Logik und Gesetze der Gesundheit VIII –
Die Trägheit, die Aktivität und die Bewusstheit müssen an der richtigen Stelle im Menschen sein

Von Heinz Grill

Dieser Artikel stellt eine Fortsetzung des vorhergehenden dar.

Die drei Seinsbestimmungen der Natur und des menschlichen Daseins, die nach der alten Sankhya-Philosophie mit sattva, rajas und tamas benannt werden, befinden sich im menschlichen Körper. Wenn diese drei Kräfte, die sinngemäß mit Reinheit, Unruhe und Trägheit übersetzt werden können, in einem günstigen Verhältnis stehen, liegt in der Regel ein gutes psychisch-physisches Wohlbefinden vor. Die Trägheit müsste sich im besten Sinne zu Ruhe und Erholung bereitstellen. Die Unruhe wäre idealerweise eine regsame Dynamik und die Reinheit ist dann gewährleistet, wenn das Bewusstsein die bestmöglichen, objektiven Wahrnehmungs- und Gedankenprozesse leisten kann.

Derjenige, der sich mit Gesundheitsfragen auseinandersetzt, bemerkt mit Sicherheit, dass Trägheit nicht wirkliche Ruhe bedeutet und sie dadurch keinen Erholungswert besitzt. Eine gute Aktivität leidet wiederum durch unsolide Unruhe, Nervosität und einseitiges Begehren. Eifer und Hast verhindern deshalb eine wirklich erbauende Spannkraft. Eine wirkliche Reinheit schließlich, die das sattvaguna verkörpert, repräsentiert keine extremen Formen, sondern bemisst sich an der wachsenden Beziehung, die zu einer aufbauenden Freude und daraus resultierenden guten Gesundheit führt. Die Reinheit entwickelt sich in der Regel immer aus einer bewussten und wachen Beziehung zu einem Thema, einem Objekt oder einem anderen Menschen. Es sind deshalb drei Kräfte, die der Mensch tatsächlich bewusst herstellen muss: gesunde Ruhe, förderliche spannkräftige Aktivität und sensible wache Bewusstheit. Diese Formen müsste das einzelne Individuum jeden Tag neu herstellen, damit gesunde und erbauende Lebenskräfte in eine Entfaltung kommen können.

Das guna des sattva lebt beispielsweise in einem guten Nervensystem, das ständig zu neuen Lernschritten bereit ist. Physiologisch gesehen zeigen sich Synapsen-Bildungen im Gehirn durch gute Wahrnehmungsprozesse, die das Bewusstsein erweitern und dem einzelnen Menschen zu neuen Fähigkeiten verhelfen. Eine wirkliche Reinheit definiert sich nach dieser Philosophie vom Bewusstsein ausgehend, das als „licht“ bezeichnet wird, wenn es in der Entwicklung mit guten Lernfortschritten und sogar moralisch aufsteigenden Impulsen begleitet ist. Es ist deshalb das guna des sattva von der Art und Qualität des Bewusstseins getragen.

Ein Beispiel kann die Form der Reinheit, die das Prinzip von sattva repräsentiert, sehr leicht verdeutlichen: Eine Fastenkur für einige Tage oder eine gut gewählte, spezifische Diät entschlackt die Gefäße des Menschen, entlastet die Verdauung, beruhigt in der Regel das Herz-Kreislaufsystem und führt deshalb im Allgemeinen zu einer reineren Konditionierung des ganzen Bewegungsapparates. Mit Fastenkuren oder einem spezifischen Ernährungsplan kann ein sehr reines Niveau erzielt werden. Jene Aktivität, die sich jedoch aus dem Bewusstsein mit sinnvollen Lernschritten ausgestaltet und in der Gehirnrinde neue Synapsen eingliedert, führt zu einer größeren Reinheit, als es durch passives Diäthalten möglich ist. Lernt jemand beispielsweise 10 Yogaübungen, die er bislang nicht leicht bewältigen konnte und führt diese auf ein gutes Niveau, gewinnt er eine lichtere Ausstrahlung und sein Gehirnkortex entwickelt sich weiter. Die wohlgewählte gesunde Aktivität mit bewusstseinserweiternden Auseinandersetzungen macht den Menschen lichter und er ist weniger von den Leidenschaften des Körpers abhängig.

Damit er diese lernfreudige progressive Entwicklung seines Bewusstseins einschlagen kann, benötigt er Ziele mit klaren Vorstellungen und sinnvollen integralen Bezügen. Der Mensch organisiert damit die aufsteigenden Begehrens- und Unruheverhältnisse zu gesunden, zielsicheren Aktivitäten. Ein starkes rajas oder anders ausgedrückt ein starkes Begehren, das beispielsweise einen wesentlichen Sitz im menschlichen Magen hat und deshalb einen Teil der Verdauung darstellt, kann die Antriebskraft zu gesunder Aktivität sein. Ein starker Magen, der mit der Säftebildung die Nahrung gut bewältigt, gibt dem Menschen erst die Kraft zur Formulierung von Zielen, die in die Zukunft reichen oder anders ausgedrückt die Salzsäureproduktion und die gesamte Magensaftbildung können sich erheblich stärken und steigern, wenn der Mensch ein großes Begehren für weitreichende Ziele aufbringt. Das rajas, die Kraft, die den Menschen nach vorne treibt und die sehr dem Willen unterlegen ist, nimmt ihren lokalen Ausgang in den aktiven Verdauungsorganen und auch den weiteren Organen des Pankreas und der Galle. Dort in dieser Region ist das rajas sehr gut beheimatet und, wenn der Mensch unruhige Phasen zu zielsicherer Aktivität führt, nützt er es vorbildlich.

