Definition des Moralischen geben können, und es ist das Charakteristische gerade der Philosophie, sofern sie Moralphilosophie sein will, daß sie zu einer richtigen, befriedigenden Definition des Moralischen nicht kommt, wenn sie sich nicht auf den Boden stellt, daß es dem Menschen möglich ist, sein Geistig-Seelisches unabhängig vom Leibe in sich zu erleben. Denn eine andere wirkliche Definition des Moralischen ist nicht möglich, als nur diejenige: Moralisch ist das, was der Mensch beschließt, was der Mensch tut durch Kräfte, die unabhängig von seinem Leibe sind.“ (GA 143, S. 43) |
⇑5 | Von Interesse hierzu ist die Beschreibung des Saturn in der Pädagogik in „Signaturen der Planeten und die seelisch-geistige Entwicklung in der Pädagogik“ S.193 bis 219. |
⇑6 | Der Tiefenpsychologe Fritz Riemann erklärt das psychologische Phänomen der Eigendrehung in Analogie zur Rotation der Erde um sich selbst. Der betroffene Mensch besitzt eine Angst vor der Selbsthingabe und kreist mit seinen Gedanken und Gefühlen um sich selbst. In dieser Kondition vermeidet man, auf andere Menschen zuzugehen und fürchtet Ich-Verlust und Abhängigkeit. Siehe auch Fritz Riemann, Grundformen der Angst, Ernst-Reinhardt-Verlag 2019 |
⇑7 | Die Entwicklung eines Ideals kann aus einer Auseinandersetzung mit spirituellen Quellen hervorgehen. Wer in einer Schrift, die eine spirituelle Aussage trägt, „liest und über das Gelesene nachsinnt, die Gedanken eigenständig denkt und ausgestaltet, ernährt sich umso mehr aus den höheren Welten und entwickelt einen Sinn für die Umsetzung dieser Gedanken. Ein Wollen, diese Gedanken zu einem eigenen Teil der Persönlichkeit zu erschaffen, führt zu einer Grundstabilität in der Seele.“ Siehe auch Heinz Grill, Kosmos und Mensch, Stephan-Wunderlich-Verlag 2015, S. 277 |