Die dritte Dimension, die dem tamas entspricht, lebt ebenfalls in der menschlichen Natur und nimmt ihren Sitz hauptsächlich in der tieferen Verdauung, in den Regionen des Unbewussten. All jene feinen Absorptionsprozesse, die im Dünndarm und Dickdarm stattfinden, entziehen sich vollständig dem Bewusstsein. Je mehr diese untere Region des Stoffwechsels in ihrer Ruhe bleiben kann, desto kräftiger und gesünder entfaltet sich die Stoffaufnahme von Proteinen, die dann in der Leber zu einem individuellen, genau bemessenen, körpereigenen Aufbau führt. Wohl gemerkt ist aber die so häufig wahrgenommene psychische Trägheit nicht eine wirkliche stabilisierende Ruhe, die aufbauende Kräfte schenken könnte.

Auf die beschriebene Weise lebt im Bewusstsein, das sich objektiv und mit sorgfältiger Beziehung lernfähig ausrichtet, das lichte Seinsprinzip des sattva. In der Mitte, dort, wo die aktiven Stoffwechselprozesse, vor allem katabole, scharfe Enzymleistungen stattfinden, findet sich das Prinzip der Aktivität, das der Gefahr des rajas, der Unruhe entspringen könnte, aber sich nun in der Spannkraft einer Ordnung bewegt. In der Tiefe der Verdauung, dort, wo sich gerne die Trägheit, das tamas, entfaltet, können sich durch eine bewusst hergestellte Ruhe Erholungsphasen großer Art entwickeln.

Für die Gesundheit ist es bedeutungsvoll, dass der einzelne Mensch sein Bewusstsein durch rechte Beziehungsaufnahme zu bestimmten Themen, anderen Menschen und guten Idealen in wachsendem Maße gebrauchen lernt. Fehlt diese aktive selbstgewählte Beziehungsaufnahme, steigern sich die beiden unteren guna-Kräfte, entweder das rajas mit seiner Hyperaktivität oder sogar das tamas, sodass der Mensch in seine untere Verdauung wie zurückfällt und unendlich träge wird. Der einzelne Mensch braucht deshalb eine sinnvolle körperliche Betätigung und des Weiteren eine bewusstseinsbildende Aktivität, die seine sensiblen Nerven stärkt.

Man achte auf ganz einfache Weise darauf, dass man der Verdauung die ausreichende Ruhe gönnt, damit die parasympathischen Nerven auf natürliche Weise eingreifen können und die anabolen Prozesse ungestört ablaufen. Sodann ist es gut auf das Aufrichten aus der Mitte der Wirbelsäule die Aufmerksamkeit zu richten, denn die katabolen Prozesse, die dem rajas tendenziell mehr entsprechen, gewinnen auf diese Weise eine natürliche und gesundheitsförderliche Dynamik. Übungen zum Aufrichten aus der Mitte wurden bereits vorgestellt und sollten in jeder Lebensphase, gleich ob in jüngeren oder älteren Jahren, immer wieder praktiziert werden. Als drittes ist schließlich die bewusste Beziehungsaufnahme zu möglichst idealen Themen sehr wichtig, denn wenn diese fehlt, so kann der einzelne Mensch nur in Einseitigkeiten zurückfallen.

Für die Gesundheit ist es des Weiteren wichtig, dass alle begonnenen Ziele, Projekte und Vorsätze zu einem sinnvollen Ergebnis geführt werden, denn wenn sich die Untugend eines inkonsequenten Umgehens mit Vorsätzen gewohnheitsmäßig etabliert, fällt der einzelne Mensch in eine Trägheit und in einen Selbstwertverlust zurück. Er entwickelt häufig Depressionen und verliert sehr viele Lebenskräfte. Der Grundsatz, Entscheidungen zu treffen, sich Ziele vorzunehmen, diese durchzuführen und sie auf vernünftige Weise mit einem guten Resultat zu beenden, ist deshalb für den Lebenskräfteorganismus außerordentlich bedeutungsvoll.

Für den nächsten Artikel werden einfache Übungen in Bezug zu den drei Seinsbestimmungen vorgestellt.

Das motorische System überwiegt tenden­ziell bei einer eher ergreifenden Geste.

Sensible Nerven sollen gestärkt und die Sensibilitàt gefòrdert werden, sodass nicht das motorische System zu stark überwiegt.


Alkohol führt meist zu tamas, weil er das ­Bewusstsein herabdämpft.

Die Rose im lichten reinen ­Zustand

Im Welken ist sie im Vergehen und geht in die Trägheit der ­Fäulnis und in die Erde über.

One Reply to “Logik und Gesetze der Gesundheit VIII –
Die Trägheit, die Aktivität und die Bewusstheit müssen an der richtigen Stelle im Menschen sein”

  1. „Das Anschauen ist eine so wunderbare Sache, von der wir so wenig wissen; wir sind mit ihm ganz nach außen gekehrt, aber gerade wenn wirs am meisten sind, scheinen in uns Dinge vor sich zu gehen, die auf das Unbeobachtetsein sehnsüchtig gewartet haben.“

    Rainer Maria Rilke

    Dieser Satz gibt doch wunderbar ausgedrückt die Ahnung wieder, daß die Hinwendung an ein Objekt oder Thema einem Wunsch des tieferen Seelenlebens entspricht.

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